Von Dr Rachel Harding Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Rebecca

Letzten Monat versammelten sich viele Mitglieder der Huntington-Forschungsgemeinschaft, sowie Patienten und weitere Interessierte online zur diesjährigen European Huntington’s Disease Network (EHDN) Konferenz. Trotz der anhaltenden globalen Pandemie, wird in den Laboren und Kliniken der Welt fleißig weiter versucht, die Huntington-Krankheit besser zu verstehen und herauszufinden, wie sie behandelt werden könnte. Auch wenn 2021 bisher ein Jahr von enttäuschenden Nachrichten war, gibt es weiterhin Grund für Hoffnung, denn wir lernen viel aus durchgeführten Studien und bringen neue Ideen für medizinische Lösungen auf den Weg. Im Folgenden geben wir einen Überblick der Neuigkeiten zu aktuellen klinischen Studien.

Scott Schobel von Roche gab ein Update zum Huntingtin-Verminderungs-Medikament Tominersen und der zugehörigen GENERATION-HD1-Studie. Die Entscheidung, die Gabe des Medikamentes abzubrechen wurde dieses Frühjahr von einer unabhängigen wissenschaftlichen Kommission (Independent Data Monitoring Committee (iDMC)) gefällt. Bis zu dem Zeitpunkt wurden schon über 40.000 Proben von Patienten entnommen, die nun an die Analyselabore geschickt wurden und zurzeit dort ausgewertet werden. Roche hofft, dass Teile der gewonnenen Erkenntnisse noch bis Ende des Jahres veröffentlicht werden können. Die vollständige Analyse soll Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein. Mehr Details zum aktuellen Stand bei Roche gibt es in einem unserer letzten Artikel auf HDBuzz.

Maurice Zauderer von der Firma Vaccinex sprach im Anschluss über das Mittel Pepinemab, das im Rahmen der SIGNAL-Studie untersucht wurde. Es handelt sich um eine Antikörper-Therapie, bei der ein bestimmtes Protein namens SEMA4D beeinflusst wird. SEMA4D spielt eine wichtige Rolle bei Entzündungen, also bei Antworten unseres Immunsystems auf Infektionen oder bestimmte Krankheiten. Letztes Jahr berichteten wir, dass Pepinemab in der Studie leider nicht in der Lage war, die festgesetzten Endpunkte zu erreichen. Allerdings haben Forscher seitdem weitergehende Analysen der Studiendaten durchgeführt, um zu sehen, ob etwas nützliches aus der Studie gelernt werden kann. Es zeigt sich, dass Pepinemab eventuell im frühen Stadium der Erkrankung günstig auf manche Verhaltensstörungen wie beispielsweise Apathie wirken könnte. Allerdings ist es wichtig, mit diesen Andeutungen vorsichtig umzugehen, denn die Studie war nicht darauf ausgelegt, diese Information zu erhalten.

Auch wenn die COVID-19-Pandemie vieles in unserem Leben durcheinandergebracht hat, haben Forscher und Klinikpersonal weiterhin fleißig an ihren Zielen gearbeitet. Auf der EHDN-Konferenz gab es viel Neues zu den aktuellen klinischen Studien zur Huntington-Krankheit.
Auch wenn die COVID-19-Pandemie vieles in unserem Leben durcheinandergebracht hat, haben Forscher und Klinikpersonal weiterhin fleißig an ihren Zielen gearbeitet. Auf der EHDN-Konferenz gab es viel Neues zu den aktuellen klinischen Studien zur Huntington-Krankheit.
Quelle: Darryl Leja, NHGRI

Vissia Viglietta von Wave Life Sciences gab ein Update zur jüngsten Studie namens SELECT-HD, bei der das Medikament WVE-003 getestet wird. Wave’s Ansatz verspricht eine spezifische Verringerung der mutierten Form des Huntingtins, die gewöhnliche (wilde) Form soll erhalten bleiben. Aufgrund früherer Forschung geht man davon aus, dass die wilde Form einige wichtige Aufgaben im Gehirn hat, insbesondere in Bezug auf Stressbewältigung. Möglich wird diese Selektivität aufgrund einer Besonderheit im DNA code (SNP), die nur auf dem mutierten Allel zu finden ist. Auch wenn Wave’s vorangegangene Medikamentenstudien enttäuschende Ergebnisse hervorbrachten, gibt sich die Firma nun optimistisch, dass die neue Substanz mehr erreichen wird. Die chemische Struktur wurde so bearbeitet, dass das Medikament wirksamer und beständiger sein soll und sich gleichzeitig besser im Gehirn verteilen soll. Dieses Verhalten wurde zuvor im Labor in Zellkulturen und an Maus- sowie Affenmodellen gut erforscht.

David Cooper von Uniqure sprach als nächster über deren Gentherapie gegen Huntington. Die laufenden Studien hierzu heißen HD-GeneTRX-1 und HD-GeneTRX-2. Uniqure’s Medikament namens AMT-130 wird einmalig mittels Gehirnchirurgie verabreicht. AMT-130 stellt eine Bauanleitung zur Verfügung, anhand derer der Körper selbst für die Verringerung der Menge an Huntingtin sorgen kann. Uniqure haben ihr Konzept mit vielen Experimenten an unterschiedlichen Huntington-Modellen belegt: sie konnten die Wirksamkeit in Zellkulturen, bei Huntington-Mäusen, -Ratten und -Affen zeigen. An Schweinen untersuchten sie die Langzeitwirkungen der Behandlung - diese ist hier besonders wichtig, denn es handelt sich um einen unumkehrbaren Eingriff. Bis jetzt hat sich gezeigt, dass das Medikament unbedenklich ist. Die HD-GeneTRX-1-Studie soll nun auch die Sicherheit bei menschlichen Patienten zeigen. Zudem wird untersucht, wie lange AMT-130 im Körper verbleibt und wie es sich auf verschiedene Biomarker von Huntington auswirkt. Es werden 26 Patienten im frühen Stadium der Huntington-Krankheit an 12 Zentren in den USA über ein Jahr hinweg teilnehmen und auch 5 Jahre danach noch medizinisch beobachtet werden. Da das Medikament über Gehirnchirurgie verabreicht wird, ist die individuelle Anatomie ein Kriterium für die Aufnahme potentieller Kandiaten. Mit HD-GeneTRX-2 wird eine ähnliche Studie dann auch in Europa mit 15 Teilnehmern an 3 Standorten durchgeführt werden.

Irina Antonijevic von Triplet Therapeutics berichtete das Neueste zum Medikament TTX-3360. Triplet versucht die Menge eines Schlüsselproteins für die DNA-Reparatur bei Huntington-Patienten zu reduzieren. In früheren Studien suchten Wissenschaftler nach Genen, die das Ausbruchsalter der Krankheit beeinflussen. Es ist schon lange bekannt, dass bei individuellen Patienten mit der gleichen CAG-Anzahl in sehr unterschiedlichem Alter die ersten Symptome auftreten können, sodass vermutet werden musste, dass weitere Gene Einfluss auf das Ausbruchsalter haben. Triplet’s Zielgen namens MSH3 wurde als eines dieser Gene identifiziert. Das Medikament der Firma soll nun die Menge an MSH3 verringern und dadurch den Ausbruch von Huntington-Symptomen hinauszögern. Die Behandlung zeigte sich gut verträglich bei Huntington-Mäusen und -Affen. Um den Wirkstoff möglichst gut im menschlichen Gehirn verteilen zu können, setzt Triplet auf einen anderen Ansatz als beispielsweise die ASO-Medikamente. Eine Art Katheter gelegt werden, um die Substanz möglichst tief ins Gehirn vordringen zu lassen, in die Bereiche die bei Huntington eine wichtige Rolle spielen. Die klinische Studie TTX-3360 soll im nächsten Jahr beginnen.

Michael Hayden von Prilenia sprach über das Medikament Pridopidine. Pridopidine wechselwirkt mit dem Eiweiß “Signal-1 Rezeptor” (S1R), von dem gezeigt wurde, dass es Huntington-Symptome bei Tiermodellen verbessern kann. Ein Vorteil von Pridopidine ist, dass es in Form einer Tablette eingenommen werden kann - man benötigt weder eine Lumbalpunktion noch eine Operation. Allerdings hat die bereits beendete PRIDE-HD-Studie keine Verbesserung der Symptome von Patienten nachweisen können. Es gab leichte Andeutungen von Verbesserungen beim TFC-Wert (total functional capacity), aber eine weitere Studie ist nötig, um die Effekte eindeutig zu bewerten. Daher führt Prilenia gerade PROOF-HD durch. Es wird eine größere Gruppe von Teilnehmern - 480 Personen - über einen längeren Zeitraum als bisher mit dem Medikament behandelt.

8 unterschiedliche Firmen aus der Medikamentenentwicklung präsentierten ihre neuesten Erkenntnisse zur Behandlung von Huntington. Vielleicht wird eines Tages eines ihrer Medikamente in der Lage sein, Huntington-Patienten wirksam zu helfen.
8 unterschiedliche Firmen aus der Medikamentenentwicklung präsentierten ihre neuesten Erkenntnisse zur Behandlung von Huntington. Vielleicht wird eines Tages eines ihrer Medikamente in der Lage sein, Huntington-Patienten wirksam zu helfen.

Beth Borowsky von Novartis sprach über das Medikament Branaplam. Branaplam ist in der Lage bestimmte Gene an- oder auszuschalten und auch seine Fähigkeit Huntingtin abzubauen wurde bereits gezeigt. Branaplam kann als Tablette geschluckt werden und den gesamten Körper erreichen, nicht nur das Gehirn und die Nervenbahnen. Novartis hat die Wirksamkeit bei Huntington-Mäusen demonstriert. Ursprünglich wurde das Medikament für die Krankheit SMA entwickelt und daher verfügt Novartis in diesem Bereich über viele Daten zu Branaplam und die Sicherheit und Verträglichkeit wurden bereits getestet. Auch Daten zur Huntingtin-Verminderung liegen bereits vor. Allerdings handelt es sich bei SMA-Patienten um Kinder, daher muss Novartis nun eine erste Studie an erwachsenen Patienten durchführen. Es nehmen 32 gesunde Personen daran teil, um erneut die Sicherheit der Behandlung zu prüfen und um eine geeignete Dosis für Erwachsene zu bestimmen. Gerade ist eine Phase-IIb-Studie in Vorbereitung, die an Patienten mit frühem Huntington-Stadium durchgeführt werden soll. Ende des Jahres soll die Suche nach Teilnehmenden an Studienzentren in Europa und den Nordamerika beginnen.

Brian Pfister von PTC Therapeutics sprach als nächster vom Medikament PTC518. Auch dieses kann in Tablettenform eingenommen werden und soll wie Branaplam die Anzahl an Bauanleitungen für Huntingtin im Körper reduzieren. PTC konnte zeigen, dass auf diese Weise die Menge an Huntingtin bei Mausmodellen sowohl im Blut als auch im Gehirn reduziert werden kann. PTC518 ist in der Lage, Huntingtin in vielen Hirnregionen zu verringern, sodass man davon ausgeht, dass die Substanz sich gut verteilt. In Studien an Huntington-Affen konnte nachgewiesen werden, dass PTC518 die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann und wiederum diese Hirnregionen erreicht, nachdem es als Tablette eingenommen wurde. Derzeit wird eine Verträglichkeitsstudie an gesunden Personen durchgeführt. Man kann jetzt schon sehen, dass bei der Gabe einer höheren Dosis des Medikamentes, das Niveau von Huntingtin stärker abgesenkt wird. Anders als eine Gentherapie, ist die Huntingtin-Verminderung hier umkehrbar, sodass sich nach Abbruch der Einnahme wieder ein normales Level an Huntingtin einstellen sollte. Ende des Jahres soll mit PTC518 eine Phase-II-Studie begonnen werden.

Gut, dass so viele Firmen weiterhin mit vielfältigen Ansätzen daran arbeiten, die Ursachen der Huntington-Krankheit zu bekämpfen. Wir freuen uns darauf, bald mehr von den angekündigten Studien berichten zu können.

Jeff Carroll ist im wissenschaftlichen Beirat der Firma Triplet Therapeutics. Er hat von Triplet Therapeutics und Wave Life Sciences bezahlte Studien durchgeführt. Weder Mitarbeiter der Firma Triplet noch Wave haben zum vorliegenden Artikel beigetragen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...