Memantin bei Huntington: Die Dosis macht den Unterschied
Memantin, ein Medikament, das bereits bei der Alzheimer Erkrankung eingesetzt wird, könnte auch Huntington Patienten
Von Dr Jeff Carroll 16. Februar 2011 Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Laura Emily Clemens Ursprünglich veröffentlicht am 15. Januar 2011
Ein Medikament, das zur Behandlung der Symptome der Alzheimer Erkrankung eingesetzt wird, könnte auch Huntington Patienten helfen, indem es an Nervenzellen das Eintreffen „guter“ und „schlechter“ Mitteilungen kontrolliert. Neue Forschungsergebnisse an Huntington-Mäusen deuten darauf hin, dass geringe Mengen Memantin am besten wirken, was sich hoffentlich bald anhand einer geplanten Studie am Patienten bestätigen lässt.
Was ist Memantin?
Ein Medikament zur Linderung der Krankheitssymptome der Alzheimer Erkrankung zeigte auch Wirksamkeit in einem Maus-Modell mit der Huntingtongenmutation (HD-Mäuse). Das Medikament namens Memantin wirkt, indem es bestimmte Kanäle in Neuronen (Nervenzellen) blockiert. Neurone unterhalten sich miteinander, indem sie in kurzen Stößen chemische Substanzen freisetzen, die Neurotransmitter genannt werden. In Reaktion auf den Ausstoß der Neurotransmitter öffnen oder schließen sich Kanäle auf der Oberfläche der Neurone. Die Kanäle, die durch Memantin blockiert werden, heißen N-Methyl-D-Aspartat- oder kurzgesagt NMDA-Rezeptoren.
Spielen NMDA-Rezeptoren eine Rolle bei Huntington?
Es wurde vermutet, dass zu viel Kommunikation zwischen Neuronen über genau diese Kanäle ein Problem für das Gehirn eines Huntington-Patienten darstellt. Neurone könnten durch die eingehenden chemischen Nachrichten buchstäblich übererregt werden, was zur längerfristigen Beeinträchtigung der Signalweiterleitung oder sogar zum Absterben der unersetzlichen Zellen führen kann.
Es hat sich nun gezeigt, dass es zwei verschiedene Gruppen dieser kritischen Kanäle gibt. Eine Gruppe ist dazu bestimmt, chemische Nachrichten weiterzuleiten und ist damit entscheidend für die Funktion des Gehirns. Wir nennen diese Gruppe die „guten" Kanäle. Die andere Gruppe an Kanälen, die sich technisch von den „guten Jungs" unterscheidet, signalisiert „zu viel Erregung". Wenn diese „schlechten" Kanäle angeregt werden, führt das zur Beeinträchtigung der Zellfunktion oder gar zum Zelltod. Selbstverständlich sind die Begriffe „gut" und „schlecht" relativ und die Kanaltypen erfüllen normalerweise beide wichtige Funktionen.
Können wir die Funktion von NMDA-Kanälen beeinflussen?
Lynn Raymond und Austin Milnerwood fanden heraus, dass der Informationsfluss durch die guten NMDA-Kanäle, der durch die Kommunikation von Neuronen zustande kommt, bei HD-Mäusen normal ist. Die Aktivität der schlechten NMDA-Kanäle allerdings, ist in Gehirnen von HD-Mäusen im Vergleich zu normalen Mäusen erhöht. Dieser Befund unterstützt die Vorstellung, dass die chemische Kommunikation in Gehirnen von HD-Mäusen gestört ist, und dass das Wiederherstellen der Funktion einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Krankheit haben könnte.
Aber wie soll das funktionieren? Medikamente, die alle NMDA-Kanäle blockieren führen beim Menschen zu ernsthaften Nebenwirkungen. Wie können also HD-Mäuse behandelt werden, ohne dass solche Probleme auftreten?
Wenig hilft viel
Zurzeit ist eine Studie mit Huntington-Patienten in Planung, in der geringe Mengen an Memantin verabreicht werden sollen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern, die an Huntington forschen (unter anderem Mahmoud Pouladi, Shu-ichi Okamoto, Michael Hayden und Stuart Lipton) haben möglicherweise einen Teil der Problematik in Mäusen gelöst. Unter Verwendung von Memantin konnten sie zeigen, dass eine feine Balance gefunden werden muss, damit das Medikament bei den HD-Mäusen Erfolg bringt.
Höhere Dosen des Medikaments blockieren beide Kanaltypen, weil das Gehirn dann mit der Droge gesättigt ist. Hohe Mengen an Memantin führten tatsächlich zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Mäuse, wahrscheinlich aufgrund der Blockade der guten NMDA-Kanäle.
In geringen Dosen allerdings, blockiert das Medikament nur die schlechten Kanäle, da diese für die Droge leichter zugänglich sind. Dies führte zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes der Mäuse - die Abnahme des Gehirnvolumens war weniger stark und sie schnitten in Tests zur Untersuchung der Bewegung besser ab. Dies deutet darauf hin, dass man mit einer selektiven Blockade der (schlechten) NMDA-Kanäle einen positiven Einfluss auf das menschliche Gehirn erzielen könnte.
Solche Studien an Mäusen sollten allerdings immer mit Vorsicht betrachtet werden. Die Mäuse wurden ab einem sehr jungen Alter mit Memantin behandelt. Man kann daher nicht beurteilen, ob Memantin auch eine Wirkung zeigen würde, wenn die Mäuse erst nach Ausbruch der Krankheitssymptome behandelt worden wären, wie dies normalerweise bei der Behandlung beim menschlichen Patienten der Fall ist. Außerdem ist es schwierig die geeignete Dosis für den Menschen anhand der Ergebnisse an Mäusen zu bestimmen.
Was ist mit Huntington-Patienten?
Einige Huntington-Patienten nehmen bereits Memantin, mit oder ohne Unterstützung durch ihre behandelnden Ärzte. Doch die Studien an Mäusen heben hervor, wie vorsichtig man mit den Medikamenten gegen Huntington sein muss. Der schlimmste Fall wäre nicht, dass diese nicht wirken, sondern dass sie sogar zu einer Verschlimmerung der Krankheitssymptome führen.
Da die Patienten-Studie mit niedrigen Dosen Memantin bereits in Planung ist, sollten wir bald wissen, ob es sicher ist, Memantin zu verwenden und ob die Erfolge, die mit den Mäusen erzielt wurden auch im Patienten erreicht werden können.