"Huntington Study Group" (HSG) Jahreskonferenz 2020: HD in Focus - Tag 1
Unsere Zusammenfassung der Vorträge und Präsentationen am Tag 1 der "HSG 2020 annual conference"
Von Dr Rachel Harding 14. November 2020 Bearbeitet von Dr Leora Fox Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 30. Oktober 2020
Das Forschungsnetzwerk “Huntington Study Group” (HSG) beschäftigt sich ausschließlich mit der Huntington-Krankheit. Diesen Herbst fand die jährliche Konferenz 2020 statt. Gleich am ersten Tag . startete die Veranstaltung mit einem vollgepackten Programm von virtuellen Vorträgen aus der Forschung, von Ärzten und verschiedenen Firmen, die alle an Medikamenten gegen die Huntington-Krankheit arbeiten. Der Tag hielt viele faszinierende Präsentationen zu den neuesten Entwicklungen auf diesem Feld bereit.
Präsentationen zu bahnbrechenden Ideen für neue Medikamente
Der erste Vortrag wurde von Darren Monckton (University of Glasgow) gehalten. Er sprach über die Rolle von somatischer Instabilität bei der Huntington-Krankheit. Dabei geht es um eine weitere Verlängerung des CAG-Stranges auf dem mutierten Huntington-Gen im Laufe des Lebens eines Betroffenen. Man geht davon aus, dass bei einer hohen somatischen Instabilität, die Symptome von Huntington-Patienten verstärkt und früher ausbrechen lässt. Vor ein paar Monaten haben wir auf HDBuzz einen ausführlicheren Artikel dazu veröffentlicht. Monckton’s Gruppe betrachtet die somatische Instabilität bei einer großen Anzahl von Huntington-Patienten mithilfe der Nutzung von Proben und Daten aus den Beobachtungsstudien Enroll-HD und Track-HD. Auf diese Weise konnten die Forscher herausfinden, dass sich die somatische Instabilität in Blutproben beobachten lässt. Dadurch wird eine Untersuchung derselben viel leichter als durch Nervenwasserentnahmen.
Als Nächste folgte Beverly Davidson (Children’s Hospital of Philadelphia), die Genbearbeitungsansätze als mögliche künftige Therapien gegen die Huntington-Krankheit vorstellte. Insbesondere interessiert sich ihr Labor dabei für die CRISPR-Technologie, mit der man gezielt das mutierte Huntingtin-Eiweiß verringern und dessen wilden Typ erhalten könnte. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass kürzlich an die Wissenschaftlerinnen, die CRISPR als erste anwenden konnten, einen Nobel-Preis gewonnen haben. Das Forschungsfeld CRISPR beschäftigt sich mit zahlreichen neuen Entwicklungen rund um die Technologie, die sie sicher und präzise für medizinische Anwendungen machen sollen.
Höhepunkte aus Sarah Tabrizi’s Leitvortrag
Den Leitvortrag der Veranstaltung hielt Prof. Sarah Tabrizi (University College London). Zunächst gab sie einen Überblick zu ihrer HD Young Adult Study (HD-YAS), über die wir auf HDBuzz bereits berichteten. In der Studie verglich man junge, symptomfreie Träger des mutierten Huntington-Gens mit einer Kontrollgruppe, um herauszufinden, ab welchem Zeitpunkt Biomarker der Huntington-Krankheit erfasst werden können. Die Teilnehmenden vor Ausbruch der Symptome zu untersuchen, sollte Anhaltspunkte geben, wann eine künftig mögliche Behandlung am besten begonnen werden soll, um die Krankheit entweder zu verlangsamen, aufzuhalten oder ihr idealerweise vorzubeugen. Die jungen Huntington-Genträger zeigen keine kognitiven oder psychiatrischen Unterschiede zu den Nicht-Genträgern. Allerdings konnten bei ihnen einige chemische Veränderungen erfasst werden. Die deutlichste Veränderung waren erhöhte Werte des Proteins “NfL” im Nervenwasser. Tabrizi und ihre Kollegen gehen davon aus, dass NfL-Werte einen guten Biomarker für das Fortschreiten der Krankheit darstellen könnten und daher auch eine Entscheidungsbasis für Ärzte in der Zukunft für den Zeitpunkt einer Behandlung. Im zweiten Teil ihres Vortrages ging Tabrizi auf einige der vielversprechenden Therapiemöglichkeiten ein, die aktuell im Labor erforscht werden und künftig in klinischen Studien getestet werden könnten. Tabrizi hob das Eiweiß MSH3 hervor, das einen Einfluss auf das Fortschreiten der Krankheit haben könnte. MSH3 wurde ursprünglich als Treffer in der GWAS-Analyse entdeckt und dann mit großem Interesse von Forschern auf der ganzen Welt studiert. Es wurde von Tabrizi’s Gruppe gezeigt, dass eine Verringerung der Menge des MSH3-Proteins, die somatische Verlängerung des Huntington-Gens in menschlichen Zellen in einer Petri-Schale verhindern kann. Aber ob eine Verringerung von MSH3 auch die Huntington-Krankheit beim Menschen aufhalten kann, muss sich noch erweisen. Eine weitere interessante Methode, von der Tabrizi berichtete, ist der Huntingtin-Verminderungsansatz der Firma Takeda, die hierfür die Zink-Finger-Techonologie einsetzen. Bei diesem Ansatz soll spezifisch das mutierte, nicht aber das gewöhnliche Huntingtin-Eiweiß reduziert werden. Zuletzt sprach Tabrizi noch die Arbeit des “HD regulatory science consortium (RSC)” an. Eine Einrichtung, die Forschungsvorhaben zur Huntington-Krankheit weltweit miteinander abstimmen will, um den Fortschritt bei der Medikamentenentwicklung zu beschleunigen.
Weitere Vorträge zu den neuesten Medikamentenentwicklungen und Daten aus klinischen Huntington-Studien
Eine Reihe von kurzen Präsentationen beschäftigte sich mit den diesjährigen Erkenntnissen und den Plänen der Arbeitsgruppen der HSG bezüglich verschiedener Themen, wie Telemedizin, die Entwicklung von digitalen Anwendungen zur Symptomüberwachung, die Erfahrungen von Neuropsychologen und Möglichkeiten die Stimmen von Patienten mit einzubeziehen.
Carlos Cepeda (University of California, Los Angeles) beschäftigt sich mit der Rolle der Hirnregion des Cortex bei der Huntington-Krankheit. Er beschrieb dort schon einige Besonderheiten, die Huntington-Patienten aufweisen, die es wiederum ermöglichen könnten, einige der Symptome in extremen Formen der Huntington-Krankheit, wie zum Beispiel der juvenilen Form, zu erklären. Jordan Schultz von der University of Iowa fuhr direkt mit diesem Thema fort und berichtete von der Beobachtungsstudie zur juvenilen Form “Kids-JHD”, die sich zum Ziel setzt, mehr über die Symptomen und das Fortschreiten der juvenilen Form zu lernen.
Paul Zeun (University College London) erklärte tiefergehend etwas zu der Arbeit an der HD-YAS Studie aus Sarah Tabrizi’s Gruppe. Zeun untersuchte mit seinen Kollegen verschiedene Eiweiße in Nervenwasser-Proben der HD-YAS-Teilnehmer, um Biomarker zu identifizieren. Sie sahen dabei deutlich, dass nur NfL zuverlässig genug schien, um das fortschreiten der Huntington-Krankheit bereits in den frühesten Stadien nachverfolgen zu können.
Juan Sanchez-Ramos (University of South Florida) sprach von verbesserten Vorgehensweisen bei Gentherapien für Huntington-Patienten. Derzeit ist bei einigen in der klinischen Forschung befindlichen Huntington-Therapien eine Lumbalpunktion oder gar eine Operation am Gehirn nötig. Solche Methoden sind teuer, unangenehm für die Patienten und mitunter riskant. Sanchez-Ramos und seine Kollegen haben untersucht, ob eine intra-nasale Anwendung, d. h. sich das Medikament in die Nase zu sprühen, auch funktionieren könnte. Dabei packten sie ein Huntingtin-Verminderungs-Medikament auf winzige Träger aus Nanopartikeln. Bei Mäusen konnten sie die Methode bereits erfolgreich anwenden und sie hoffen nun einen Industriepartner zu finden, der ähnliche Studien am Menschen ermöglichen würde.
Neuigkeiten von Firmen zur Entwicklung von Therapien
Der erste Konferenztag wurde mit kurzen Vorträgen von Firmen, die sich in der Huntington-Forschung betätigen abgeschlossen.
Triplet Therapeutics hofft, mit ihrem Wirkstoff die somatische Instabilität einzuschränken. Sie führen zunächst eine reine Beobachtungsstudie namens “SHIELD-HD” durch, über die wir bereits im Rahmen unseres Berichtes vom EHDN Treffen schrieben.
NeuExcell Therapeutics setzen auf regenerierende Wirkstoffe, die Teile des Gehirns, das durch die Huntington-Krankheit beschädigt wird, erneuern könnten. Bei Tiermodellen funktionieren ihre Therapien bereits gut und stellen bestimmte Zelltypen wieder her. Sie hoffen mit klinischen Studien am Menschen im Jahr 2022 beginnen zu können.
Mitochon Pharmaceuticals untersuchen bekannte Substanzen, die die Mitochondrien (die Kraftwerke der Zellen) aktivieren. Sie hoffen, dass sie so die Produktion von reaktivem Sauerstoff bei Huntington-Patienten stoppen können, dem einige zerstörerische Effekte zugesprochen werden.
Neubase Therapeutics haben ein Medikament entwickelt, dass unter Laborbedingungen Huntingtin verringern kann und von dem in Tiermodellen gezeigt wurde, dass es sich im ganzen Körper verteilt. Daher hoffen sie, das man damit die Huntington-Krankheit ganzkörperlich behandeln werden kann. Zunächst müssen allerdings noch weitere Untersuchungen an Tiermodellen vorgenommen werden, die die Huntingtin-Verminderung eindeutig zeigen.
In unserem nächsten Artikel können Sie dann lesen, worum es am Tag 2 der Konferenz ging.