Huntington Weltkongress 2011: Ein Rückblick
HDBuzz blickt zurück auf die Höhepunkte des Huntington Weltkongresses 2011 in Melbourne
Von Dr Jeff Carroll 31. Januar 2012 Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Albrecht Ursprünglich veröffentlicht am 24. Oktober 2011
Zwei wichtige Botschaften gab es beim kürzlich stattgefunden Huntington Weltkongress in Melbourne: Die Huntington Gemeinschaft wächst und ist in sich stärker verbunden und es gibt ein Gefühl, dass wir bereit sind für eine neue Ära klinischer Studien bei der Huntington Krankheit. Nachdem sich der Staub gelegt hat, blickt HDBuzz auf die wichtigsten Themen des Kongresses zurück.
Schranken durchbrechen
Durch unser OzBuzz-Feature haben wir den Weltkongress der Huntington Krankheit live zu Euch gebracht. Jetzt ist es Zeit für einen Blick zurück und eine Bestandsaufnahme der besonders hervorstechenden Themen und Ankündigungen. Der Kongress fand vom 11. bis 14. September in Melbourne, Australien, statt. Der Weltkongress ist das größte regelmäßige Treffen von Wissenschaftlern, Angehörigen von Gesundheitsberufen, Huntington Familienmitgliedern, Freunden und Betreuern.
Der Kongress 2011 durchbrach einige Schranken. Es war seit 20 Jahren der erste, der nicht in Europa oder Amerika stattfand. Die Delegierten kamen aus einer bisher unerreichten Zahl von Ländern. Außerdem war der Kongress offener als je zuvor, da er Diskussionen und Wissenschaft via Twitter und über OzBuzz durch Online-Video weltweit zugänglich machte.
Klinische Versuche: Immer her damit
Exakte Messungen der Krankheit, sogenannte Biomarker, haben eine entscheidende Bedeutung für die Erprobung neuer Behandlungen in klinischen Studien. Es herrschte eine neue optimistische Stimmung und verschiedene Spitzenforscher berichteten, dass uns weltweite Studien jetzt die Tests gebracht haben, die wir für klinische Studien der frühen Huntington Krankheit benötigen.
Die Konferenz begann mit der Vorstellung von sechs Behandlungsansätzen, deren Übergang in die Studienphase innerhalb der kommenden beiden Jahre wahrscheinlich ist, außerdem vieler weiterer Ziele, an deren Verwirklichung derzeit in Laboren gearbeitet wird. Sarah Tabrizi kündigte “TRACK-HD battery”, eine Auswahl von Messungen für Studien zur frühen Huntington Krankheit sowie “TrackOn-HD”, eine neue Studie über Veränderungen des Gehirns vor dem Auftreten von Huntington-Symptomen an. Tabrizi’s Botschaft - “Yes, we can!” - fand ihr Echo während des gesamten Kongresses. Sowohl Elizabeth Aylward als auch Rachael Scahill verkündeten Erfolge bei der Entwicklung von Messungen aus MRT-Gehirn-Scans mit denen sich Symptome vorhersagen und verfolgen lassen - Dank der Studien TRACK-HD und PREDICT-HD.
Die nächste Hürde wird das Erproben neuer Behandlungen von Menschen mit der Huntington Mutation aber ohne Symptome sein. Joaquim Ferreira vom EHDN hob die Schwierigkeiten hervor, war aber optimistisch, dass sie überwunden werden, wenn die Medikamente bereit sind für die Erprobung. Als Antwort auf diese Herausforderungen berichtete Nellie Georgiou-Karistianis, dass funktionelle MRT-Scans Veränderungen von Gehirnaktivität über die Zeit hinweg erkennen - diese Methode ist möglicherweise empfindlicher als auf das Schrumpfen des Gehirns zu warten.
Wie steht es um die Medikamente?
Robert Pacifici von CHDI, dem größten Förderer und Treiber der Huntington Forschung, sprach von einer neuen Ära der klinischen Studien zur Huntington Krankheit mit “einer beeindruckenden Zahl von Projekten, die kurz vor der klinischen Studie stehen und die speziell für die Huntington Kranhkeit entwickelt wurden”. Als er später Fragen von Mitgliedern der Huntington Gemeinschaft beantwortete, beschrieb Pacifici die Projekte zur Medikamenten-Suche, die sich bei CHDI in Vorbereitung befinden und die sich im Spektrum zwischen “ins Blaue hinein” und kurz vor dem klinischen Versuch stehend bewegen: “Jeden Tag haben wir etwa zwölf Versuche, die wir in Richtung Klinik leiten.”
Eine Studie einer neuen möglichen Behandlung wurde auf dem Kongress gestartet. PBT2, entwickelt von Prana Biotech, zielt auf die Unterbrechung der Wechselbeziehung von mutiertem Huntington-Protein und Metallen wie Kupfer. Dadurch könnte das Protein davon abgehalten werden, sich mit sich selbst zu verbinden, wodurch es weniger gefährlich würde. PBT2 hat bei bei Alzheimer einige Wirkung gezeigt und frühe Versuche an Huntington-Mäusen waren ermutigend. Mehr Details zu diesem Versuch werden bald veröffentlicht, aber auf HDBuzz.net kann man detailliert darüber nachlesen.
Abschließend gab Bernhard Landwehrmeyer vom EHDN einen Überblick über die Horizon-Studie zum Einsatz von Dimebon bei Gedächtnisproblemen bei der Huntington Krankheit (http://hdbuzz.net/26). Obwohl das Medikament bei der Huntington Krankheit nichts bewirkte, sollte die Studie nicht als Fehlschlag gewertet werden: Sie hat die ursprüngliche Fragestellung zuverlässig beantwortet und war sowohl im Bereich der Anwerbung von Studienteilnehmern und der Durchführung beispielhaft - das sind gute Nachrichten für zukünftige Studien.
Stellt eure Annahmen in Frage
Ein Leitmotiv der auf dem Kongress präsentierten Wissenschaft war, dass wir unsere Annahmen stets in Frage stellen müssen.
Selbst bei Menschen mit gleich langem CAG-Abschnitt können Huntington Symptome in unterschiedlichem Alter auftreten. Jim Gusella erforscht welche Faktoren das Alter bestimmen, in dem die Huntington Symptome beginnen. Zu seiner Überraschung hat Gusella herausgefunden, dass statistische Modelle, die Forscher bislang benutzten haben, fehlerhaft sein könnten. Nachdem er den Fehler korrigiert hatte, fand Gusella heraus, dass viele der Gene, von denen berichtet wurde, dass sie den Ausbruch der Huntington Krankheit beeinflussen, dies in Wirklichkeit gar nicht tun - einschließlich einiger aus seiner eigenen Gruppe!
Das mag wie ein Rückschlag klingen, aber weltweit sind Studien auf der Suche nach Huntington-beeinflussenden Genen im Gange. Die neuen robusten Analysetechniken, die Gusella entwickelt hat, werden uns dabei behilflich sein, aus diesen Studien echte genetische Modifizierer zu gewinnen - genau so soll Wissenschaft funktionieren.
Während die Huntington Krankheit natürlich eine Krankheit ist, die auf das Gehirn einwirkt, ermutigte Maria Björkqvist dazu, sich auch mit den Auswirkungen außerhalb des Gehirns zu beschäftigen. Sie erinnerte daran dass viele Huntington Patienten letztendlich beispielsweise an Herzleiden sterben - vielleicht mehr als man ohne die Huntington Krankheit erwarten würde. Björkqvists eigene Arbeit hat gezeigt, dass Huntington Mäuse Probleme mit dem Verdauungstrakt haben, was zu den Symptomen beitragen könnte.
Wie wichtig es ist, nicht immer nur an das Gehirn zu denken, wurde durch Paul Muchowski eindrucksvoll hervorgehoben. Er hat ein Medikament entwickelt, welches überhaupt nicht in das Gehirn gelangt, welches aber dennoch positive Auswirkungen auf Huntington Mäuse hat. Muchowski erforscht die Verbindung zwischen dem Immunsystem - unserer natürlichen Krankheitsabwehr - und dem Gehirn. Das Gehirn ist größtenteils außerhalb der Reichweite des Immunsystems, weil die Blut-Gehirn-Schranke sorgsam einschränkt, welche Chemikalien und Zellen in das Gehirn gelangen dürfen.
Muchowski hat ein Medikament, JM6, entwickelt, welches ein Enzym, genannt KMO, in weißen Blutkörperchen blockiert, wodurch indirekt die Produktion einer Chemikalie reduziert wird, welche das Gehirn schädigt. JM6 verlängerte die Lebenszeit von Huntington- und Alzheimer-Mäusen und bestärkte dadurch die Idee, dass Behandlungen, die sich außerhalb des Gehirns auswirken, beim Schutz des Gehirns helfen können.
Muchowski hat sich außerdem “CB2” Signalproteine angesehen, die nur in Immunzellen außerhalb des Gehirns vorkommen. Gibt man Huntington-Mäusen ein CB2-aktivierendes Medikament, leben diese vergleichsweise länger als sonst. Muchowskis CB2-Forschung wurde bislang noch nicht in einer referierten Fachzeitschrift veröffentlicht, aber wir freuen uns darauf, bald darüber zu lesen.
Die ganze Welt ist ein Labor
Die Huntington Krankheit beschränkt sich nicht auf eine Rasse oder ein Land: Weltweite Studien haben gezeigt, dass keine Gruppe ausgelassen wird. Dies deutet darauf hin, dass die meisten Huntington Patienten außerhalb der etablierten Welt der Huntington Forschung und Laienorganisationen in Nordamerika und Westeuropa leben.
Diese Gemeinschaften zu erreichen war ein Thema des Kongresses. Es gibt nun ein neues Netzwerk von Huntington Forschern, Medizinern und Familien in Lateinamerika. Die Red Latino-Americana de Huntington (RLAH) hat sich zum Ziel gesetzt, die Huntington Gemeinschaft in Lateinamerika zusammenzubringen, um Behandlungen zu entwickeln.
Enroll-HD ist eine neue globale Beobachtungsstudie, die darauf abzielt, die derzeit laufenden umfangreichen Studien REGISTRY und COHORT zu vereinen und gleichzeitig neue Teilnehmer aus Lateinamerika, Singapur, Südafrika und Südkorea aufzunehmen. Enroll-HD wird die größte je unternommene Huntington Studie sein und den Weg bereiten für eine neue Generation klinischer Versuche zur Huntington Krankheit.
Eine neue Ära der Kommunikation
Die Huntington Krankheit zehrt von Schweigen und Stigma. Daher sind Ehrlichkeit und Kommunikation schlagkräftige Waffen im Kampf gegen die Huntington Krankheit. HDBuzz startete vor acht Monaten und Ed Wild, Chefredakteur gemeinsam mit Jeff Carroll, gab dem Kongress einen Überblick über den Erfolg von HDBuzz - über 50.000 Besucher pro Monat, Unterstützung durch elf nationale und regionale Huntington Verbände und Übersetzungen in neun Sprachen.
Das Oz Buzz-Feature übersetzte die Wissenschaftsnachrichten von jedem Tag in einfach verständliche Sprache und Live-Interviews mit Spitzenwissenschaftlern brachten die Forscher den Familienmitgliedern näher als je zuvor. Twitter-Feeds, Video- und Textzusammenfassungen gibt es online unter hdbuzz.net.
Matt Ellison kündigte einen großen Schritt nach vorne in Sachen Kommunikation an - den bevorstehenden Start von HDYO, der Huntington’s Disease Youth Organisation (Huntington Jungendorganisation). Mit dem Start im Januar 2012 wird HDYO den von der Huntington Krankheit beeinflussten Jugendlichen (Kindern, Teenagern und jungen Erwachsenen) auf der ganzen Welt Informationen und Unterstützung bieten. Auch die Inhalte von HDYO werden mehrsprachig sein. Meldet Euch bei hdyo.org an, um benachrichtigt zu werden, sobald HDYO an den Start geht.
Zusammenfassung
Wir hoffen, dass Oz Buzz Euch den Weltkongress näher gebracht hat. Wir haben Unmengen von Forschung vorgestellt und wir arbeiten bereits an mehreren HDBuzz-Artikeln, um mehr Hintergründe zu Themen zu liefern, die wir bislang nur angerissen haben. Die Auswirkungen eines Treffens wie des Weltkongresses sind noch nachhaltiger, da neue Ideen und wissenschaftliche Zusammenarbeit der weltweiten Bemühung Auftrieb verschaffen, um Behandlungen für die Huntington Krankheit zu finden.