Minocyclin - war es das?
DOMINO Ergebnis der klinischen Studie: Minocyclin hat keinen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf bei Hunting
Von Professor Ed Wild 23. Februar 2011 Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Katrin Barth Ursprünglich veröffentlicht am 10. November 2010
Das DOMINO Studienteam hat ihren Bericht über ihre „Futility-Studie“ mit einer Minocyclintherapie bei Huntington veröffentlicht. Minochylin und eine Placebopille wurden über einen Zeitraum von 18 Monaten getestet.
Die DOMINO Gruppe, eine Initiative der Huntington Study Group (HSG), hat ihren Bericht über die “Futility-Studie” mit der Minocyclintherapie bei Huntington im Fachjournal “Movement Disorders” veröffentlicht. Minocyclin und eine Placebopille wurden über 18 Monate an einer Gruppe von 114 Patienten geprüft. Eine Futility-Studie ermöglicht auf relativ einfachem Weg, ein Medikament für eine größere Studie vorzuschlagen. Die Minocyclintherapie brachte jedoch nicht die gewünschten Ergebnisse und die Autoren der Studie waren der Meinung, dass es keine Rechtfertigung für zukünftige Studien mit Minocyclin gibt.
Was schon bekannt war:
Minocyclin ist ein Antibiotikum, welches zur Behandlung von Infektionen im Brustraum, des Mundes und der Haut eingesetzt wird. Durch die interessante Wirkung auf Zellen, fragten sich Wissenschaftler, ob sich Minocyclin positiv bei Huntington auswirken würde.
Es agiert als Caspase Inhibitor, was bedeutet, dass es das gefährliche Huntingtin Protein davor bewahren könnte, in Teile zu zerbrechen, die klein genug sind, um in den Zellkern einzudringen, und dort das Ein- und Ausschalten von wichtigen Genen durcheinander zu bringen.
Es hat eine antientzündliche Wirkung, was bedeutet, dass wenn das Immunsystem mehr Schaden anrichtet, als Gutes zu tun, Minocyclin das Gehirn gegen das Immunsystem schützen könnte.
Außerdem reduziert Minocyclin die “Selbstzerstörungssignale”, die von Zellen produziert werden, wenn sie beschädigt sind. (Diese Signale führen zum Zelltod, Apoptose genannt.)
In den Jahren 2000 und 2006 wurde über eine 14% länger als erwartete Lebensdauer von Mäusen mit der Huntingtonmutation nach der Behandlung mit Minocyclin berichtet, was sehr positiv aufgenommen wurde. Die Ergebnisse waren jedoch nicht eindeutig: einige andere Forschergruppen beurteilten Minocyclin als entweder nicht nützlich oder sogar schädlich für Mäuse mit der Huntingtongenmutation. Eine kleine Studie im Jahr 2004 zeigte, dass Minocyclin bei einer Dosis von 200mg pro Tag für Menschen verträglich ist.
Warum wurde diese Studie durchgeführt?
Das DOMINO Projekt der HSG wurde mit dem Ziel gegründet, um herauszufinden, ob Minocyclin eine so viel versprechende Wirkung hat, wie in den Tierstudien gezeigt wurde.
Im Vergleich zum Tiermodell ist es beim Menschen schwieriger zu beweisen, dass Minocyclin die Huntingtonkrankheit positiv beeinflusst. Große Medikamentenstudien (genannt Phase-III-Studien) kosten einige Millionen Dollar und benötigen Hunderte von Patienten.
Die Dominogruppe führte daher die Futility-Studie durch, um herauszufinden, ob es gute Gründe für eine solch große Studie gibt. In einer normalen Effizienz Studie gehen die Wissenschaftler davon aus, dass ein Medikament nicht wirkt, um sich dann überraschen zu lassen, wenn die statistischen Auswertungen zeigen, dass das Medikament besser als erwartet gewirkt hat. Diesen Überraschungseffekt nennt man “statistische Signifikanz” und dient als Grundlage für die Zulassung eines Medikaments.
Eine Futility-Studie geht von einer großzügigeren Annahme das Medikament betreffend aus. Die Anfangsannahme ist, dass das Medikament wirksam sein könnte und alles was gezeigt werden muss ist, dass das Medikament nicht erstaunlich schlecht ist. Futitiliy Studien sollen beurteilen, welche Medikamente die Kosten und die benötigte Zeit einer Phase-III-Studie Wert sind. Wenn ein Medikament durch eine Futility Studie fällt, zeigt dies, dass das Geld und die Zeit besser in andere Wirkstoffe investiert werden sollte. Futility-Studien wurden im Rahmen anderer Erkrankungen verwendet, um Forschungsmöglichkeiten zu priorisieren - bei der Huntingtonerkrankung war dies der erste Ansatz.
Was die Studie uns sagt:
In die Futility-Studie der Dominogruppe wurden 114 Patienten mit leicht bis mittelgradig ausgeprägter Huntingtonerkrankung aufgenommen. Gemessen wurde die Leistungsfähigkeit mit der so genannten TFC-Skala (Total Functional Capacity), welche weitverbreitet verwendet wird um zu beurteilen, welchen Einfluss die Huntingtonsymptome auf die Alltagsbewältigung einer Person haben.
Dreiviertel der Patienten erhielten 200mg Minocyclin pro Tag, während das übrige Viertel ein Scheinmedikament (Placebo) erhielt. Studienteilnehmer nahmen die Tabletten über einen Zeitraum von 18 Monaten, und die Leistungsfähigkeit jedes Patienten wurde mittels TFC beurteilt.
In der statistischen Auswertung zeigte Minocyclin ein “überraschend schlechtes” Ergebnis, und wurde durch die Studie als “nutzlos” ausgewiesen.
Die Studie gab Minocyclin verschiedene Chancen um zu zeigen, dass es eine positive Wirkung hat. Zusätzlich zum TFC wurde z.B. auch das Beurteilungswerkzeug UHDRS Motorskala ausgewertet. Dies wurde jedoch erneut durch die statistische Auswertung als “nutzlos” beurteilt.
Insgesamt kam das DOMINO Studienteam zum Ergebnis, dass größere Studien mit Minocyclin bei Huntington keinen Sinn ergeben.
Was sind die nächsten Schritte?
Diese Studie, die von einer angesehenen Gruppe von Wissenschaftlern aufgesetzt und gut durchgeführt wurde, ist wahrscheinlich das Ende von Minocyclin als krankheitsverlangsamende Therapie bei Huntington. Normalerweise wird am Ende eines wissenschaftlichen Artikels, der von einem negativen Ergebnis berichtet, von den Autoren vorgeschlagen, dass eine höhere Dosis des Medikaments wirksamer wäre. Vor kurzem musste jedoch eine größere Studie bei der ALS-Erkrankung vorzeitig eingestellt werden, weil bei Patienten, die mit einer höheren Minocyclin Dosis behandelt wurden, ein schnelleres Krankheitsfortschreiten beobachtet wurde.
Dieses Ergebnis ist natürlich enttäuschend, weil sich jeder eine wirksame Therapie wünscht. Allerdings wird per Definition jede Therapie versagen, bis eine wirkt. Studien, wie die hier beschriebene ermöglichen es, die Teilnahmebereitschaft der Patienten für die wirklich erfolgversprechenden Behandlungsmethoden aufrecht zu erhalten.
Wichtig ist, dass diese Studie nicht bedeutet, dass wir aufhören sollten, die allgemeinen Wirkungsweisen, die man bei Minocyclin vermutet, zu erforschen - wie z.B. die Caspase Inhibition oder Entzündungen. Es bedeutet nur, dass wir bessere Wirkstoffe finden oder herstellen müssen, um diese Ziele zu erreichen.
Die gute Nachricht ist, dass die Forschung niemals aufhört - Forscher haben bereits viele Jahre an besseren Medikamenten mit besser geeigneten Wirkstoffen gearbeitet, welche sich der klinischen Forschung am Menschen nähern. Und die Futility-Studie - die erste ihrer Art bei Huntington - scheint ein wirklich guter Weg zur Auswahl der am besten geeigneten Therapie zur Erprobung in großen Studien am Menschen zu sein.