"Huntington Study Group" (HSG) Jahreskonferenz 2020: HD in Focus - Tag 2
Unsere Zusammenfassung der Vorträge und Präsentationen am Tag 2 der "HSG 2020 annual conference".
Von Dr Leora Fox und Dr Rachel Harding 21. November 2020 Bearbeitet von Dr Leora Fox Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 1. November 2020
Auch der zweite Tag der Konferenz war vollgepackt mit Präsentationen von Huntington-Forschern und Ärzten.
Es begann mit Vaccinex, die einen Überblick über ihre Arbeit im Rahmen der SIGNAL-Studie gaben. Leider stellte sich das darin untersuchte Medikament Pepinemab als wirkungslos gegenüber den Symptomen der Huntington-Krankheit heraus und die SIGNAL-Studie konnte daher nicht ihre klinischen Ziele erreichen. Die beteiligten Forscher nehmen an, dass evtl. andere Gruppen von Patienten oder eine andere Form der Behandlung Vorteile bringen könnte, aber das müsste erst noch untersucht werden. HDBuzz hat kürzlich einen ausführlicheren Artikel zu den Ergebnissen der SIGNAL-Studie veröffentlicht.
Ein gemeinsamer Bericht von Lori Quinn (Columbia University) und Shelley Knewstep-Watkins (University of Virginia) betrachtete im Anschluss den Nutzen von Physio- und Ergotherapie für Huntington-Patienten. Während es vielen von uns geläufig ist, dass Sport und andere Formen der Aktivität generell zum mentalen und körperlichen Wohlbefinden beitragen können, gab es zur genauen Auswirkung auf die Huntington-Krankheit bis vor Kurzem keine genauen wissenschaftlichen Studien. Quinn und Knewstep-Watkins erklärten die Ergebnisse einer kürzlichen Zusammenfassung zu Physiotherapie von frühen bis hin zu späten Phasen der Huntington-Krankheit. Sie hoben dabei die PACE-HD-Studie hervor, die sich mit solchen Themen beschäftigt und die bald zum Abschluss kommen soll. Weiterhin gingen sie auf Technologie ein, die die Aktivität gut rückverfolgen lässt, sowie auf Wearable Devices, die die Motivation steigern sollen und Telemedizin, die bei der Pflege von Menschen unterstützt, wenn persönliche Termine schwierig oder unmöglich sind.
Nikolaus McFarland (University of Florida) folgte darauf mit seinem Vortrag über leichte kognitive Beeinträchtigung (engl.: mild cognitive impairment, MCI) und Demenz bei Huntington-Patienten, die Bewegungssymptome zeigen. McFarland und sein Team untersuchten Patientendaten aus der ENROLL-HD-Studie. Sie fanden heraus, dass MCI und Demenz recht weit verbreitet bei Betroffenen sind, bei denen auch Bewegungssymptome beobachtet werden. MCI zeigt sich meist schwerwiegender bei Patienten mit einer höheren CAG-Anzahl. Das Verständnis der Symptome über alle Stadien der Krankheit hinweg ist für behandelnde Ärzte und zuständige Pfleger sehr wichtig.
Für die nächste Präsentation taten sich vier Profis aus dem Gesundheitsbereich zusammen, die Erfahrungen mit der Huntington-Krankheit haben. Ein Sozialarbeiter, ein Psychologe und zwei Neurologen gaben einen Überblick über häufige Verhaltensänderungen im Laufe von Huntington. Es handelt sich dabei um sehr frühe veränderungen, die zu kennen wichtig für das behandelnde Personal und für die Angehörigen ist, sodass sie eine geeignete Unterstützung bieten können. Die Informationen aus den Erfahrungsberichten sind insbesondere für Gesundheitspersonal von Interesse, dass eher selten mit Huntington-Patienten zu tun hat.
Am Nachmittag bot die Konferenz wieder einen Überblick über aktuelle klinische Studien: eine Reihe kurzer Präsentationen von Pharmafirmen, die bereits Medikamente am Menschen testen oder vor haben dies zu tun.
Michael Hayden (University of British Columbia) sprach über die PROOF-HD-Studie, die von einer neuen Firma namens Prilenia durchgeführt werden soll. Hier soll das Potential von Pridopidine als Behandlung von Huntington eruiert werden. Fühere Studien zu Pridopidine zeigten enttäuschende Ergebnisse. Da allerdings bei einigen Patienten Anzeichen für Verbesserungen bei Alltagstätigkeiten festgestellt wurden, will Prilenia nun mit PROOF-HD eine größere Studie zu dem Medikament durchführen. Diese Phase-III-Studie schließt mehr Patienten (etwa 500) mit ein, die sich an einem früheren Zeitpunkt in ihrem Krankheitsverlauf befinden. Sie sollen das Medikament ein Jahr lang nehmen, in der Hoffnung, dass bessere Ergebnisse erzielt werden können.
Wave Life Sciences hat die Studien PRECISION-HD1 und PRECISION-HD2 durchgeführt, die zwei ASO-Medikamente hinsichtlich deren Fähigkeit der Verminderung des mutierten Huntingtin-Eiweißes bewerten sollen. Die gewöhnliche Form des Huntingtins wird hier nicht beeinflusst. Die Medikamente wurden bisher gut vertragen und es wurden Reduzierungen des Huntingtin-Niveaus festgestellt. Wave fügte daraufhin noch eine Kohorte zu den Studien hinzu, die eine höhere Dosis erhält. Es soll weiterhin zukünftig noch ein drittes Medikament dieser Art getestet werden, da die bisherigen zwei nicht für alle Huntington-Patienten anwendbar sind. So strebt Wave eine Behandlung für etwa 80% aller Betroffenen an.
uniQure zeigte ein Update zu ihrer HD-GeneTRX-1-Studie, in der ihr Medikament AMT-130 getestet wird. Es handelt sich dabei um eine Gentherapie gegen Huntington, die einmalig in einer Gehirn-OP injiziert wird und zur Huntingtin-Verminderung im Gehirn führen soll. Sie gehen sehr vorsichtig vor, denn es handelt sich um die erste klinische Studie dieser Art. Die ersten beiden Patienten wurden im Juni 2020 auf die geplante Weise behandelt und es gab keine Komplikationen, sodass man im Oktober 2020 mit den nächsten beiden weiter machte. Insgesamt nehmen etwa 26 Patienten aus den USA an der Studie teil.
Annexon Biosciences arbeitet an Wirkstoffen, die auf Proteine spezialisiert sind, die Verbindungen zwischen Neuronen entfernen. Das Entfernen der Verbindungen, das “synaptische Stutzen” ist sehr wichtig während der Entwicklung des Gehirns, bei Krankheiten wie Huntington tritt es im Erwachsenenalter aber in zu aktiver Form auf. Das Medikament ANX005 soll dieses Stutzen verlangsamen, um mehr Zellen am Leben zu erhalten. Es wurde bereits erfolgreich an Menschen mit einer Nervenkrankheit namens Guillain-Barré-Syndrom getestet. Derzeit führt Annexon Biosciences eine Phase-I-Studie mit 24 Teilnehmern durch, um herauszufinden, ob ANX005 auch bei Huntington-Patienten sicher und gut verträglich ist.
Neurocrine Biosciences führt gerade die KINECT-HD-Studie durch, um die Effektivität des Wirkstoffes Valbenazin gegen die Überbeweglichkeit bei der Huntington-Krankheit zu erproben. Das Medikament ist bereits für Patienten mit tardiver Dyskinesie zugelassen, die ähnlich wie Huntington-Patienten an ungewollten Bewegungen des Gesichtes und der Gliedmaßen leiden. KINECT-HD ist eine 14-wöchige Studie, an der 120 Patienten im Alter von 18 bis 75 teilnehmen sollen. Nach Abschluss der Studie können die Teilnehmer mit KINECT-HD2 fortfahren, eine offene Studie, bei der alle Teilenehmenden dann das Medikament erhalten und über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet werden.
Roche gab ein kurzes Update zur Phase-III-Studie GENERATION-HD1, in der ein Huntingtin-Verminderungs-Medikament namens Tominersen getestet wird. Es wurden bereits alle Teilnehmer rekrutiert, insgesamt fast 800 an über 100 Studienzentren in 18 Ländern. Diese großangelegte Studie soll über die Sicherheit, Dosis und ganz zentral über die Wirksamkeit von Tominersen gegen Fortschreiten und Verlauf von Huntington Auskunft geben. Die Ergebnisse werden im Jahr 2022 erwartet. Roche teilte auch Ergebnisse aus der offenen Verlängerungsstudie der Phase-II mit, in welcher Teilnehmende das Medikament Tominersen monatlich oder jeden zweiten Monat für ein Jahr lang verabreicht bekamen. Roche stellte hier fest, dass die reduzierte Häufigkeit der Lumbalpunktion besser vertragen wurde und dennoch zu einer signifikanten Reduzierung von Huntingtin führte.
Azevan Pharamceuticals zeigte Daten und Zukunftspläne in Bezug auf ihren Wirkstoff SRX246. Sie untersuchen, ob das Medikament hilfreich sein kann für Huntington-Patienten, die häufig unter starker Reizbarkeit und Aggression leiden. Azevan hat dazu eine Phase-II-Studie namens STAIR durchgeführt, in der festgestellt wurde, dass SRX246 gut verträglich war und bei Huntington-Patienten die Anzahl der Aggressionsanfälle verringert hat. Gerade bereiten sie eine größere Phase-III-Studie vor. Es handelt sich dabei um das erste Medikament, dass sich speziell einem Verhaltenssymptom der Huntington-Krankheit annimmt.
Novartis zeigte Daten zu Branaplam und Details zu ihrem Plan, diese Substanz an Huntington-Patienten zu testen. Branaplam wurde für eine genetische Krankheit entwickelt, die im Kindesalter ausbricht, die spinale Muskelatrophie. Es zeigte sich allerdings in Novartis’ Studien dazu auch, dass das Medikament die Menge an Huntingtin bei den Testpersonen verringerte. Daher hat Novartis im Anschluss Versuche mit Huntington-Mäusen und an Zellkulturen durchgeführt, da sich auch hier Erfolge zeigten, starteten sie mit einer kleinen Sicherheitsstudie an gesunden Erwachsenen. Bisher war die Behandlung gut verträglich und Novartis plant eine Phase-IIb-Studie in 2021 an Huntington-Patienten im Alter von 25-75 Jahren, die bereits frühe Symptome der Krankheit entwickelt haben. Branaplam wird oral verabreicht, was die Aussicht einer regelmäßigen Einnahme angenehmer macht als beispielsweise eine Lumbalpunktion. HDBuzz veröffentlichte kürzlich einen Artikel zu den Plänen von Novartis..
Im Anschluss sprach Dr. Lauren Seeberger aus Colorado von einer Wissenschaftsinitiative namens HD-NET, bei der es sich um eine Umfrage im Jahr 2020 in der Huntington-Pflege in den Vereinigten Staaten handelt. Eine Gruppe von Ärzten, Forschern und Patientensprechern haben die Studie entworfen, um die vorherrschenden Schwierigkeiten in Pflege und Forschung zu identifizieren. Mittels Telefoninterviews mit Huntington-Experten und Leihen gleichermaßen sollen neue Möglichkeiten gefunden werden, Herausforderungen in der Huntington-Gemeinschaft anzugehen, so zum Beispiel finanzielle Fragen, mangelhafte Ausbildung von behandelnden Ärzten und Langzeitpflege.
In einer bewegenden Präsentation zum Abschluss von Tag 2 erzählte Dr. Ignacio Muñoz-Sanjuan, ein Neurowissenschaftler von der CHDI-Stiftung, über seine Arbeit als Vorsitzender von FACTOR-H. Es handelt sich um eine Organisation, die daran arbeitet, das Leiden in von Armut betroffenen Regionen in Südamerika zu lindern, wo viele Menschen von der Huntington-Krankheit betroffen sind. In ergreifenden Aufnahmen von Familien und Einzelpersonen in Venezuela und Kolumbien zeigte er die sozialen Auswirkungen der Krankheit mit dem Hintergrund extremer Armut. Er betonte, dass die Hilfe für Huntington-Patienten weit über die Entwicklung von Medikamenten hinaus geht. FACTOR-H arbeitet mit Menschen vor Ort um Grundbedürfnisse zu stillen und Medikamente zur Verfügung zu stellen. So soll an einer neuen Generation von selbstständigen und selbstbewussten Jugendlichen gearbeitet werden, die das Risiko der Huntington-Krankheit in sich tragen.
Wir danken Ihnen für Ihr Interesse.