Jeff CarrollVon Dr Jeff Carroll Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Martin Oehmen

Antikörper werden von dem Immunsystem des Körpers gebildet, um Infektionen zu bekämpfen. Sie können darüber hinaus von Wissenschaftlern genutzt werden, um Proteine zu studieren. Ein neuer Antikörper hat neue Einsichten darin gegeben, warum Neurone durch die Einflüsse der Huntington-Krankheit absterben.

Von Mutationen zur Krankheit

Die Huntingtonkrankheit wird durch eine Mutation verursacht - einem genetischen Stottern - im Huntingtin Gen. Die Mutation ist eine sich wiederholende Folge von drei individuellen “Buchstaben” (C-A-G) des genetischen Codes. In gewöhnlichen Kopien des Huntingtin Gens gibt es ungefähr 17 C-A-Gs hintereinander gereiht. In erkrankten Personen gibt es 36 oder mehr dieser C-A-G Wiederholungen.

Die Struktur eines gewöhnlichen Antikörpers
Die Struktur eines gewöhnlichen Antikörpers

Das Huntingtin Gen verursacht die Krankheit jedoch nicht direkt. Ein Schaden tritt erst dann auf, wenn die Zellen unseres Körpers das Gen ablesen und das Huntingtin Protein synthetisieren. Um also die Huntington-Krankheit (HK) zu verstehen, müssen wir so viel wie möglich über das Huntingtin Protein in Erfahrung bringen.

Proteine sind große, komplizierte Moleküle. Sie beginnen als eine Reihe von Bausteinen, ähnlich wie eine Perlenkette. Diese Bausteine werden Aminosäuren genannt, und es gibt 21 verschiedene Arten.

Die C-A-G Verlängerung, welche die HK verursacht, verändert die Struktur des Huntingtin Proteins. Wann immer eine Zelle den Abschnitt C-A-G in der DNA liest, fügt sie eine Aminosäure namens Glutamin in das zu bildende Protein. Je mehr C-A-Gs im Huntingtin Gen vorhanden sind, um so mehr Glutamine werden im Huntingtin Protein vorhanden sein.

Die überzähligen Glutamine verändern das Huntingtin Protein in Etwas, das Neuronen Schaden zufügt, wahrscheinlich auf viele verschiedene Art und Weisen. Heraus zu bekommen wie genau der Schaden verursacht wird und Wege zu finden dies zu unterbinden, ist die Herausforderung, der sich die HK Wissenschaftler stellen.

Im Vergleich zu den meisten Proteinen ist das Huntingtin Protein sehr groß - es besteht aus 3,144 Aminosäuren, die alle auf komplizierte Art und Weise miteinander interagieren, und zusammen eine gewaltige Struktur bilden. Huntingtin ist so groß und komplex, dass wir nicht einmal wissen wie es geformt ist.

Antikörper

Um Proteine zu studieren, benutzen Wissenschaftler für gewöhnlich ein Werkzeug, das Antikörper genannt wird. Antikörper sind selbst Proteine. Sie werden vom Immunsystem produziert, um Mikroorganismen aufzuspüren und zu bekämpfen.

Was Antikörper besonders macht, ist ihre Fähigkeit andere Chemikalien zu erkennen und sich an sie zu heften. Jeder Antikörper hat sein ganz spezifisches Ziel, an dem er sich anheftet.

Ein so großes Protein wie Huntingtin wird von zahlreichen Antikörpern erkannt, jeder bindet an einem anderen Teil.

Wissenschaftler können Antikörper herstellen, die sich an ein bestimmtes Protein anheften, indem sie das Ziel-Protein beispielsweise in Mäuse injizieren. Somit bringen sie das Immunsystem der Maus dazu, Antikörper zu produzieren, die an es anhaften.

Antikörper zur Untersuchung von Huntingtin

Der Antikörper haftet nicht an Huntingtin, das in Anhäufungen vorliegt. Tatsache ist, dass er diese Klumpen auflöst, wenn er mit ihnen vermischt wird!

Ein Team von Wissenschaftlern, geführt von Jason Miller und Steve Finkbeiner, von der Universität Kalifornien, San Francisco, benutzten Antikörper, um zu verstehen welche Teile des Huntingtins toxisch sind.

Sie begannen, indem sie aufgereinigtes Huntingtin in Mäuse injiziert haben, was die Produktion von Antikörper stimuliert hat, welche an das Protein binden. Sie generierten auf diese Weise 480 verschiedene Antikörper.

Dann untersuchten sie jeden der Antikörper darauf hin, ob er sich bevorzugt an die mutierte Form des Huntingtins mit seinen zusätzlichen Glutaminen anheftet.

Ein Großteil der Antikörper heftete sich an das Huntingtin ganz ungeachtet der Anzahl an Glutamin. Finkbeiners Gruppe war jedoch genau an der kleinen Gruppe von Antikörpern interessiert, die sich bevorzugt an die mutierte Form des Huntingtins anheftet.

Antikörper können derartig modifiziert werden, dass sie leuchten. Das erlaubt es den Wissenschaftlern Zellen zu markieren, die ein bestimmtes Protein besitzen. Zellen mit diesem Protein leuchten auf, wenn der modifizierte Antikörper hinzugegeben wird.

Das Roboter-Mikroskop

Das Team konstruierte ein Roboter gesteuertes Mikroskop, das tausende von Bildern von Neuronen machen kann, über den Verlauf von Tagen oder Wochen. Dies wurde kürzlich mit Finkbeiner diskutiert, in unserem “Oz Buzz” Interview beim HK-Welt-Kongress.

Mit Hilfe ihres Roboter-Mikroskops kann die Gruppe individuelle Neurone über einen langen Zeitraum hinweg beobachten.

Die Gruppe nutzte das Mikroskop zusammen mit dem Antikörper, um heraus zu finden, ob sie vorhersagen können welche Neurone sterben würden.

Die Idee dahinter ist, dass Antikörper gegen Huntingtin, welche Zellen leuchten lassen, die eine höhere Mortalität besitzen, Teile des Huntingtin Proteins markieren, die sehr wichtig sind.

All dies zu tun ist noch schwerer als es sich anhört. Finkbeiners Gruppe musste sich komplizierter Mathematik bedienen, um den Zusammenhang zwischen der Proteinproduktion und dem Zelltod zu verstehen. Sie waren jedoch erfolgreich und fanden interessante Ergebnisse durch einen Antikörper mit dem charmanten Namen 3B5H10.

Bilder neuronaler Zellkultur aus Finkbeiners Labor. Zellen in grün und gelb wurden "markiert", so dass sie leuchten und somit die Form der Zelle erkennbar wird.
Bilder neuronaler Zellkultur aus Finkbeiners Labor. Zellen in grün und gelb wurden “markiert”, so dass sie leuchten und somit die Form der Zelle erkennbar wird.
Quelle: Dr S. Finkbeiner

Neurone, welche die mutierte Form des Huntingtins produzierten, leuchteten durch diesen Antikörper und wiesen eine wesentlich höhere Sterberate auf. Der Proteinabschnitt, welcher durch diesen Antikörper markiert wird, ist also eine schlechte Nachricht für Nervenzellen.

Was der Antikörper erkennt

Mit diesem Wissen ausgestattet, versuchte Finkbeiners Gruppe heraus zu finden, wo genau sich der Antikörper anheftet. Sie entdeckten, dass er wahrscheinlich nur an einem kleinen Teil des mutierten Huntingtins bindet.

Viele Wissenschaftler sind an Protein-Aggregaten interessiert, die sich in Zellen bilden, die das mutierte Huntingtin produzieren. Diese Aggregate sind Klumpen von Proteinen - ähnlich wie nicht beseitigte Müllhaufen - die in gesunden Zellen nicht vorhanden sind. Diese Aggregate werden in Gehirnen von Patienten gefunden, die an der HK gestorben sind - so dass sich viele Menschen gefragt haben, ob sie dafür verantwortlich sind, dass die Neurone abstarben.

Überraschender Weise haftet der 3B5H10 Antikörper nicht an Huntingtin, wenn es in Form dieser Klümpchen vorliegt. Tatsache ist, dass der Antikörper, vermischt mit Klumpen von mutiertem Huntingtin, diese auflöst!

Dies unterstützt die Vermutung, dass Zellen nicht durch eine Anhäufung sondern durch einzelne Stücke von mutiertem Huntingtin beschädigt werden, welche frei umher treiben.

Was bedeutet dies nun?

Der 3B5H10 Antikörper ist ein gutes Werkzeug für Wissenschaftler, um zu untersuchen wie das mutierte Huntingtin Zellen zu Grunde richtet. Er ist zudem hilfreich, um Wirkstoffe gegen die HK zu entwickeln.

In der Vergangenheit wurden viele Studien durchgeführt, um Wirkstoffe zu finden, welche die Klümpchen auflösen, die sich durch das mutierte Huntingtin innerhalb der Zellen bilden.

Finkbeiners Untersuchungen ergaben, dass dies nicht der beste Weg sein könnte, um effektive Medikamente zu entwickeln. Der Antikörper gab Aufschluss darüber, dass Neurone mit großen Ansammlungen von Proteinen nicht diejenigen sind welche schnell absterben.

Diese Forschungsergebnisse sind wichtig, weil sie uns zeigen wie man wichtige und unerwartete Resultate erhalten kann. Diese Information wird dann genutzt, um sicher zu stellen, dass nur die wirksamsten und sichersten Medikamente in menschlichen Patienten getestet werden.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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