Jeff CarrollVon Dr Jeff Carroll Bearbeitet von Dr Tamara Maiuri Übersetzt von Rebecca

Eine aufregende neue Substanz im Kampf gegen die Huntington-Krankheit verzeichnet Erfolge. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern haben eine neue, gezielte Methode entwickelt, um die Menge an mutiertem Huntingtin-Protein zu senken.

Huntingtin-Genetik: Vom Gen zum Protein

Die Huntington-Krankheit wird von einer Veränderung - oder Mutation - der DNA eines bestimmten Gens hervorgerufen. Wissenschaftler sprechen vom Huntington-Gen. Wie jedes andere Stück DNA in unseren Zellen, setzt sich dieses Gen aus chemischen Buchstaben zusammen, die sich in einer einzigartigen Abfolge wiederholen, um ihm seine speziellen Funktionen zu geben.

Anders als ASOs und siRNA, die an der RNA ansetzen, wirken ZFPs auf die DNA.
Anders als ASOs und siRNA, die an der RNA ansetzen, wirken ZFPs auf die DNA.

Es handelt sich um die vier chemischen Buchstaben “A”, “C”, “T”, und “G”. Jede Form der Huntington-Krankheit wird von einer Verlängerung eines Abschnittes mit der wiederkehrenden Abfolge “C-A-G” nahe am Anfang des Huntington-Gens verursacht. Bei den meisten Menschen - die im Laufe ihres Lebens nicht an der Huntington-Krankheit erkranken - besteht dieser Abschnitt aus etwa 20 C-A-G-Wiederholungen. Warum das so ist, weiß man noch nicht genau.

Die Huntington-Krankheit tritt auf, wenn eine Person noch mehr Wiederholungen aufweist. Das Ausbrechen der Krankheit ist ab einer Anzahl von 40 Wiederholungen unvermeidbar. Jeder Mensch hat zwei Kopien des Huntington-Gens, je eine vom Vater und eine von der Mutter. Die meisten Betroffenen der Huntington-Krankheit haben eine Kopie mit einer gewöhnlich niedrigen Anzahl von Wiederholungen und eine Kopie mit 40 plus Wiederholungen.

Die meisten Gene - und so auch das Huntington-Gen - werden von den Zellen als Bauanleitung zur Herstellung von Eiweißen genutzt. Diese haben alle möglichen Aufgaben in der Zelle. In den Zellen von Menschen mit der Huntington-Mutation gibt es demnach zwei unterschiedliche Huntingtin-Bauanleitungen und die Zellen stellen zwei unterschiedliche Huntingtin-Eiweiße oder -Proteine her: einen harmlosen oder “wilden” Typ und einen mutierten Typ.

Huntingtin-Verminderung

Ein Hauptziel der weltweiten Huntington-Forschung ist es derzeit, zu erforschen, ob eine Verringerung der Menge an Huntingtin eine effektive Behandlung gegen die Krankheit sein könnte. Verschiedene Verfahren versuchen die Neubildung des Proteins aufzuhalten oder zu verlangsamen.

Tierstudien legen nahe, dass bei weniger Herstellung von Huntingtin aufgrundlage des Huntington-Gens, eine Chance zur Linderung der Huntington-Symptome besteht. Einige Pharmaunternehmen verfolgen unterschiedliche Ansätze, um eine Reduzierung zu erreichen und wollen damit mögliche Therapien gegen die Huntington-Krankheit entwickeln. HDBuzz hat bereits hier über die Grundlagen ihrer Konzepte berichtet und Neuigkeiten zu den sogenannten ASOs hier und hier, sowie weitere Ansätze hier und hier veröffentlicht.

Und jetzt: ZFPs

Die Biotechnologiefirma Sangamo Therapeutics arbeitet seit einigen Jahren an einem weiteren Konzept zur Senkung des Huntingtinspiegels: an der Kontrolle, ob ein Gen eingeschaltet oder aktiviert wird. Ihre Methode beruht auf kleinen Molekülen namens Zinkfinger-Protein-Transkriptionsfaktoren, kurz ZFPs. Das Ziel der Huntingtin-Verminderung bleibt gleich.

ZFPs funktionieren dabei im Gegensatz zu den bisher von uns betrachteten Methoden auf ganz einzigartige Weise. Bei den übrigen Absenkungsmethoden wird der Bote zwischen der DNA des Gens und dem Huntingtin-Eiweiß angesteuert. Das heißt die Information des Gens wird zunächst ausgelesen und in die RNA (auch Messenger-RNA oder Boten-RNA) umgewandelt. Erst diese RNA wird dann durch die Huntingtin-vermindernden Therapien angesteuert.

Aber ZFPs wie sie von Sangamo und dem Konsortium entwickelt wurden, funktionieren auf ganz andere Weise: in unseren Zellen befinden sich einige Proteine mit winzigen “Klammern”, die sich an bestimmte DNA-Sequenzen heften können. Diese Klammern werden jeweils durch ein Zink-Atom zusammengehalten, woher sich der Name Zink-Finger ableitet.

Anders als bei Ansätzen, die auf die Boten-RNA ausgerichtet sind, wird im Fall des Einsatzes von ZFPs das mutierte Huntington-Gen in der Zelle gar nicht erst aktiviert.

ZFPs für die Huntington-Krankheit?

Seit vielen Jahren haben Wissenschaftler daran gearbeitet, die natürlich vorkommenden ZFPs zu verstehen. Sie hofften, sie könnten diese umprogrammieren, sodass sie sich gezielt an bestimmte DNA-Sequenzen anheften. Sangamo ist führend auf diesem Gebiet und hat eine Art Werkzeugkasten maßgeschneiderter ZFPs entwickelt, die so gut wie jede Stelle in der DNA ansteuern können.

Warum also das? Was ist der Nutzen solcher anpassbarer DNA-Klemmen? Es hat sich herausgestellt, dass diese ZFPs verschiedene nützliche Dinge transportieren können, die wiederum an dem angesteuerten Ort in der DNA bestimmte Aufgaben verrichten können. Zum Beispiel kann an den ZFPs ein Stoppschild fixiert werden, dass gezielt die Zelle daran hindert, bestimmte Gene zu aktivieren.

Eine kürzlich erschienene Veröffentlichung beschreibt Sangamos Entwicklung von ZFPs als Teil der Huntington-Forschung in einer Zusammenarbeit mit der CHDI-Stiftung und einigen internationalen Wissenschaftlern. In Laborversuchen waren sie in der Lage neue ZFPs zu identifizieren, die sich an das Huntington-Gen - also direkt an die DNA - anheften können und dessen Aktivität verhindern. Im Unterschied zu den bisher beschriebenen Methoden, die mit der RNA wechselwirken, schalten Zellen, die mit ZFPs behandelt werden ihr Huntington-Gen gar nicht erst an.

Und es kommt noch besser, es wurden ZFPs gefunden, die nur die mutierte Kopie des Huntington-Gens stumm schalten während die unschädliche Kopie vollständig unberührt bleibt. Sangamo testete erfolgreich die Fähigkeit der ZFPs auch mutierte Gene mit einer recht niedrigen Zahl an CAG-Wiederholungen (38 CAG-Repeats) von der nicht-mutierten Genkopie zu unterscheiden.

Vielversprechende Versuche mit Mäusen

Nachdem sie zeigen konnten, dass ZFPs gezielt nur das mutierte Gen ansteuern können, führte das Forscherteam eine Reihe professioneller Tierstudien durch, um zu sehen, ob das Medikament auch in der Lage ist, in Gehirnen von Mäusen mit Huntington-ähnlichen Symptomen seine Wirkung zu zeigen. Um das ganze Spektrum abzudecken, wurden zwei unterschiedliche Tiermodelle untersucht - eines mit schnell fortschreitenden und eines mit subtileren Langzeitsymptomen.

In beiden Fällen führten ZFPs in den Gehirnen der Mäuse zu einer messbaren Abnahme des mutierten Huntingtins. Es wurden auch Verbesserungen bei einigen Symptomen beobachtet.

Während es relativ leicht ist, solche Experimente an Mäusen durchzuführen, da Proben des Gehirngewebes entnommen und intensiv untersucht werden können, sind sie unmöglich an menschlichen Patienten durchführbar. Die Forscher machten daher eine weitere Reihe von Experimenten, um zu sehen, ob die Huntingtin-Verminderung auch über Methoden messbar ist, die am Menschen angewendet werden können.

Und tatsächlich, mit Hilfe von MRT-Messungen, konnten positive Auswirkungen der Behandlung mit ZFPs beobachtet werden. Die gleichen Messungen können bei Menschen vorgenommen werden. Es müssen also keine Proben des Gehirngewebes entnommen werden.

Die Forscher können die ZFPs mit einer Art Stoppmechanismus ausstatten, sodass die Zelle daran gehindert, wird ein Gen einzuschalten.
Die Forscher können die ZFPs mit einer Art Stoppmechanismus ausstatten, sodass die Zelle daran gehindert, wird ein Gen einzuschalten.

Welche Risiken und Vorteile haben ZFPs?

Wie bei jeder möglichen Behandlungsmethode für die Huntington-Krankheit, gibt es auch bei ZFPs Vor- und Nachteile. Theoretisch ist es ein viel naheliegender Ansatz, das mutierte Gen selbst abzuschalten, statt die daraus abgeleitete RNA zu beseitigen. Denn es ist nicht vollständig verstanden, ob eventuell bereits die RNA schädliche Auswirkungen auf das Gewebe hat, nicht erst das Protein.

Desweiteren zeigen die Daten von Sangamo und seinem Konsortium eine gute Fähigkeit zwischen der gesunden und der mutierten Kopie des Huntington-Gens zu unterscheiden. Nur die mutierte Kopie stummzuschalten bedeutet ein weitaus geringeres Risiko, denn auch die Wirkung des nicht-mutierten Huntingtins ist noch nicht vollständig erforscht.

Der Nachteil der ZFPs ist aber, dass es sich bei ihnen selbst um Gene handelt, ausgedrückt in einer DNA. Diese muss in jede einzelne Zelle, die behandelt werden soll, eingebracht werden. Wenn eine Therapie darin besteht, neue Gene in Zellen einzubringen, spricht man von Gentherapie. Um die Huntington-Krankheit effektiv behandeln zu können wird man bei der ZFP-Gentherapie mit unschädlichen Viren arbeiten müssen, die direkt in das Gehirn injiziert werden.

Wie bei jedem neuen Medikament könnten auch bei ZFPs unerwartete Effekte auftreten. Es könnte passieren, dass sich die ZFPs unbeabsichtigt auch an andere Gene heften und somit auch die Produktion anderer, für den Körper hilfreicher oder nötiger Eiweiße stoppen. Auch wenn die Forscher diese Möglichkeit im Labor tiefgehend untersucht haben, kann man nie genau vorhersehen, was passiert, wenn das Medikament in einem menschlichen Gehirn eingesetzt wird.

Das Beste, was man machen kann, um festzustellen, ob ZFPs wirksam sind, ist die Durchführung klinischer Studien mit menschlichen Patienten. Um das zu tun, hat sich Sangamo mit dem japanischen Pharmakonzern Takeda zusammengetan, der definitiv die Erfahrung und die Mittel hat, solche Studien durchzuführen. Bleiben Sie uns bei HDBuzz gewogen, um über künftige Ankündigungen von Studien mit ZFPs zu lesen.

Was lernen wir daraus?

Die spannende Veröffentlichung legt einen neuen Pfeil in den Köcher der Huntington-Forschung in der Klinik. Wir finden, dass die Studie sehr sorgfältig durchgeführt wurde und die Forscher in einer gute Position versetzen sollte, die Untersuchung von ZFPs in klinischen Studien zu erwägen. Es ist wirklich toll zu sehen, dass hervorragende Wissenschaftler auf der ganzen Welt immer weiter an neuen Ansätzen zur Behandlung der Huntington-Krankheit arbeiten.

Diese neuen ZFPs scheinen sehr wahrscheinlich einige Vorteile gegenüber bereits weiter entwickelten Huntingtin-Verminderungstherapien zu haben und wir freuen uns schon auf künftige Studien. Wir werden weiterhin bei HDBuzz über jegliche Huntingtin-Verminderungstherapien berichten.

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...