Huntington’s Disease Therapeutics Conference 2020 - Tag 3
HDBuzz berichtet vom 3. Tag der jährlichen Huntington’s Disease Therapeutics Conference in Palm Springs
Von Dr Sarah Hernandez, Dr Rachel Harding und Joel Stanton 9. April 2020 Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 3. März 2020
Rachel und Sarah berichten weiter von der Huntington’s Disease Therapeutics Conference, der größten jährlichen Versammlung von Huntington-Forschern weltweit.
Alles über Tag 1 können Sie hier nachlesen, den Bericht über Tag 2 finden Sie hier.
Donnerstagmorgen - Huntingtin-Verminderung
Guten Morgen zusammen! Wir melden uns am dritten Tag der CHDI-Konferenz aus Palm Springs zurück. Heute geht es schwerpunktmäßig um Huntingtin-Verminderung. Es gibt viele Wissenschaftler/-innen und Firmen, die sich in diesem Bereich engagieren!
Wir wissen, dass das Herabsenken der Menge an Huntingtin bei Mäusen und Ratten gegen Huntington-Symptome und das Fortschreiten der Krankheit hilft. Wir wissen auch, dass es möglich ist, Huntingtin in anderen Tieren zu verringern. Die 1-Millionen-Euro-Frage bleibt, ob man es auch bei Menschen reduzieren kann und ob das eine geeignete Behandlung der Krankheit ist. Außerdem wollen wir wissen, wann eine solche Behandlung sinnvoll wäre, etwa bevor Symptome ausbrechen oder danach. Und man erforscht in welchen Gehirnbereichen die Verminderung besonders wichtig ist oder ob sie im ganzen Gehirn durchgeführt werden soll. Hierzu werden derzeit verschiedene klinische Studien durchgeführt.
Wir können optimistisch sein, dass die Studien dabei helfen, solche Fragen zu beantworten. Die Forscher haben bereits unterschiedliche Möglichkeiten zur Huntingtin-Verminderung entwickelt und auch verschiedene Arten der Messung der Huntingtin-Menge im Gehirn. Einige alternative Strategien befinden sich gerade in der Pipeline.
Den ersten Vortrag hält heute Ignacio Munoz-Sanjuan von CHDI, bei dem es um den Zeitpunkt von Huntingtin-Verminderung geht. Munoz-Sanjuan engagiert sich außerdem für den Patientenkontakt in Lateinamerika. Dazu startete er eine gemeinnützige Organisation, die sich Factor H nennt.
Die Forscher wollen sicherstellen, dass jede Therapie, die entwickelt wird, risikofrei für die Patienten ist. Die Huntington-Krankheit betrifft den ganzen Körper, während die Forschung sich derzeit auf die Verringerung von Huntingtin allein im Gehirn konzentriert, müssen dennoch die Auswirkungen der Behandlung auf den ganzen Patienten verstanden werden. Der Abbau von Gehirnzellen ist ein schwer zu behandelndes Problem - in anderen Forschungsfeldern, beispielsweise bei Alzheimer oder Parkinson, geht es ebenso um diese Schwierigkeit, das zeigt uns, dass es wirklich nicht trivial ist und das sollten wir im Hinterkopf behalten.
Ein attraktives Forschungsfeld für die Huntingtin-Verminderung sind kleine Moleküle. Dabei handelt es sich um Medikamente, die man in Form einer Tablette einnehmen könnte, das wäre weitaus angenehmer als bei anderen derzeit erforschten Strategien. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass man hier nicht spezifisch das mutierte Huntingtin sondern auch dessen wilde bzw. gesunde Form angreift. Beim richtigen Zeitpunkt der Verabreichung einer solchen Therapie handelt es sich um eine Schlüsselfrage. Können eventuell bereits entstandene Schäden wieder rückgängig gemacht werden? Die Forscher wollen keine unnötigen Medikamente verabreichen. Das Gehirn ist ein wirklich komplexes Organ und man sollte nicht vergessen, dass Mausmodelle zwar nützlich für die Untersuchung einiger Aspekte der Huntington-Krankheit sind, dass ein Mausgehirn aber kein Menschengehirn ist. Verschiedene Modelle für die Krankheit zu verwenden ist wichtig, um die Wirksamkeit von Medikamenten zu überprüfen. Und Mäuse sind grundlegend für Forschritte in der Huntington-Forschung. Da der Zeitpunkt der Behandlung ein bedeutendes Forschungsfeld ist, haben Forscher die Umkehrung von zellulären Vorgängen in Mäusen beobachtet. Interessanterweise haben sie dabei herausgefunden, dass die Huntingtin-Verminderung bei Mäusen Schäden in den Zellen des Striatums nicht nur vorbeugen, sondern diese auch beheben kann. Das sind wunderbare Neuigkeiten.
Als Nächstes geht es weiter mit Huntington-Biomarkern. CHDI entwickelt schon seit langer Zeit neue bildgebende Technologien, die visualisieren sollen, wie viel Huntingtin im Gehirn ist, und wo es sich befindet. Um das zu erreichen, haben sie ein neues Molekül entworfen, dass sich an das Eiweiß dranhängen kann, sobald dieses sich in verklumpten Strukturen anreichert. Sie sprechen von einem PET-Verfolger oder einem PET-Liganden, benannt nach den Scannern, die es sichtbar machen, denn sie heißen PET-Scanner, abgekürzt für Positronen-Emissions-Tomographie. Das Molekül schafft den Weg bis ins Gehirn, würde sich also aus dieser Sicht gut eignen. CHDI führt bereits Messungen des Huntingtin-Niveaus in Gehirnen von Mäusen damit durch, dabei werden unterschiedliche Hirnbereiche und Mäuse unterschiedlichen Alters getestet.
Eine weitere Frage, die man sich stellt, ist wie stark das Huntingtin in den Zellen reduziert werden soll. Welches Level wird gesund für Patienten sein? Welches Level ist risikofrei? Der PET-Ligand kann verwendet werden, um die vorhandene Menge von Huntingtin nach einer Behandlung zu messen und zusammen mit anderen Experimenten kann festgestellt werden, bei welchem Level sich die Mäuse beginnen zu erholen. Die so gewonnenen Erkenntnisse können hoffentlich auch für Menschen hilfreich sein.
Den nächsten Vortrag hält Mark Bevan von der Northwestern University. Er diskutiert mit uns seine Arbeit zur Verringerung von Huntingtin in spezifischen Hirnregionen, und deren Auswirkung auf die Funktion des Gehirns. Es geht dabei um zellspezifische Unterschiede: seine Gruppe hat beobachtet, dass spezielle Neuronen im Mausgehirn an Aktivität verlieren, während andere kaum betroffen scheinen. Bevans betrachtet auf mikroskopischer Ebene die Kommunikation zwischen den Neuronen und wie diese beeinflusst wird. Makroskopisch stellte er fest, dass eine Huntingtin-Verminderung die Bewegungen von Mäusen verbessert, die Mäuse können zum Beispiel über längere Strecken und mit höherer Geschwindigkeit laufen. Angesichts der laufenden Huntingtin-Verminderungsstudien am Menschen weckt das Hoffnungen. Bevan will noch weitere Bewegungsformen bei den Mäusen genauer studieren.
Nun ist Marcy MacDonald vom Massachussetts General Hospital an der Reihe. Ihr Vortrag trägt den spannenden Titel “Die äußeren Grenzen”. Aus Studien wie Enroll-HD ist den Forschern bekannt, dass es eine große Variabilität bei Huntington-Patienten gibt, die abgesehen von der Anzahl der CAG-Wiederholungen von anderen Faktoren abhängen muss. Auch wenn also die genetische Ursache der Krankheit bekannt ist, handelt es sich um eine komplexe Angelegenheit: es gibt weitere kleine Variationen in den Genen, die eine Rolle spielen, mit solchen beschäftigt sich auch MacDonald. Sie sammelt Datensätze zu Faktoren, die das Fortschreiten der Krankheit neben der CAG-Strang-Länge beeinflussen können. Diese Datensätze stellt sie auch vielen anderen Forschern weltweit zur Verfügung. Glücklicherweise wurden Patienten gefunden, die ein geringeres Huntingtin-Level in sich haben. Da es diesen Menschen gut geht, schließen Wissenschaftler darauf, dass eine Reduzierung von Huntingtin wenigstens bis auf ihr Level, unbedenklich sein sollte. Auf der anderen Seite wurde bei Mäusen bereits festgestellt, dass ein abgesenkter Huntingtin-Gehalt in der Leber die Zellen dort weniger stressresistent machen kann. Man kann deshalb nicht auf die üblichen medizinischen Studien am Menschen verzichten.
Weil die Menge an Huntingtin in den Zellen von Mensch zu Mensch variieren kann, muss man sich bewusst sein, dass das Ausgangsniveau des Huntingtins bei teilnehmenden Patienten einer Huntingtin-Verminderungsstudie auch unterschiedlich sein kann. Vielleicht lässt sich daraus für die Zukunft auch ein individuellerer Ansatz für jeden Betroffenen entwickeln. Näheres zu den laufenden Huntingtin-Verminderungsstudien sollen wir am Nachmittag erfahren!
Donnerstagnachmittag - Huntingtin-Verminderung auf dem Weg in die Kliniken
An diesem Nachmittag geht es um die Umsetzung der Huntingtin-Verminderung in den Kliniken. Als erste trägt Charlotte Sumner von der Johns Hopkins Universität vor. Eigentlich beschäftigt sie sich hauptsächlich mit spinaler Muskelatrophie (SMA), einer anderen neurodegenerativen Krankheit. Gegen SMA gibt es bereits ein ASO-Medikament, man hofft daher, dass man für die ASO-Behandlung der Huntington-Krankheit viel von SMA lernen kann. Auch bei SMA ist das Verursacher-Gen für die Krankheit genau identifiziert worden. Allerdings sind noch viele Fragen bezüglich den eigentlichen Vorgängen in den Zellen offen, sodass der vollständige Mechanismus der Krankheit noch nicht verstanden ist. Zusätzlich zu dem ASO-basierten Medikament wurden auch weitere Therapien gegen SMA entwickelt, beispielsweise auf Grundlage von kleinen Molekülen (Verabreichung in Form einer Tablette wäre möglich), hier steht die Zulassung durch die amerikanische Behörde FDA allerdings noch aus. Eine Therapie, bei der nur eine einmalige Verabreichung eines Wirkstoffes nötig wäre, also eine Gentherapie, hat auch bereits Erfolge bei jungen Kindern gezeigt und man ist gerade dabei zu untersuchen, ob auch ältere Patienten davon profitieren könnten. Bisher konnten bei der Behandlung von SMA schon riesige Erfolge erzielt werden und das macht Hoffnung auch für die Huntington-Krankheit. Man fand auch bei SMA heraus, dass der Zeitpunkt der Behandlung wirklich einen großen Unterschied machen kann, daher ist es gut, dass auch die Huntington-Forscherteams sich mit diesem Thema so intensiv beschäftigen.
Da Behandlungen von Patient zu Patient unterschiedlich gut anschlugen, sind auch SMA-Experten weiterhin daran interessiert, mehr Patienten zu untersuchen, um solche Abweichungen besser zu verstehen. Wiederum ein Hinweis darauf, wie wichtig Studien wie Enroll-HD mit einer großen Anzahl von Teilnehmern sind. Auch bei SMA ist man darauf gestoßen, dass das Neurofilament ein geeigneter Biomarker für das Fortschreiten der Krankheit sein könnte. Die Mengen an Neurofilament scheinen sich mit einer andauernden Behandlung zu verringern.
Den nächsten Vortrag hält Anastasia Khvorova von der Medical School der University of Massachusetts. Ihr Thema ist Huntingtin-Verminderung mittels einer Technik namens RNAi. Ähnlich wie bei den ASOs wird durch RNAi die Boten-RNA angesteuert, diese soll dann zersetzt werden, sodass das schädliche Eiweiß gar nicht erst produziert wird mehr dazu können Sie hier nachlesen.
Als ersten Schritt betrachteten sie die Verteilung der RNAi im Gehirn von Mäusen und erhielten hier vielversprechende Ergebnisse: es zeigte sich, dass Huntingtin in vielen Bereichen der Mausgehirne signifikant verringert auftrat. In ihrem Fall ist hier sowohl das wilde als auch das mutierte Huntingtin gemeint, wobei die Gruppe auch an allelspezifischen Ansätzen arbeitet. Bei diesen spezifischen Ansätzen würden Khvorova und ihr Team sich winzige Unterschiede zwischen den Allelen zu Nutze machen, so genannte SNPs (sprich: “Snips”). Da das Medikament nur im Fall des Vorhandenseins der entsprechenden SNPs wirken kann, reduziert sich damit die Zielgruppe und es könnten nur ~35% der Betroffenen mit Aussicht auf Erfolg behandelt werden. Als zweiten Schritt nahm sich die Forschergruppe ein größeres Tiermodell vor, nämlich Huntington-Schafe. Hier testeten sie Injektionen sowohl in das Gehirn direkt als auch in das Nervenwasser und fanden dabei heraus, dass sich das Medikament in beiden Fällen gleich gut im Gehirn verteilt. Zuletzt konnten die Experimente auch an einem dritten Tiermodell, an Affen, wiederholt werden. Neben der guten Verteilung des Medikaments wurde dessen Verweildauer im Gehirn untersucht. Da sich die Substanz recht lange in den gewünschten Bereichen hält, wird im Anwendungsfall von nicht allzu häufigen Behandlungen ausgegangen. Bisher zeigt sich das Medikament für die Affen gut verträglich, das deckt sich mit Erfahrungen aus dem Schafmodell. Sehr spannend ist das Ergebnis, dass sich die Menge an Huntingtin in den Gehirnen der Affen durch RNAi-Injektionen stark verringern lässt. Gleichzeitig konnten keine Reduzierungen bei anderen Proteinen festgestellt werden, sodass man von geringen unerwünschten Effekten oder Nebenwirkungen sprechen kann. An dieser Stelle muss aber sehr vorsichtig vorgegangen werden und selbst kleinste unbeabsichtigte Veränderungen sollten berücksichtigt werden, daher wird Khvorova noch weitere Untersuchungen machen und Daten auswerten. Sowohl Khvorova als auch CHDI sind vom Potenzial dieser Therapiemöglichkeit überzeugt. RNAi könnten sogar Einsatz finden, um weitere Proteine im Gehirn zu verringern, die beispielsweise das Ausbrechen der Krankheit begünstigen. Man ist derzeit bemüht, die Kosten der Therapie niedrig zu halten, damit sich später möglichst alle Huntington-Patienten die Behandlung leisten können. HDBuzz wird mit Spannung den Weg hin zu klinischen Studien mitverfolgen!
Als Nächste ist Astrid Valles-Sanchez von uniQure an der Reihe. UniQure hat zur Huntingtin-Verminderung ein Medikament namens AMT-130 entwickelt. Derzeit wird hiermit bereits eine klinische Studie bezüglich der Verträglichkeit des Medikaments durchgeführt. Bei AMT-130 soll es sich eine einmalige Injektion direkt in das Gehirn zur Behandlung ausreichen. In Valles-Sanchez Vortrag geht es heute um Biomarker, die uniQure derzeit erwägt, um die Wirksamkeit des Medikamentes zeigen zu können. Bei Schweinen konnte schon beobachtet werden, dass der Effekt von AMT-130 zwei Jahre nach der Behandlung noch im Nervenwasser sichtbar war. Bei Affen wurde das gleiche nach 6 Monaten beobachtet. Weiterhin geht es um die Verteilung des Wirkstoffes im Gehirn. Diese wurde bei Schweinen anhand von Gewebeproben analysiert. Man erhielt gute Ergebnisse: besonders in den am stärksten betroffenen Hirnregionen wurde das Level an Huntingtin-Eiweiß stark gesenkt. Allerdings deckten die Ergebnisse aus den Gewebeproben sich in diesem Fall nicht mit der Untersuchung des Nervenwassers. Als nicht-invasive Alternative zur Gehirnuntersuchung beschäftigt sich uniQure gerade mit Magnetresonanzspektroskopie (MRS). Diese Methode macht Veränderungen bei chemischen Stoffen namens Metaboliten in verschiedenen Bereichen des Gehirns sichtbar.
Den letzten Vortrag der Konferenz gestaltet Scott Schobel. Er teilt einige sehr vorläufige Ergebnisse einer der laufenden Roche-Studien mit. Und zwar geht es um die 15-monatige offene Verlängerung der ersten Phase-I/II-Studie bei Huntington-Patienten mit erkennbaren Symptomen. Das Medikament RG6042 hat derweil einen neuen Namen erhalten, es heißt jetzt Tominersen. Die Daten von Scott Schobel deuten an, dass die Menge an (wildem und mutiertem) Huntingtin mithilfe von Tominersen dosisabhängig reduziert werden konnte. Je mehr Tominersen, desto größer die Huntingtin-Verminderung. In seiner Studie wurden dabei zwei unterschiedliche Dosierungen gewählt, es gab Patienten, die das Medikament jeden Monat erhielten und solche, die es nur jeden zweiten Monat erhielten. Es stellte sich heraus, dass auch bei zweimonatiger Pause eine gute Reduzierung erzielt werden konnte. Roche schließt nach seiner Auswertung daraus, dass Tominersen besser jeden zweiten Monat anstelle von monatlich verabreicht werden sollte. Entsprechend wurde auch bei der laufenden Phase-III-Studie von Roche das Behandlungsintervall angepasst. Hinsichtlich eines geeigneten Biomarkers stellte sich für Roche Neurofilament Light (NFL) als hilfreich heraus: die Menge an NFL wird nun auch weiterhin von Roche als Indikator für die Wirksamkeit ihres Medikamentes verwendet. Anfangs stieg die Menge von NFL im Nervenwasser der Patienten an, anschließend kann aber eine Absenkung beobachtet werden und das über die gesamte Zeitdauer bis hin zu 15 Monaten. Roche will ein tieferes Verständnis für diesen Biomarker entwickeln und die Wechselwirkungen zwischen NFL und Huntingtin verstehen. Netterweise stellt Schobel seine Folien uns online zur Verfügung!
Es gab sehr wenige Teilnehmer, die die Studie von Roche abbrechen mussten, die ganze Huntington-Gemeinschaft ist den Teilnehmern aller genannten Studien ewig dankbar! Damit verabschieden wir uns von der Huntington’s Disease Therapeutics Conference 2020 in Palm Springs und hoffen, Sie bleiben uns gewogen.