Sicherheitsstudien fügen entscheidendes Teil zum Gen-Silencing Puzzle hinzu
3 Studien in Affen zum Gen-Silencing in der HK zeigen, dass das Ziel erreicht wird. Studien im Menschen folgen bald.
Von Professor Ed Wild 26. Januar 2012 Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Martin Oehmen Ursprünglich veröffentlicht am 14. November 2011
Gen-Silencing Wirkstoffe zielen darauf ab, den Verlauf der HK zu verlangsamen oder ihr vorzubeugen, indem Zellen angewiesen werden, nicht das schädigende Protein herzustellen. Zum ersten Mal zeigte eine Studie, dass Gen-Silencing sein Ziel trifft und sicher bei Rhesusaffen angewendet werden kann.
Gen-Silencing - eine kurze Vorstellung
Wenn man einen Huntington Forscher fragt, was seiner Meinung nach die vielversprechenste Behandlung in Entwicklung ist, so wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit “Gen-Silencing” (deutsch: “Gen-Verstummung”) sagen. Unser HDBuzz Artikel “Gen-Silencing bei der HK: Was bisher geschah” gibt ihnen einen vollständigen Überblick über Gen-Silencing, nun folgt eine kurze Wiederholung.
Jeder Zelle unseres Körpers enthält 2 Kopien des HK Gens, eins von jedem Elternteil. Die Huntingtonkrankheit wird immer von dem gleichen grundlegenden “Schreibfehler” in einer Kopie des HK Gens verursacht.
Proteine sind chemische Maschinen, die all die wichtigen Arbeiten in Zellen verrichten, und ein Gen ist ein Rezept, dass die Zellen anweist, wie ein Protein herzustellen ist.
Das kranke HK Gen bringt Zellen dazu ein krankes Protein herzustellen, das wir “mutiertes Huntingtin” nennen. Das mutierte Huntingtin Protein beschädigt die Zellen, was schließlich zu den Symptomen der Huntington Krankheit führt.
Wenn ein Haus unter Wasser steht, weil ein Bad überläuft, wäre die naheliegende Lösung, den Wasserhahn ab zu drehen. Genau darauf zielt die Gen-Silencing Therapie bei der Huntington Krankheit ab - die Zellen anzuweisen, das schädliche Protein nicht mehr her zu stellen.
Unsere Gene bestehen aus DNA, und wenn eine Zelle ein Protein herstellt, erstellt es eine “Arbeitskopie” von der DNA, aus einer verwandten Chemikalie, die RNA genannt wird. Man kann die RNA als eine Arbeitskopie eines Gens bezeichnen, oder auch als “Botschaftsmolekül”.
Gen-Silencing benötigt speziell erstellte Wirkstoffe, die sich an das HK Botschatsmolekül anheften, und Zellen anweist es zu entfernen und nicht zur Herstellung eines Proteins her zu nehmen. Als Resultat wird weniger von dem Protein produziert.
Was hat das Gen-Silencing bisher bewirkt?
Gen-Silencing hat nachweislich in HK Mäusen und Ratten das Fortschreiten der Huntingtonkrankheit verlangsamt. Dies resultierte in einer Verbesserung der Symptome und des Gehirnschadens, sogar nach Ausbruch der Krankheit. Alles weist bisher darauf hin, dass eine geringe Abnahme des Huntingtingehalts eine anhaltende Verbesserung bewirkt.
Bisher hat Gen-Silencing jede Hürde genommen. Wir stehen kurz davor, Gen-Silencing Medikamente gegen die HK an Menschen zu testen. Eine Schlüsselfrage, die noch offen ist, ist, ob sie sicher in der Anwendung sind.
Bestimmung der Arzneimittelsicherheit
Menschen, welche an der HK leiden, würden bereitwillig dieses Medikament einnehmen, denn viele Nebenwirkungen wären einem Leben mit der HK vorzuziehen.
Aber in der Realität werden keine Medikamente für den menschlichen Gebrauch zugelassen, solange nicht der Beweis erbracht wurde, dass sie sicher sind. HK ist eine langsam voranschreitende Krankheit, Behandlungen können sich über Jahre hinweg erstrecken. Neue Arzneimittel könnten unerwartete Nebenwirkungen haben, die noch schlimmer als die Symptome der HK sind. Im schlimmsten Fall könnte die Arznei den Krankheitsverlauf beschleunigen.
Es ist also von aller größter Bedeutung sicher zu stellen, dass Medikamente ungefährlich sind, bevor mit Studien am Menschen begonnen wird.
Wozu die Tests an Affen?
Verglichen mit dem Gehirn des Menschen sind die Gehirne von Mäusen und Ratten klein und simpel. Zudem gelangen Gen-Silencing Medikamte nicht ohne Weiteres vom Blut ins Gehirn, sie müssen also direkt in das Gehirn oder die umgebende Flüssigkeit injiziert werden. An diesem Problem der Verabreichung wird derzeit gearbeitet, aber ein baldiger Durchbruch ist unwahrscheinlich. Derzeit sind solch invasive Prozeduren wohl der Preis, der gezahlt werden muss, um das HK Gen abzuschalten.
Gen-Silencing ist eine neue und vielversprechende Herangehensweise. Es ist also wichtig, das es in größeren und komplexeren Gehirnen getestet wird, um die Sicherheit der Arznei und der operativen Techniken zu gewährleisten.
„Mit der Arznei behandelte Tiere verschlechterten sich nicht in den Bewegungstest während der 6 wöchigen Beobachtungsphase “
Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Dr. Beverly Davidson, von der Universität Iowa, und Jodi McBride, von der Oregon Health and Science Universität, ist eine von vielen Gruppen, die an Gen-Silencing Wirkstoffen für die HK arbeiten. Der Erfolg ihres Wirkstoffes in Nagern führte sie zum nächsten Schritt - dem Testen in höher entwickelten Gehirnen von Primaten - Rhesusaffen um genau zu sein.
Die Ergebnisse ihrer Forschung - die erste veröffentlichte Sicherheitsstudie zu Gen-Silencing des HK Gens in Primaten - wurden kürzlich im Journal Molecular Therapy angekündigt.
Primaten werden in der medizinischen Forschung nur verwendet, wenn es keine andere Alternative gibt. Ihre Verwendung wird genau reguliert, um sicher zu stellen, das die kleinst möglichste Anzahl an Tieren verwendet wird, und die Tiere werden so artgerecht wie möglich behandelt.
Der Wirkstoff
Gen-Silencing Wirkstoffe gibt es in zwei grundlegenden Arten. RNA-Interferenz (RNAi) Wirkstoffe, die dem Botschaftsmolekül sehr ähnlich sind, und Antisense Oligonukleotid (ASO) Wirkstoffe, welche dem Botschaftsmolekül weniger ähneln, sich aber besser im Gehirn ausbreiten. Beide Arten werden zusammen von verschiedenen Gruppen auf der Welt getestet.
Für Wissenschaftler, welche einen Gen-Silencing Wirkstoff entwickeln, stellt sich weiterhin die Frage, ob sie alle Huntingtin Botschaftsmoleküle angreifen wollen, oder nur diejenigen von dem mutierten Protein. Letzteres wäre wahrscheinlich sicherer, aber ist auch schwieriger umzusetzen. Derzeit ist nicht bekannt welcher Weg der bessere ist, also wird an beiden Möglichkeiten gearbeitet.
Jede der beiden Kopien des Huntingtingens in unseren Zellen, eine von der Mutter und eine vom Vater, wird “Allel” genannt. Wirkstoffe, die nur auf die mutierte Huntingtinbotschaft abzielen werden “Allel spezifisch” genannt, während diejenigen, welche auf alle Botschaftsmoleküle abzielen, “nicht Allel spezifisch” genannt werden.
Davidsons Gen-Silencing Arznei ist eine RNAi Arznei, die nicht Allel spezifisch ist.
Die Studie
Weil es sich um einen RNAi Wirkstoff handelt, muss er direkt in das Gehirngewebe injiziert werden. Davidsons Gruppe wählte eine Region, die Putamen genannt wird. Das Putamen ist eine tiefliegende Hirnstruktur, die entscheidend für die Bewegungskontrolle ist und früh im Verlauf der Huntington Krankheit beeinflusst wird.
Um die Verbreitung des Wirkstoffes zu unterstützen, wurde er in einen inaktivierten (unschädlichen) Virus namens AAV geladen.
Der Zweck dieser Studie war nicht zu zeigen, ob die HK verlangsamt wird, sondern um die Arzneimittelsicherheit zu prüfen. Die Tiere in dieser Studie besaßen kein mutiertes HK Gen, sie hatten zwei gesunde Kopien des Gens.
12 Rhesusaffen erhielten Injektionen - 4 erhielten den Virus, welcher die Arznei enthielt, 4 weitere erhielten den Virus mit einer Placebo-Arznei, und letzt endlich erhielten 4 Affen eine Kochsalzlösung Injektion. Jeder Affe erhielt 6 Injektionen auf einmal, 3 in das linke und 3 in das rechte Putamen.
Vor der Behandlung wurde die Feinmotorik der Affen getestet, indem gemessen wurde, wie schnell sie eine Süßigkeit von einem Metallstab entfernen konnten. Bewegungssensitive Halsbänder zeichneten auf, wie viel sich jeder Affe täglich bewegte. Eine neurologische Untersuchung, ähnlich derer zur Untersuchung von HK Patienten, wurde speziell entwickelt, um kleinste Bewegungsstörungen zu verzeichnen. Es sei noch erwähnt, dass die durchführenden Forscher nicht wussten, welcher der Affen welche Behandlung erhalten hatte.
Der Wirkstoff findet sein Ziel
6 Wochen nach den Injektionen wurden die Gehirne der Affen unter dem Mikroskop untersucht. Die Ergebnisse waren gut - die behandelten Tiere wiesen nur halb so viele Huntingtin Botschaftsmoleküle auf wie die unbehandelten Affen. Ermutigend war zudem, dass es Anzeichen dafür gab, dass sich der Wirkstoff in benachbarte Areale ausgebreitet hatte.
Der Wirkstoff war sicher
Verständlicher Weise waren alle Affen in der Woche nach der Operation weniger aktiv. Die Tiere, welche den aktiven Wirkstoff erhielten, verhielten sich wie die anderen und alle erholten sich recht schnell. Ebenso zeigten sie keine Verschlechterung in den Bewegungstests während der 6 wöchigen Beobachtungsphase, was nahelegt, dass der Wirkstoff sicher ist. Ebenso gab es keine Anzeichen von Entzündungen oder anderen neuronalen Schäden in den behandelten Tieren.
Zudem führten die Wissenschaftler einen Test durch, um Nebeneffekte auf das Erlernen neuer Bewegungen ausschließen zu können, dies ist eine Schlüsselfunktion des Putamens. Neben dem einfachen “treat-on-a-road” Test (“Leckerei auf der Straße Test”), führten sie einen schwierigeren Test durch, bei dem die Affen eine Leckerei von einem Fragezeichen förmigen Metallstab entnehmen mussten. Beruhigender Weise waren die mit dem Wirkstoff behandelten Affen hier genau so gut wie die übrigen Tiere.
Gab es eine Kehrseite?
Auch wenn die Studie ein Erfolg für die Sicherheit der Arznei war, gibt es ein paar Vorbehalte, die genannt werden müssen. Eins der Tiere, welches Injektionen mit dem Placebo-Wirkstoff erhalten hatte, entwickelte Probleme mit der Bewegung eines Beines - wahrscheinlich eine direkte Auswirkung der Gehirninjektion. Das hebt noch einmal die Tatsache hervor, dass es so etwas wie eine gewöhnliche Gehirnoperation nicht gibt.
Obwohl die RNAi Arznei sich wie erwartet ausgebreitet hat, war der Teil des Gehirns, der erreicht wurde, recht klein. Der Wirkstoff erreichte keine weit entfernten Bereiche, von denen bekannt ist, dass sie von der HK beeinträchtigt werden, wie zum Beispiel der Kortex, die faltige Oberfläche des Gehirns. Diese Behandlung auf menschliche Gehirne zu übertragen, die um einiges größer sind als die von Rhesusaffen, ist eine echte Herausforderung.
Schließlich und endlich muss noch einmal wiederholt werden, dass diese Studie nichts darüber aussagt, ob der Wirkstoff überhaupt einen Einfluss auf die HK im Menschen nimmt - die Versuchtiere litten nicht an der HK.
Ewigkeiten bis zur ersten Primaten Gen-Silencing Studie…
… und dann kommen gleich 3 auf einmal.
Davidsons Arbeit ist die erste Studie zum Gen-Silencing der HK in Primaten, die in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurde. Aber beim letzten Weltkongress der Huntingtonkrankheit kündigten zwei Arbeitsgruppen unabhängig voneinander Erfolge in Studien zum Gen-Silencing in Primaten an.
Eine Gruppe von der Universität Kentucky, die mit Medtronic, einem Hersteller für chirurgische Implantate, zusammenarbeitet, untersuchte die Auswirkung von nicht Allel spezifischer RNAi über einen Zeitraum von 6 Monaten und fand keine schwerwiegenden Sicherheitsprobleme. Isis Pharmaceuticals aus Kalifornien kündigte an, dass die Injektion eines ASO Wirkstoffes in die Basis des Rückgrats - eine verhältnismäßig kleiner Eingriff - die Huntingtin Botschaftsmoleküle im Gehirn um 50% reduzierte. Wir müssen jedoch auf die Veröffentlichung der Daten warten, bevor irgendwelche Schlussfolgerungen gezogen werden können.
Zusammenfassung
Wir leben in einer aufregenden Zeit. Gen-Silencing Medikamente sind schon für einige Erkrankungen des Menschen zugelassen, und eine Studie am Menschen zu einer Motorneuron Erkrankung läuft nun schon seit fast einem Jahr - eine neurodegenerative Erkrankung wie HK.
Bis zum heutigen Zeitpunkt hätten Sicherheitsstudien an Affen schon große Bedenken darüber erbringen können mit Studien am Menschen zu beginnen - aber bisher gibt es stattdessen 3 Studien, welche zeigen, dass der Wirkstoff sein Ziel auch in großen, komplexen Gehirnen sicher findet.
Aufbauend auf diesen Erfolgen, nähern sich die ersten Gen-Silencing Studien am Menschen. Diese finden wahrscheinlich innerhalb der nächsten 2 Jahre statt, zunächst mit einer kleinen Anzahl an Freiwilligen. Wenn alles gut läuft, werden größere Studien folgen bis es eines Tages genug Sicherheit gibt, um die Bewilligung für ein Medikament zu bekommen.
Es ist jedoch zur Vorsicht geboten: viel kann noch schief laufen, und der Weg wird voller Kurven sein. Aber bisher laufen die Dinge gut und Gen-Silencing bleibt einer der besten Kandidaten auf der Suche nach einer Behandlung, welche den Verlauf der HK verlangsamt.