Von Dr Rachel Harding und Dr Sarah Hernandez Bearbeitet von Dr Leora Fox Übersetzt von Rebecca

Eine Gruppe von Wissenschaftlern veröffentlichte kürzlich ihre Untersuchungen zur körpereigenen Reparatur von Gehirn- und Rückenmarksverletzungen. Eines ihrer Ergebnisse ist, dass das Eiweiß Huntingtin eine wichtige Rolle bei der Heilung verletzter Nervenzellen spielt.

Reparatur des Nervensystems - der Heilige Gral der Medizinwissenschaft

Es ist schon lange ein Ziel vieler Wissenschaftler, Wege zu finden eine Heilung von Schäden an Gehirn oder Rückenmark zu fördern. Durch die Erforschung der Reparaturmechanismen im Nervensystem, erhoffen sie sich dabei Hinweise, wie Schäden rückgängig gemacht werden können. Auf dieser Grundlage sollen im Anschluss Therapiemöglichkeiten für solche Verletzungen gefunden werden.

Seit den frühen Zeiten der Neurowissenschaften haben Forscher sich bemüht herauszufinden, wie beschädigte Nervenzellen repariert werden könnten. Erst in den letzten Jahren ist ihnen das wirklich möglich geworden.
Seit den frühen Zeiten der Neurowissenschaften haben Forscher sich bemüht herauszufinden, wie beschädigte Nervenzellen repariert werden könnten. Erst in den letzten Jahren ist ihnen das wirklich möglich geworden.

Eine Möglichkeit der Reparatur besteht im Einsatz von Stammzellen, die sich zu Hirnzellen entwickeln können. Diese neuralen Stammzellen entwickeln sich in neurale Progenitorzellen, kurz NPCs. Wie andere Stammzellen auch, haben sich diese Zellen noch nicht vollständig entwickelt; aus ihnen entwickeln sich später verschiedene Typen von Nervenzellen. Wissenschaftler sind in der Lage, solche NPCs auf beschädigte Bereiche des Nervensystems aufzupropfen, ähnlich wie bei einer Gewebe- oder Organtransplantation. Einmal aufgepropft, helfen die NPCs den anderen Zellen zu wachsen und sich zu verbinden, sodass Funktionen wiederhergestellt werden können.

Moderne Möglichkeiten, Antworten auf uralte Fragen zu geben

Professor Mark Tuszynski und Kollegen interessieren sich dafür, wie genau aufgepropfte NPCs bei der Reparatur von Gehirn- oder Rückenmarkschäden helfen können. Kürzlich veröffentlichte die Wissenschaftszeitschrift “Nature” eine Studie von ihnen. Sie hatten die Nervensystemreparatur mithilfe von moderner Neurowissenschaft und genetischen Werkzeugen untersucht, um sich die Details der Prozesse anzuschauen.

In der Gruppe wurden Mäuse mit Verletzungen an der Wirbelsäule erforscht und einige von ihnen mit NPCs behandelt. Die Forscher verglichen die behandelten mit den unbehandelten Mäusen und beobachteten welche Gene während des Heilungsvorgangs in Aktion traten und welche nicht. Ziemlich unerwartet fanden sie dabei heraus, dass sich die beschädigten Zellen zurück in einen embryoartigen Zustand verwandelten. Das bedeutet, dass sehr ähnliche Gene in Aktion traten wie in den Zellen der Nervensystems im Frühstadium der neuralen Entwicklung bei Embryos. Weiterhin stellten sie fest, dass dieser Zustand länger anhielt, wenn zuvor NPCs aufgepfropft wurden.

Die Wissenschaftler entwickelten die Hypothese, dass die Rückwandlung in einen unreifen oder embryoartigen Zustand den Zellen dabei half, wieder zu wachsen und die Reparatur von Schäden förderte. Das ist eine wichtige Entdeckung, die sich stark von einem Dogma unterscheidet, das es noch vor 20 Jahren gab: das Gehirn sei ein statisches Organ und nicht in der Lage zu Heilungsprozessen.

Wer sitzt am Steuer?

Um herauszufinden, wodurch die Zellen sich in den verjüngten Zustand zurückbegaben, beobachteten Tuszynski und Kollegen wiederum die Aktivität einzelner Gene. Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass das Huntington-Gen verantwortlich sein könnte.

Zu erforschen, welche Rolle das Huntingtin-Eiweiß bei der Reparatur von Nervenzellen spielt, wird Wissenschaftler neue Hinweise und Ideen hinsichtlich der Bedeutung dieser Entdeckung für die Huntington-Forschung geben.
Zu erforschen, welche Rolle das Huntingtin-Eiweiß bei der Reparatur von Nervenzellen spielt, wird Wissenschaftler neue Hinweise und Ideen hinsichtlich der Bedeutung dieser Entdeckung für die Huntington-Forschung geben.

Wie Sie als unser Leser wahrscheinlich schon wissen, löst das Huntington-Gen die Herstellung des Eiweißes Huntingtin aus, welches bei Betroffenen der Huntington-Krankheit mutiert ist. Wir können noch nicht vollständig erklären, was die normale/gesunde Form dieses Eiweißes in unserem Körper macht und es gibt einige Forschung, um genau das herauszufinden.

Nun deutet die Arbeit von Tuszynski und Kollegen an, dass es sich bei Huntingtin um einen zentralen Akteur bei der Regeneration von Nervenzellen handelt. In ihren Mausmodellen sahen sie, dass es dazu beitrug, den Embryo-Zustand länger aufrechtzuerhalten und die Heilung von Nervenzellen zu unterstützen. In der Tat, betrachteten die Forscher auch Mäuse, bei denen das Huntington-Gen ausgeschaltet wurde, und fanden heraus, dass in diesem Fall die Erholung von Rückenmarksverletzungen um 60% reduziert wurde - eine dramatische Auswirkung! Das würde bedeuten, dass Huntingtin immens wichtig für die Reparatur von verletzten Neuronen ist.

Was bedeutet das für die Huntington-Forschung?

Die Ergebnisse von Tuszynki’s Gruppe bedeuten einen großen Schritt nach Vorne bei der Entwicklung eines Verständnisses des normalen Huntington-Eiweißes und dessen Funktion bei der Entwicklung des Gehirns. Es verleitet uns dazu zu spekulieren, dass die Mutation des Huntingtins, die Reparaturmechanismen des Gehirns behindern kann und viele weitere Wissenschaftler werden nun sicherlich versuchen herauszufinden, ob das wirklich so ist. Es könnte die grundlegende Ursache dafür sein, warum bei Huntington-Patienten eine Neurodegeneration stattfindet, für die Bestätigung dieser Hypothese bedarf es aber noch weiterer Forschung.

Für alle HDBuzz-Leser wollen wir noch hinzu fügen, dass es wichtig ist zu beachten, dass die Abschaltung des Huntington-Gens bei den Mäusen aus dieser Studie sich grundlegend von dem unterscheidet, was aktuell in klinischen Studien von Wave, Roche und uniQure gemacht wird. In der vorliegenden Studie wurden 100 % des Huntingtins in Gehirn und Rückenmark ausgelöscht, um dessen Rolle besser zu verstehen. Bei den klinischen Studien hingegen handelt es sich um eine Verringerung der Menge des vorhandenen Huntingtins in bestimmten Hirnarealen, die am stärksten von der Krankheit betroffen sind. Es werden nicht 100 % des Huntingtins ausgeschaltet, man erwartet also keinen vergleichbaren Einfluss auf die Reparatur des Nervensystems.

Es ist sicher, dass diese neue aufregende Studie weltweit zu weiteren Forschungen führen wird und wir sind gespannt auf deren Ergebnisse!

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...