GENERATION-HD1 ASO-Studie von Roche und Ionis abgebrochen
Enttäuschendes von Roche und Ionis: die Phase-III-Studie zur Huntingtin-Verminderung mittels Tominersen wurde vorzeitig gestoppt
Von Dr Jeff Carroll und Dr Rachel Harding 23. März 2021 Bearbeitet von Dr Leora Fox Übersetzt von Rebecca
Sehr enttäuschende Neuigkeiten erreichten uns gestern von Roche und Ionis, die erklären, dass ihre ASO-Studie an Huntington-Patienten abgebrochen wurde. Es gab zwar keine neuen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Therapie, dennoch kam es zu diesem verfrühten Abbruch. Was bedeutet das und was passiert als Nächstes?
Hintergrund - was war das Ziel der Studie?
Roche und Ionis haben das Medikament Tominersen entwickelt, das auf Antisense-Oligonukleotiden (ASOs) basiert. Mit ASOs kann das Niveau eines bestimmten Eiweißes gezielt abgesenkt werden, indem die Boten-RNA, die für jenes Eiweiß zuständig ist, abgeschaltet wird. Tominersen zielt auf die mRNA des wilden und mutierten Huntingtins ab. Es wurde bereits gezeigt, dass das Medikament den Gehalt von Huntingtin im Gehirn erfolgreich reduzieren kann.
Hierzu gab es eine Phase-I/II-Studie, die sowohl die Verträglichkeit von Tominersen als auch die Reduktion von Huntingtin bei Huntington-Patienten zeigte. Die bis gestern laufende Phase-III-Studie namens GENERATION-HD1 sollte nun genauere Daten über die Wirksamkeit bezüglich der Huntingtin-Verminderung aber auch der Verbesserung von Huntington-Symptomen liefern.
Was ist passiert?
Am 22. März 2021 veröffentlichte Roche eine Pressemitteilung zum Abbruch der Phase-III-Studie mit Tominersen auf Anraten eines unabhängigen Institutes (Independent Data Monitoring Committee = iDMC). Dieses Kommittee hatte die bisherigen Daten aus der Studie zu einer Zwischenauswertung erhalten.
Solche unabhängigen Untersuchungen sind sehr wichtig bei klinischen Studien, sie sollen einen neutralen Blick auf die Daten gewährleisten. Dazu erhalten sie in regelmäßigen Abständen Daten aus der laufenden Studie und bewerten, ob die Studie weitergeführt werden sollte oder nicht.
Im Allgemeinen werden zwei Fragen gestellt: 1. Sind irgendwelche unerwarteten Sicherheitsbedenken aufgetreten?, 2. Erscheint es extrem unwahrscheinlich, dass die Behandlung Vorteile für die Teilnehmenden bringt.
Auch bezüglich anderer Studien haben wir bereits über solche Entscheidungen berichtet 1, 2.
Was wissen wir?
Bisher wissen wir sehr wenig. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen mehr erfahren. Die Pressemitteilung (unten verlinkt) verrät uns bisher nur, dass es keine unerwarteten Sicherheitsbedenken gab, wir müssen also über die Gesundheit der Teilnehmenden nicht akkut besorgt sein. Weiterhin sagt die Mitteilung, dass das Nutzen/Risiko-Profil nicht ausreichend war. Was das genau bedeutet, wissen wir noch nicht. Es könnte beispielsweise sein, dass das Medikament keine Verbesserung der Huntington-Symptome bewirkt oder sie evtl. sogar verschlechtert. Bisher wissen aber noch nicht einmal die Wissenschaftler von Roche und Ionis, was wirklich der Grund ist. Das unabhängige Kommittee hat zunächst eine schnelle Entscheidung getroffen und diese verkündet und wird die genaue Begründung erst in der nächsten Zeit an Roche und Ionis mitteilen. Wir müssen warten.
Was passiert als Nächstes?
Auch das hängt von den Daten und der genauen Begründung ab, daher wissen wir nicht, was jetzt kommt. Man wird sich eventuell fragen müssen, ob man früher mit der Behandlung beginnen muss, oder ob nur die Reduktion des mutierten Huntingtins allein wirklich sinnvoll ist. Vielleicht muss auch die Dosis des Medikamentes geändert werden.
Dankbarkeit
Diese Studie war mit mehreren hundert Teilnehmern ein großes, globales Projekt und ein wichtiger Hoffnungsträger für die internationale Huntington-Gemeinschaft. Wir sind den freiwilligen Teilnehmenden und ihren Familien für immer dankbar. Viele Forscher haben hier sowohl in der Grundlagen- als auch in der angewandten Forschung unermüdlich Einsatz gezeigt. Alle Beteiligten haben trotz der aktuell traurigen Nachrichten Großes für die Huntington-Forschung geleistet.
Wie geht es weiter?
Ohne Zweifel sind es traurige Tage für die Huntington-Gemeinschaft. HD-Buzz ist sehr traurig und enttäuscht. Diese Studie wurde auf höchst professionelle Art und Weise durchgeführt und wird uns für weitere Studien in der Zukunft eine wertvolle Hilfe sein. Die Huntington-Gemeinschaft mit den betroffenen Familien und Ärzten weltweit hat schon häufiger bewiesen, dass sie Rückschläge einstecken kann. Wir werden versuchen diesen möglichst schnell abzuschütteln und weiterzumachen. Immer wieder, solange bis die Huntington-Krankheit nicht länger eine Bedrohung für uns oder unsere Liebsten darstellt.