Ed WildVon Professor Ed Wild Übersetzt von Lisanne Mütze Bearbeitet von Dr Jeff Carroll

Die Hitzeschock-Antwort ist eine Abwehrstrategie, welche Proteinen hilft, in Stresssituationen die richtige Form zu behalten. Britische Forscher haben gezeigt, dass die Aktivierung der Hitzeschock-Antwort gut für HK-Mäuse ist - aber der Nutzen ist nicht von Dauer, weil dieser durch andere Effekte der HK-Mutation untergraben wird. Jetzt arbeitet man daran diesen Effekt dauerhaft zu machen.

Proteinfaltung und Chaperone

Stellen sie sich vor sie haben hundert Hemden, die sie ordentlich falten wollen. Wenn sie sie alle in die Luft werfen, ist es sicher, dass keines der Hemden am Ende so aussieht, wie man es möchte. Aber wenn sie ein T-Shirt selber falten und es in eine Schublade legen, wird es ordentlich gefaltet bleiben.

Hemden falten sich nicht selber, und genauso wenig tun dies Proteine. Chaperone helfen den Proteinen in unseren Zellen die richtige Form zu erhalten.
Hemden falten sich nicht selber, und genauso wenig tun dies Proteine. Chaperone helfen den Proteinen in unseren Zellen die richtige Form zu erhalten.

Faltung bedeutet das Gleiche für Proteine - die molekularen Maschinen, welche spezielle Aufgaben in Zellen ausführen. Wenn ein Protein hergestellt wird, ist es gestreckt wie eine Perlenkette. Erst wenn sich dieser Strang verdichtet und in eine bestimmte Form faltet, beginnt das Protein nützlich zu werden.

Für ein Protein ist die Form alles. Es ist die Gestalt des Proteins, welche entscheidet, was es kann und nicht kann. Selbst kleine Änderungen in der Form eines Proteins können es an der Vollendung seiner Aufgabe, für die es da ist, hindern.

Aber wie die Hemden, enden Proteine nicht von selbst in der richtigen Form. Zellen haben ein Netzwerk von Maschinen, die so genannten Chaperon-Proteine, deren Aufgabe es ist sicherzustellen, dass sich andere Proteine die richtige Form annehmen. Chaperone können Proteine auch neu falten, die aus irgendeinem Grund ihre korrekte Form verloren haben.

Wie eine Art Robotermutter, die durch ihr Schlafzimmer schwirrt und all ihre Hemden ordentlich faltet.

Faltung bei Chorea Huntington

Eines der markanten Dinge, die man sieht, wenn man ein von der Huntington-Krankheit betroffenes Gehirn durch ein Mikroskop betrachtet, sind Proteinklumpen, so genannte Aggregate. Diese Klumpen bestehen aus verschiedenen Proteinen, einschließlich des mutierten Huntingtin-Proteins, welches die Erkrankung verursacht. Diese Aggregate sind der Beweis, dass die Proteinfaltung ein großes Problem bei der HK darstellt.

Das Proteinfaltungsproblem der HK bleibt nicht auf das mutierte Huntingtin beschränkt. Das mutierte Huntingtin selbst verursacht viel Chaos, indem es die Faltung anderer Proteine behindert und sogar Chaperone deaktiviert, deren Aufgabe ist es, Proteine zu schützen.

Das hat zur Folge, dass Zellen mit der HK-Mutation mit zahlreichen Problemen der Proteinfaltung zu kämpfen haben, was ihren Gesundheitszustand verschlechtert.

Stärkung der Armee der Chaperone

Natürlich haben sich die HK-Forscher gefragt, ob es möglich wäre, die Armee von Chaperonen zu stärken, welche Proteine vor Faltungsproblemen bewahren.

Arbeiten im Labor an Zellkulturen und an Fruchtfliegen haben gezeigt, dass es möglich ist. Genetische Manipulationen und Medikamente, die Chaperone aktivieren, haben alle die Gesundheit der Zellen in diesen Modellsystemen verbessert.

Der nächste Schritt ist es, die Chaperon-Funktion in einem Säugetier, mit einem komplexeren Gehirn, zu prüfen und zu verbessern. Das ist was Prof. Gill Bates und ihr Team am Kings College in London taten, und die Ergebnisse sind gerade im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht worden.

Auch wenn nicht von Dauer, so stellt der anfängliche Erfolg einen Fuß in die Tür, welche vorher nicht mal offen war.

Die Hitzeschockantwort

Bates’ Team dachte sich, dass die HK umfangreiche Faltungsprobleme verursacht, sodass ein Konzept, das viele Chaperone aktiviert, hilfreicher sein könnte, als sich gezielt nur einem Chaperon zu widmen.

In der Tat sind unsere Zellen mit einem speziellen ‘Abwehrmechanismus’ ausgestattet, welchen sie aktivieren können, wenn sie in Gefahr sind. Dieser wird als Hitzeschockantwort bezeichnet, weil er zuerst in Zellen beobachtet wurde, die übermäßiger Hitze ausgesetzt waren. Aber Stress oder Bedrohungen aller Arten können die Hitzeschockantwort aktivieren. Sobald diese aktiviert ist, werden Gene eingeschaltet, die der Zelle sagen, dass sie mehr von den verschiedenen Chaperone bilden soll, welche helfen die Proteine zu stabilisieren und zu reparieren.

Die übergeordnete Steuerung der Hitzeschock-Reaktion wird * HSF1 * genannt. HSF1 ist ein Transkriptionsfaktor - es handelt sich um ein Protein, welches kontrolliert, wie stark bestimmte Gene aktiviert werden. Ein Gen enthält Anweisungen für die Herstellung eines Proteins, und je mehr ein Gen aktiviert ist, desto mehr von diesem Protein produziert die Zelle.

Es funktionierte… anfangs

Bates’ Team verwendete ein Medikament namens HSP990, um HSF1 einzuschalten und die Hitzeschockantwort in HK-Mausmodellen zu aktivieren.

Zunächst waren die Ergebnisse ziemlich ermutigend. Die Bewegungssteuerung von HK- Mäusen wird allmählich schlechter, verglichen mit Mäusen, die nicht über ein abnormes HK-Gen verfügen. Nach vier Wochen mit dem Medikament, waren die behandelten HK-Mäuse immer noch schlechter als die gesunden Mäuse, aber sie bewegten sich besser als die HK-Mäuse, die das Medikament nicht erhalten hatten.

Die Menge des mutierten Huntingtin-Proteins und der Chaperone in den Gehirnen der behandelten Mäuse bestätigten dies ebenfalls - die Chaperone wurden erfolgreich aktiviert und es befand sich weniger mutiertes Huntingtin in den Zellen.

Später jedoch schien die Wirkung des Medikaments abzunehmen, obwohl die Mäuse es weiterhin erhalten hatten. Nach acht Wochen in Behandlung ging es den behandelten Mäusen nicht mehr besser als den unbehandelten. Die Menge des mutierten Proteins war wieder angestiegen.

Warum hörte das Medikament auf zu wirken?

Festzustellen, dass die Vorteile des Medikaments nachließen war natürlich enttäuschend - aber die Tatsache, dass das Medikament das Fortschreiten der Symptome in erster Linie verlangsamt, war auf jeden Fall besser als nichts.

Die Wissenschaft gibt nicht auf - jeder Rückschlag oder unerwartetes Ergebnis erzeugt neue Informationen, welche die Forscher nutzen können, um mehr zu erfahren und neue Ansätze zu entwickeln.

Die Hitzeschock-Reaktion ist ein Mechanismus, der den Zellen hilft, sich vor Schäden durch Belastungen wie Hitze und Toxine zu verteidigen.
Die Hitzeschock-Reaktion ist ein Mechanismus, der den Zellen hilft, sich vor Schäden durch Belastungen wie Hitze und Toxine zu verteidigen.

Daher begann Bates’ Team zu untersuchen, warum das Medikament aufgehört hatte zu wirken. Und was sie aufgedeckt haben, hat uns neue Einblicke gegeben, wie die Huntington-Krankheit Schäden in den Zellen verursacht.

Die Forscher untersuchten sehr genau die Beziehung zwischen dem Medikament (HSP990), dem Hitzeschock-Antwort- Hauptschalter (HSF1), dem Niveau der Chaperon-Proteine und der DNA in Zellen.

Sie fanden heraus, dass in Zellen mit der HK-Mutation chemische Veränderungen aufgetreten waren, welche es HSP1 erschwerten an der DNA anzudocken, um die Hitzeschockantwort zu aktivieren.

Mit anderen Worten, die HK-Mutation verursachen nicht nur Probleme mit Chaperon-Proteinen und der Proteinfaltung - es mindert demnach auch die Fähigkeit der Zellen ihre Notfallabwehr zu aktivieren. Das erklärt warum das Medikament - welches die Hitzeschockantwort verbesserte - allmählich aufhörte den Mäusen zu helfen.

Was geht es weiter?

Bates beschreibt die ersten vielversprechenden Ergebnisse des Chaperon-verstärkenden Medikamentes als einen “bedeutenden Grundsatznachweis” darüber, dass die Aktivierung der Hitzeschockantwort bei der Behandlung der HK helfen könnte - und wir sind gewillt, dem zuzustimmen. Auch wenn es nicht von Dauer ist, stellt dieser frühe Erfolg einen Fuß in die Tür, die zuvor nicht einmal offen war.

Eine Schlussfolgerung, die aus dieser Arbeit gezogen werden kann, ist, dass die Auswirkungen der HK-Mutation so weit reichend sind, dass bei zu spätem Behandlungsbeginn bereits zu großer Schaden verursacht wurde, als ein einzelnes Medikament in der Lage wäre zu beheben.

Wir haben wahrscheinlich nicht genügend Informationen, um bereits Rückschlüsse ziehen zu können - obwohl die meisten HK-Forscher zustimmen würden, dass eine frühzeitige Behandlung wahrscheinlich am besten ist, insofern wir wirksame Medikamente besitzen.

Bis dahin arbeiten mehrere Teams von Wissenschaftlern zusammen, um die Art und Weise, in der die HD-Mutation zu Problemen mit der Proteinfaltung und den Chaperonen führt, aufzudecken - und entwickeln und erproben besserer Medikamente, um Zellen länger gesund zu halten.


Dr. Wild arbeitete mit Prof. Bates an HK-Forschungsprojekten zusammen. Sie hatte keine Beteiligung an den hier beschriebenen Recherchen und keine Beteiligung bei der Erfassung dieses Artikels. Dr. Carroll, welcher diesen Artikel herausgegeben hat, hat keinen Bezug zu den Autoren dieser Recherche. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...