Sarah HernandezLeora FoxVon Dr Sarah Hernandez und Dr Leora Fox Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Rebecca

Ende des ersten Tages der EHDN-Konferenz setzte sich das HDBuzz-Team (minus eins) zu einer Videokonferenz mit der Firma Roche zusammen, um offen und aufrichtig über den diesjährigen Abbruch der GENERATION-HD1-Studie zu sprechen. In dieser klinischen Phase-3-Studie, auf der so viele Hoffnungen ruhten, sollte die Fähigkeit des Antisens-Oligonukleotid Tominersen erprobt werden, das Huntingtin-Eiweiß zu reduzieren und das Leben von Huntington-Patienten zu verbessern.

Wir sprachen mit Dr. Lauren Boak von Roche, der globalen Entwicklungsleiterin für das Tominersen-Programm. Mit David West, dem “Patient Partnership Director” von Roches weltweiter Patientenorganisation und mit Janet Rafferty, der internationalen Kommunikationsleiterin, die sich um die externe Kommunikation des Huntington-Programms bei Roche kümmert.

Nachfolgend haben wir unsere Fragen aufgeschrieben. Die Antworten von Roche wurden aufgenommen, automatisch in Textform übertragen und zusammengefasst. Direkte Zitate sind mit Anführungsstrichen gekennzeichnet.

Studien der Größe von GENERATION-HD1 erzeugen jede Menge Daten - Roche hat nun die Aufgabe, diese zu bündeln und auszuwerden. Es handelt sich um über 40.000 Proben mit jeweils bis zu 20.000 Parametern.
Studien der Größe von GENERATION-HD1 erzeugen jede Menge Daten - Roche hat nun die Aufgabe, diese zu bündeln und auszuwerden. Es handelt sich um über 40.000 Proben mit jeweils bis zu 20.000 Parametern.

Der derzeitige Stand der Studie

F: Auch wenn keine Medikamente mehr im Rahmen der Studie verabreicht werden, läuft die Auswertung der Studie weiter - können Sie den aktuellen Stand der Studie erläutern?

A: Wie es allgemein Praxis ist, hatte ein unabhängiges Überwachungskomitee Zugang zu allen Daten der GENERATION-HD1-Studie und bewertete sie fortlaufend. Im März 2021, empfahl dieses Komitee, die Verabreichung des Medikamentes einzustellen, aber die Patienten weiter zu begleiten, um die Auswirkungen der Behandlung mit Tominersen besser zu verstehen.

Lauren Boak von Roche erklärte: “Im Rahmen der Studie werden die Teilnehmenden weiterhin beobachtet, sie besuchen weiterhin die Studienzentren und die betreuenden Ärzte evaluieren die Verträglichkeit, das Sicherheitsprofil und die klinischen Ergebnisse, wie sie für die Studie vorgesehen waren… Es ist wirklich ein wichtiger Teil der Bewertung von GENERATION-HD1.”

Die weitere Teilnahme der eingeschriebenen Patienten wird es Roche ermöglichen, weitere wertvolle Daten zu erhalten, sodass die Anstrengungen für die Studie sich sowohl für Roche als auch für die HD-Gemeinschaft trotz allem gelohnt haben werden. Die Auswirkungen der Behandlung mit Tominersen sollen erfasst werden, wenn sie auch nicht dem entsprechen, was wir uns alle erhofft hatten. Der vervollständigte Datensatz wird dann für die Auslegung künftiger Studien wertvoll sein. Während also die Verabreichung des Medikaments eingestellt wurde, ist die Studie momentan noch nicht formal abgeschlossen.

Welche Daten führten zum Abbruch der Studie?

Lauren sagt: “Wir können die Daten jetzt noch nicht veröffentlichen, da wir sie nicht in Fragmenten veröffentlichen wollen… Es soll zuerst sicher gestellt werden, dass ein bestmögliches Verständnis und eine bestmögliche Beschreibung der Bedeutung der Daten dazugeliefert werden können.”

F: Was führte zum Abbruch der Studie? Wie ist der Ablauf der Kommunikation zwischen dem unabhängigen Komitee, der Firma Roche und schließlich den Ärzten und der Öffentlichkeit?

A: Für die Bewertung von GENERATION-HD1 traf sich das unabhängige Komitee alle 4 Monate, um die jeweils neuesten Daten zu bewerten. Dabei war es ihnen im Gegensatz zur Firma Roche auch erlaubt, die entblindeten Daten auszuwerten - sie wussten also, welche Patientengruppe das Medikament und welche den Placebo erhielt.

Während ihres regulären Treffens am Donnerstag, den 18. März 2021, “befanden sie, dass die Daten implizierten, dass jegliche Gabe des Medikamentes in allen Studienarmen beendet werden sollte”, sagte Lauren.

Die Entscheidung wurde dann einer Gruppe von Roche-Mitarbeitern mitgeteilt, die über das Wochenende die weitere Kommunikation an die Huntington-Gemeinschaft organisierten. Am Montag, den 22. März, verkündete Roche dann in einer Pressemitteilung, dass die Verabreichungen eingestellt würden.

Es war auch eine koordinierte Kommunikation beschlossen worden, sodass direkt nach der Pressemitteilung, die Leiter der Studie in den Zentren und somit wiederum die Teilnehmenden informiert werden konnten. Am gleichen Montag verschickte Roche Briefe an die Huntington-Gemeinschaft und führte Telefongespräche mit Patientenvertretern.

Dennoch verbreiten sich Neuigkeiten, egal ob gut oder schlecht, ja immer sehr schnell. Die Meldung war von solcher Bedeutung, dass sowohl Teile der Huntington-Gemeinschaft als auch sogar einzelne Studienteilnehmer über unoffizielle Kanäle informiert wurden. Lauren erklärt hierzu: “Wir verstehen, dass es überraschend war, dass einige Personen aus unerwarteten Quellen informiert wurden. Wir waren in unserer Lage eingeschränkt. Dennoch kommunizierten wir so schnell wie möglich unter den gegebenen Umständen.”

Um so viel wie möglich aus GENERATION-HD1 zu lernen, wird sich Roche intensiv mit den analysierten Daten beschäftigen und die Wirkung von Tominersen auf die behandelten Personen auswerten. Die sorgfältig erhobene Datenmenge wird aber auch Rückschlüsse auf den Verlauf von Huntington an sich zulassen.
Um so viel wie möglich aus GENERATION-HD1 zu lernen, wird sich Roche intensiv mit den analysierten Daten beschäftigen und die Wirkung von Tominersen auf die behandelten Personen auswerten. Die sorgfältig erhobene Datenmenge wird aber auch Rückschlüsse auf den Verlauf von Huntington an sich zulassen.

Ein Grund, warum die Veränderungen nicht sofort den Zentren und Teilnehmenden mitgeteilt werden können, liegt in den Gesetzen, denen Firmen für solche Studien Folge zu leisten haben, um den Aktienmarkt nicht auf unfaire Art zu beeinflussen. Bei einer Studie dieser Größenordnung, könnte jegliche Information den Wert der Aktien beeinflussen. Daher sind die Firmen verpflichtet, zunächst eine Pressemitteilung zu veröffentlichen, bevor Einzelpersonen informiert werden können.

F: Welche Analysen und Veröffentlichungen werden aus der laufenden Datensammlung im Rahmen von GENERATION-HD1 noch folgen? Wie wird die Huntington-Gemeinschaft darüber informiert werden - sowohl Forscher als auch Patienten und Familien?

A: Es handelt sich um eine großangelegte Studie mit vielen Daten. Weiterhin, hatte niemand eingeplant, dass die Verabreichung des Medikaments abgebrochen werden muss. Man ging also davon aus, dass die Datenanalyse und Endauswertung erst viel später stattfinden würde und hatte diese Schritte noch nicht vollständig durchgeplant. Das ist das was gerade passiert und es ist keine kleine Aufgabe.

Als Erstes mussten alle Proben, die auf der ganzen Welt in Studienzentren entnommen wurden, an einen zentralen Ort gebracht werden. Lauren erklärte: “Dabei handelte es sich um eine große, große Aufgabe. Wir haben über 40.000 Proben in dieser Studie.” Darunter befinden sich Substanzen wie Blut- und Nervenwasserproben, die bei der Versendung besonders sorgfältig behandelt werden müssen.

Erst dann können Daten analysiert werden. Roche möchte so viel Information wie möglich aus den Daten gewinnen, es sind daher tiefgreifende Analysen vieler verschiedener Faktoren in Planung. Beispielsweise die Menge an Huntingtin-Eiweiß, NfL und die Verteilung von Tominersen im Körper vom Nervenwasser zum Gehirn. “Wir haben mehr als 20.000 verschiedene Auswertungen, weil es so viele unterschiedliche Parameter zu bewerten gibt”, sagte Lauren.

Bei Roche arbeiten hunderte von Beschäftigten an diesen Auswertungen. Sie gehen stufenweise vor, indem die Proben in kleine Einheiten unterteilt werden.

Während Roche weiß, dass mancher Teilnehmer evtl. gerne weiterhin das Medikament bekommen würde, ist es aufgrund der Datenlage nicht möglich.

Nach der Erhebung der Daten, müssen Untersuchungen durchgeführt werden, um deren Bedeutung erfassen zu können. In diesem wichtigsten Schritt werden Zusammenhänge abgeleitet. Nachdem Roche diesen letzten Teil geschafft hat, werden sie das Gelernte mit der Öffentlichkeit teilen. Lauren sagte:“Aktuell können wir also noch keine Daten bekannt geben, weil zunächst ein Gesamtbild entwickelt werden soll… Wir wollen sicher gehen, dass bei Veröffentlichung maximale Erklärbarkeit und Beschreibung sowie ein Verständnis der Bedeutung gegeben werden können.”

F: Gibt es schon einen groben Zeitplan, bis wann die Veröffentlichung stattfinden soll?

A: Leider kann darauf bisher niemand bei Roche eine Antwort geben.

F: Was wird man aus der GENERATION-HD1 auch für künftige Studien lernen können?

A: Klinische Studien sind so ausgelegt, dass eng eingegrenzte Fragestellungen durch sie beantwortet werden können. Das liegt daran, dass man einen klaren und strikten Nachweis für die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit eines Medikaments herbeiführen will. Die Erkenntnisse aus GENERATION-HD1 werden sich großenteils spezifisch auf das Medikament Tominersen beziehen.

Weiterhin war die Studie darauf ausgelegt, Menschen mit deutlichen Huntington-Symptomen zu behandeln, die Erkenntnisse werden sich also auf die Anwendung von Tominersen bei dieser Patientengruppe beziehen.

GENERATION-HD1 unterstrich mal wieder die Resilienz der Huntington-Gemeinschaft - 85% der freiwilligen Teilnehmer nehmen weiterhin an der Studie teil, sodass wir alle den größtmöglichen Wissensgewinn erreichen können.
GENERATION-HD1 unterstrich mal wieder die Resilienz der Huntington-Gemeinschaft - 85% der freiwilligen Teilnehmer nehmen weiterhin an der Studie teil, sodass wir alle den größtmöglichen Wissensgewinn erreichen können.

Das Konzept der GENERATION-HD1 Studie war sehr durchdacht, es wurden große Datenmengen zu verschiedenen Zeitpunkten über einen langen Zeitraum hinweg gesammelt - auch von der Kontrollgruppe. Es können also auch wertvolle Erkenntnisse über den gewöhnlichen Verlauf der Krankheit gewonnen werden.

“Die Qualität der Daten wird sehr hoch sein. Daher sind sie sehr wertvoll, auch um die natürliche Veränderung der unterschiedlichen Biomarker bei der Huntington-Krankheit zu verstehen”, erklärt Lauren.

Was, wenn Tominersen günstig für eine Teilgruppe der Huntington-Patienten ist?

F: Ist es möglich, dass Tominersen manchen Betroffenen hilft, aber anderen nicht? Führt Roche Analysen durch, die positive Wirkungen auf Untergruppen der Teilnehmer erfassen könnten?

A: Die kurze Antwort ist “ja”. Roche analysiert die Daten so, dass unterschiedliche Auswirkungen auf verschieden Gruppen erfasst werden. Lauren sagt: “Wir betrachten die Charakteristika, mit denen die Patienten zu beginn der Studie zu uns gekommen sind sowie unterschiedliche Stadien der Krankheit, in denen sie sich befinden und ob sich das auf ihre Reaktion auf die unterschiedlichen Dosierungen während der GENERATION-HD1-Studie auswirkt.”

F: Können Studienteilnehmende, die sagen, ihnen hat Tominersen geholfen, sich für eine weitere Behandlung damit bewerben, auch wenn diese im Rahmen der Studie gestoppt wurde?

Roche’s Haltung zum Fortsetzen der Arbeit in der Huntington-Forschung steht: “Ob Tominersen weiterentwickelt wird oder nicht, das Engagement in der Huntington-Forschung geht weiter”, sagt Lauren.

A: Leider lautet die kurze Antwort hier “nein”. Auch wenn Roche Verständnis dafür hat, dass es Patienten gibt, die das Medikament weiterhin erhalten wollen, belegen die Daten einfach keinen Nutzen im Vergleich zum Risiko. Es gibt keinen Nachweis, dass das Medikament jemandes Symptome gelindert hat, im Gegenteil könnte es sogar sein, dass sie verschlechtert wurden.

Das Ende der Studie und darüber hinaus

F: Was macht Roche abgesehen von der Datenanalyse für GENERATION-HD1? Wie trägt Roche sonst noch zur Huntington-Forschung bei bzw. unterstützt die Huntington-Gemeinschaft?

A: Roche’s Einsatz für die Huntington-Gemeinschaft - abgesehen von Tominersen - konzentriert sich auf ein besseres Verständnis der präsymptomatischen und der juvenilen Huntington-Krankheit, aber auch auf die Verbesserung wissenschaftlichen Engagements und regulatorischer Prozesse. Zum Beispiel unterstützen Roche JOIN-HD, ein Patienten- und Pflegeregister für juveniles Huntington, das kürzlich durch die Huntigton’s Disease Youth Organization gegründet wurde. Weiterhin ist die Firma Sponsor des “European Huntington Association’s Moving Forward” Projektes, was die Beteiligung von Huntington-Familien in der Forschung und das Finden von Studienteilnehmern verbessern soll. Roche sitzt weiterhin im Huntington’s Disease Regulatory Consortium, welches Industrie und akademische Partner zusammen bringt, um den Prozess, Medikamente gegen Huntington auf den Markt zu bringen, zu beschleunigen. “Das ist ein wirklich wichtiges Vorhaben… um in der Lage zu sein, klinische Studien frühzeitig im Krankheitsverlauf zu realisieren, neue Endpunkte und Biomarker festzulegen, Dinge die hilfreich und nützlich sind, um zusammen Fortschritte zu machen, um auch Lösungen zu finden für regulatorische Prozesse. Wir arbeiten hier zusammen mit dem Critical Path Institute, der FDA und CHDI.”

Was die direkte Einbindung in neue Huntington-Forschung angeht, gab Roche kürzlich eine Partnerschaft mit der übernommenen Gentherapie Spark Therapeutics bekannt. Dabei handelt es sich um eine neue Firmenausgründung namens NeuExcell. In einem anderen HDBuzz-Artikel haben wir von dieser Arbeit berichtet, die versucht unterstützende Zellen aus dem Gehirn in Neuronen umzuwandeln, sodass der Verlust durch Huntington potenziell ausgeglichen werden kann. Zudem unterstützt Roche einige Bildungs- und Finanzierungsvorhaben von patientenorientierten Organisationen auf der ganzen Welt.

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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