Jeff CarrollVon Dr Jeff Carroll Bearbeitet von Dr Sarah Hernandez Übersetzt von Rebecca

Die klinische Studie namens “SIGNAL” hatte das Ziel, das Medikament Pepinemab an Menschen mit frühen Stadien der Huntington-Krankheit zu testen. Die Zusammenfassung der Ergebnisse wurde jetzt veröffentlicht und zeigten leider, dass Pepinemab nicht wie gehofft die Krankheit nicht verlangsamte und die Symptome auch nicht eindämmen konnte.

Worum handelte es sich bei der SIGNAL-Studie und wer nahm teil?

Die SIGNAL-Studie wurde im Jahr 2015 von der Firma Vaccinex gestartet. Die Ausrichtung der Studie sah vor, das Medikament Pepinemab (auch “VX15”) auf Verträglichkeit und Wirksamkeit zu testen. Dazu wurden Veränderungen im Gehirn sowie Denk-, Beweglichkeits- und Verhaltensschwierigkeiten untersucht. In der kürzlich veröffentlichten Zusammenfassung der Ergebnisse wird mitgeteilt, dass Pepinemab nicht in der Lage war, für Menschen mit der Huntington-Krankheit Vorteile zu bringen.

Wenn sie eine klinische Studie zur Huntington-Krankheit planen, müssen Forscher Endpunkte festlegen. Dabei handelt es sich eine genaue Definition der Ziele, die erreicht werden sollen. Zur Grundlage hierfür dienen Labordaten, medizinische und statistische Expertenmeinungen und auch Anregungen aus der Huntington-Gemeinschaft.
Wenn sie eine klinische Studie zur Huntington-Krankheit planen, müssen Forscher Endpunkte festlegen. Dabei handelt es sich eine genaue Definition der Ziele, die erreicht werden sollen. Zur Grundlage hierfür dienen Labordaten, medizinische und statistische Expertenmeinungen und auch Anregungen aus der Huntington-Gemeinschaft.
Quelle: Joseph Mucira

Bei allen 301 Teilnehmenden handelte es sich um Huntington-Mutationsgenträger. Einige von Ihnen zeigten bereits Chorea, die typischen Bewegungssymptome der Huntington-Krankheit, andere noch nicht. Medizinische Fachbegriffe für diese Stadien sind “früh-klinisch manifest” bzw. “subklinisch”.

In Huntington-Studien werden häufig Patienten im frühen, klinisch manifesten Stadium untersucht. Sie zeigen Bewegungssymptome, an denen in der Vergangenheit der Ausbruch der Huntington-Krankheit festgemacht wurde. In diesem Stadium können Veränderungen der Symptome und die Geschwindigkeit, in der sie sich entwickeln, besonders zuverlässig beobachtet werden. Wir schulden den Teilnehmenden der Studie eine Menge, denn sie waren mutig und großzügig, indem sie sich für die Studie zur Verfügung stellten. Auch wenn die Ergebnisse enttäuschen sind, können wir sehr wertvolle Informationen bezüglich des Fortschreitens der Krankheit und über das Medikament Pepinemab daraus ziehen. Dieses wird nun auch für den Einsatz gegen Alzheimer und bestimmte Krebsarten getestet.

Was geschah während der Studie?

Es gab zwei Gruppen in der klinischen Studie, bezeichnet alsKohorte A” und “Kohorte B”. Kohorte A begann mit der Studie und schloss sie auch als erste ab, ihre Teilnahmedauer war außerdem kürzer. Kohorte B war die größere Gruppe, die Teilnehmenden wurden über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet und erhielten leicht abweichende Behandlungen. Die Ergebnisse der Kohorte A wurden bereits im Jahr 2018 veröffentlicht: eine Analyse von Aufnahmen des Gehirns legte nahe, dass Pepinemab gegen das Schrumpfen des Gehirns helfen könnte. Kürzlich veröffentlichte die Firma Vaccinex dann die Ergebnisse von Kohorte B, die die Hoffnungen leider nicht bestätigen.

Alle Teilnehmenden suchten die Studienkliniken ein Jahr lang monatlich auf, um eine Infusion zu bekommen. Die Hälfte von ihnen erhielt Pepinemab, die andere als Placebo eine Art Kochsalzlösung. Viele Klinikbesuche schlossen Tests und Untersuchungen wie Blutuntersuchungen, MRT-Messungen, Lern- und Erinnerungs- und körperliche Übungen mit ein. Um verfälschende Einflüsse auf die Ergebnisse aus diesen Tests zu vermeiden, wussten weder die Teilnehmenden noch das klinische Personal, wer das Medikament oder wer den Placebo erhielt. Man spricht von einer Doppelblindstudie, der “Goldstandard” für die Medikamentenerprobung.

Nach dem ersten Jahr kamen die Teilnehmenden weierhin für sechs Monate oder bis zu zwei Jahre zu Untersuchungen in die Kliniken und ihre Gesundheit, Wohlbefinden und ihre Fähigkeiten wurden beobachtet und mit der Situation während der Studie verglichen. Dann analysierten Statistiker die erhaltenen Daten und im Anschluss teilte Vaccinex die Ergebnisse der Öffentlichkeit mit.

Die Planung einer klinischen Studie

Alle gut gemachten klinischen Studien sind so ausgelegt, dass sie uns mehr Informationen über das Medikament aber auch über die Krankheit geben, egal ob die Endpunkte tatsächlich erreicht werden.

Um die Ergebnisse aus der SIGNAL-Studie in einen Zusammenhang zu stellen, hilft es, zunächst die Schritte nachzuvollziehen, die vollzogen werden, um eine Medikamentenstudie für die Huntington-Studie zu planen. Es handelt sich dabei um einen langen Weg. Pharmafirmen berücksichtigen ihre Labordaten (Testdaten aus Zellkulturen und Tieren) genauso wie den Rat von vielen Experten aus ihrem Bereich, wie Ärzten, spezialisierten Wissenschafltern, Statistikern und den Huntington-Familien. Daraufhin entscheiden sie sich für Schlüsselziele, bezeichnet als primäre Endpunkte. Dabei handelt es sich um die zentralen Messwerte, die während der Studie erhoben werden und anhand denen später entschieden wird, ob das Medikament für eine erfolgreiche Behandlung von Huntington-Patienten geeignet ist.

Abhängig vom Medikament und den Zielen der Studie, könnte es sich hierbei um messbare Veränderungen in der Bewegung der Teilnehmer handeln oder um die Stärke ihrer Depression oder Angstzustände oder auch um Alltagsfähigkeiten. Bevor die Studie beginnt, bewerben sich die Planer dann bei Gesundheitsbehörden, wie der FDA in den USA oder der EMA in Europa, um zu erklären, warum sie ihre primären Endpunkte so festgelegt haben, was die Teilnahme an der Studie im Detail beinhaltet und wie die erhaltenen Daten analysiert werden sollen.

Wenn das Medikament die primären Endpunkte nicht erreicht, so hat ist damit gezeigt, dass es unwirksam ist. Leider ist das bei der SIGNAL-Studie der Fall.

Welche Ergebnisse lieferte die SIGNAL-Studie?

Zusätzlich zur Betrachtung der Sicherheit und der Nebenwirkungen des Medikaments Pepinemab, gab es in der SIGNAL-Studie zwei primäre Endpunkte, die sich auf die kognitiven Fähigkeiten und den allgemeinen Gesundheitszustand der Teilnehmenden bezogen. Es gab einen für den ersten der beiden einen Satz von Denktests, um das Erinnerungsvermögen, Planungsfähigkeiten und das Lernverhalten zu überprüfen. Der zweite primäre Endpunkt war eine Auswertung der durchführenden Ärzte, die eine Zusammenfassung des Befindens der Patienten im Laufe der Studie erstellten und dabei ihre Gesundheit, ihr Verhalten und ihre Alltagstauglichkeiten betrachteten.

Am Ende der SIGNAL-Studie wurde Pepinemab nun als sicher und verträglich eingeordnet (kaum schwerwiegende Nebenwirkungen), jedoch konnte bei den Patienten, die das Medikament bekamen keine Verbesserung der Symptome im Vergleich zu den Placebo-Kandidaten festgestellt werden, weder bei den Denkaufgaben noch in den ärztlichen Berichten. Daher heißt die Überschrift zu sämtlichen Meldungen in Bezug auf die SIGNAL-Studie nun: “gescheitert”.

Allerdings gehen einige Berichte auch darauf ein, dass Pepinemab dennoch mögliche kognitive Verbesserungen unterstützen könnte. Das kommt daher, dass die Gruppe der Teilnehmenden, die Pepinemab erhielt, leichte Besserungen bei manchen Denk- und Organisationsaufgaben zeigte, beispielsweise die zeitliche Abfolge zu planen, um Objekte aus einer Konfiguration in eine andere zu bringen oder die Geschwindigkeit beim Fingertippen zu kontrollieren. Die Verbesserungen erreichten aber keine statistische Signifikanz, sind mathematisch also nicht von den Ergebnissen der Placebo-Gruppe unterscheidbar. Um dennoch von einem Erfolg berichten zu können, ist die Rede oft von einem Trend in Richtung Wirksamkeit, in etwa so als ob man sagen würde, die Studie war fast erfolgreich. Das ist sehr frustrierend für die gesamte Huntington-Gemeinschaft.

Mögliche Vorteile durch Pepinemab erreichten keine statistische Signifikanz. D. h. es kam zu keinem signifikanten mathematischen Unterschied zwischen der Gruppe, die einen Placebo bekam, und der Gruppe die das Medikament bekam, es konnten keine messbaren Verbesserungen durch die Behandlung verzeichnet werden.
Mögliche Vorteile durch Pepinemab erreichten keine statistische Signifikanz. D. h. es kam zu keinem signifikanten mathematischen Unterschied zwischen der Gruppe, die einen Placebo bekam, und der Gruppe die das Medikament bekam, es konnten keine messbaren Verbesserungen durch die Behandlung verzeichnet werden.
Quelle: Gerd Altmann

Was kann man aus einer gescheiterten Studie lernen?

Kann Pepinemab vielleicht doch noch anderen Betroffenen der Huntington-Krankheit helfen oder Menschen mit anderen Leiden? Vielleicht. Vielleicht hätte eine Studie an einer höheren Teilnehmerzahl, einem anderen primären Endpunkt oder einem Fokus auf Menschen mit stärkeren Symptomen andere Ergebnisse hervorgebracht. Man könnte das noch ein bisschen zu weiter treiben, letztendlich benötigen Huntington-Patienten aber eine Behandlung die ihnen hilft und keine die ihnen fast hilft. Eine Behandlung, die mathematisch signifikant und klinisch nützlich ist, wird die Ergebnisse bei kognitiven Tests in Studien verbessern, Symptome mildern oder die Krankheit insgesamt verlangsamen.

Das eigentliche Ziel von Pepinemab im Körper ist ein Rezeptor, der Botschaften von einem Molekül namens Semaphorin 4D (SEMA4D) empfängt. SEMA4D reagiert teilweise auf Entzündungen im Körper, wenn ungewollt eindringende Substanzen abgewährt und entfernt werden. Hier gibt es auch Überreakionen, die in vielen neurologischen Krankheiten und bei Krebs ein Problem darstellen. Weil SEMA4D’s Rolle nicht spezifisch bei der Huntington-Krankheit auftaucht, äußerten sich schon früh einige Forscher und Huntington-Experten skeptisch zur Entscheidung Pepinemab ausgerechnet bei Huntington-Patienten zu testen. Die Hoffnung war jedoch, dass die Blockierung von SEMA4D mit der Hilfe von Pepinemab die Entzündungswirkungen im Gehirn von Huntington-Patienten reduzieren kann und so die Gesundheit und das Wachstum von Hirnzellen erhalten bzw. Symptome lindern kann.

Die Hoffnungen wurden aber nicht erfüllt und daher gilt die Studie als gescheitert. Reine Zeitverschwendung war sie dennoch nicht und die Mühen aller Teilhaber waren nicht umsonst. Alle gut gemachten klinischen Studien sind so ausgelegt, dass sie uns mehr Informationen über das Medikament aber auch über die Krankheit geben, egal ob die Endpunkte tatsächlich erreicht werden. In der Tat sind die Blutproben und die Jahre der sorgfältigen Datensammlung außerordentlich wertvoll für das Verständnis des Fortschreitens der Huntington-Krankheit und die Ergebnisse der SIGNAL-Studie nutzen den kommenden Studien von Pepinemab für Alzheimer und Krebserkrankungen.

Was kommt als Nächstes?

Es ist möglich, dass der Ansatz mit SEMA4D bei Demenz Anwendung finden kann, wo das Erinnerungsvermögen anders beeinträchtigt wird, oder bei Krebs, wo andere Entzündungsvorgänge vorherrschen. Gut geplante Studien werden uns noch verraten, ob das möglich ist. SIGNAL-AD ist beispielsweise die Alzheimer-Studie zu Pepinemab, die gerade mit der Rekrutierung von Teilnehmenden begonnen hat. Vaccinex sagte, es könnte auch eine größere oder spezifischere Studie zur Huntington-Krankheit folgen, allerdings ist es in der näheren Zukunft eher unwahrscheinlich.

Glücklicherweise haben wir eine vielschichtige und sehr aktive Huntington-Forschungs-Pipeline, in der sich Gentherapien befinden, die gezielt die Ursache der Krankheit ansteuern, sowie weitere Therapien, die sich mit Huntington-spezifischen Symptomen auseinandersetzen. Auf jede gescheiterte Studie schauen wir daher dennoch mit Dankbarkeit gegenüber denen zurück, die den Wissenszugewinn über die Huntington-Krankheit möglich gemacht haben und erwarten gespannt die Ergebnisse von noch laufenden und zukünftigen Studien.

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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