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Neues von der EHDN-Plenarversammlung 2020
Unsere Zusammenfassung der EHDN-Plenarversammliung 2020
Von Dr Rachel Harding 18. Oktober 2020 Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 6. Oktober 2020
Vergangenen September veranstaltete das European Huntington’s Disease Network (EHDN) ein virtuelles Treffen mit Präsentationen der neuesten wissenschaftlichen Forschung und Statusmeldungen aus den aktuellen klinischen Studien zur Huntington-Krankheit. Forscher, Ärzte, Patienten und Interessierte konnten sich einwählen, um sich einen Nachmittag lang in englischer Sprache zu informieren oder Fragen zu stellen und sich über die kürzlichen Enticklungen in der Huntington-Forschung auszutauschen.
Die wissenschaftlichen Vorträge
Lesley Jones von der University of Cardiff in Wales hielt den ersten Vortrag, der sich mit Huntington-Forschung aus verschiedenen Labors und Gruppen auf der ganzen Welt befasste.
Frederic Saudou von INSERM in Frankreich folgte mit einer Präsentation zu den Funktionen des Huntingtin-Eiweißes. Dieses wird durch das Huntington-Gen produziert und ist bei Huntington-Patienten mutiert. Es handelt sich um eines der größten Eiweißmoleküle in unserem Körper und es verbindet sich mit vielen anderen Proteinen in der Zelle, wodurch es nicht leicht ist, es zu erforschen. Saudou’s Labor interessiert sich für die Rolle des Huntingtins beim Transport von kleinen Bläschen namens Vesikel in Nervenzellen. Es handelt sich dabei um einen kritischen Vorgang für die Funktion des Gehirns. Mit der sogenannten “Gehirn-auf-einem-Chip”-Technologie, können sie beobachten, wie sich die Vesikelbewegungen bei Huntington-Patienten verändern. Sie können auch erforschen, wie Gehirnzellen sich untereinander austauschen.
Als Nächster präsentierte Darren Monckton von der University of Glasgow in Schottland ein Update aus der Forschung seiner Arbeitsgruppe zu somatischer Expansion. Wie wir hier kürzlich berichteten, wird die somatische Verlängerung des Huntington-Gens mit der Schwere der Krankheit in Verbindung gebracht. Eine steigende Anzahl von CAG-Wiederholungen in bestimmten Zellen und Gewebetypen kann zu einem früheren Ausbruch von Symptomen führen. Wissenschaftler haben weiterhin herausgefunden, dass kleine Abweichungen in den Genen, die für die DNA-Reparatur zuständig sind, den Grad der somatischen Expansion beeinflussen können. Hierbei beruft man sich auf Studiendaten des gesamten Genoms, die zeigen, dass kleine Veränderungen in den DNA-Reparaturgenen einem früheren Ausbruch von Huntington-Symptomen hervorrufen können. Den genauen Mechanismus dahinter zu verstehen, könnte viele Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Therapien gegen die Huntington-Krankheit bieten.
Hilal Lashuel von EPFL in der Schweiz zeigte daraufhin neue Erkenntnisse aus seinem Labor, die sich auf ein Gen namens TBK1 bei der Huntington-Krankheit beziehen. TBK1 ist in der Lage, das Huntingtin-Eiweiß mit einer speziellen Markierung zu versehen, man spricht von Phosphorylierung. Solange diese Markierung durchgeführt wird, konnte man in Huntington-Labormodellen beobachten, dass Nervenzellen höhere Überlebenschancen haben. Wohingegen die fehlende Markierung zu geringeren Chancen führt. Eine gezielte Aktivierung des TBK1-Gens könnte daher eine neue Art der Behandlung der Huntington-Krankheit darstellen.
Abschließend für die Vorträge aus der Grundlagenforschung, sprach George McAllister von der CHDI-Foundation in den USA über vielversprechende, neue orale Therapien der Huntingtin-Verminderung. Es gibt zwar noch keine klinischen Studien, allerdings beschäftigen sich gleich mehrere Unternehmen, unter ihnen Novartis und PTC, mit diesem Ansatz, der es später möglich machen soll, Medikamente gegen die Huntington-Krankheit in tablettenform einnehmen zu können. So sollen Lumbalpunktionen oder gar Injektionen direkt in das Gehirn, die aktuell die verwendeten Methoden bei klinischen Studien darstellen, vermieden werden. Dadurch wird das Einnehmen der Medizin nicht nur viel leichter, sondern es kann auch gleich der ganze Körper damit versorgt werden. So wird zusätzlich die Kontrolle der Wirksamkeit des Medikamentes - beispielsweise durch Blutentnahme - vereinfacht. Ziel ist es, den Effekt der Wirkstoffe umkehrbar zu gestalten, sodass ein Abbruch der Therapie möglich ist. Natürlich müssen hier viele Faktoren beachtet werden: ist es angemessen, den gesamten Körper zu behandeln oder könnte dies zu unerwünschten Nebenwirkungen führen? Sowohl präklinische als auch klinische Studien müssen folgen, die hoffentlich Antworten auf diese Fragen geben können und freilich wird HDBuzz darüber berichten.
Neues aus Medikamenten- und Beobachtungsstudien
Jean-Marc Burgunder von der Universität Bern moderierte den zweiten Teil des Nachmittags, der sich mit laufenden klinischen Studien zur Huntington-Krankheit befasste.
Den ersten Vortrag in diesem Teil hielt Sarah Tabrizi vom University College London. Sie gab Einblicke in die offene Verlängerung der Tominersen-Studie, dem Huntington-Medikament, das von Roche entwickelt wird. Bei dieser offenen Verlängerung der Phase-I-Verträglichkeitsstudie, wird die Langzeitsicherheit des Medikamentes mithilfe einer kleinen Gruppe an prä-manifesten Huntington-Patienten über einen Zeitraum von 15 Monaten hinweg ausgewertet. In der Phase-I-Studie selbst wurde damals unter anderem festgestellt, dass eine Verabreichnung von Tominersen nur alle zwei Monate immernoch zu einer ausreichenden Verringerung von Huntingtin führt und dass es in diesem Rhythmus gleichzeitig zu weniger unerwünschten Nebeneffekten kommt. Daher ist die Folgestudie GENERATION HD1, die die Wirksamkeit von Tominersen zeigen soll, nun von vornherein auf eine Lumbalpunktion alle 8 Wochen ausgelegt worden. Man weiß bereits, dass das Medikament zur Huntingtin-Verminderung in der Lage ist, was in den Kliniken bisher über das Nervenwasser als Annäherung für die tatsächliche Konzentration im Gehirn, messbar ist. Die offene Frage ist, ob sich dadurch auch die Symptome der Huntington-Patienten verbessern. Die Aufnahme von Freiwilligen für die Studie GENERATION HD1 ist bereits abgeschlossen und wir alle sind den 791 Huntington-Patienten weltweit dankbar, die sich für die Teilnahme an dieser ausschlaggebenden Studie bereiterklärt haben. In der derzeitigen Covid-19-Pandemie, meldet Roche, dass hart daran gearbeitet wird, jegliche Aufschübe zu vermeiden, während gleichzeitig vermehrt auf die Sicherheit von Klinikpersonal und Huntington-Familien geachtet wird.
Als Zweite berichtete Anna Heinzmann (ICM Institut du Cerveau, Frankreich) vom letzten Stand der PRECISION-HD-Studie. Dabei handelt es sich um eine weitere Huntingtin-Verminderungsstudie, die von der Firma Wave durchgeführt wird. Wave’s Ansatz ist die gezielte Absenkung der Konzentration des mutierten Huntingtin-Eiweißes im Gehirn, während die gewöhnliche (wilde) Form des Huntingtins erhalten bleibt. Es könnte sich dabei um die bevorzugte Herangehensweise handeln, allerdings kommt diese Behandlung derzeit nur für etwa 2/3 aller Huntington-Patienten in Frage, denn sie benötigt einen speziellen Code in der mRNA, den das Medikament finden kann, um dadurch gezielt die mutierte Form der mRNA anzusteuern. Wave konnte bereits die Sicherheit ihrer Methode feststellen und plant für das erste Quartal 2021 die Herausgabe von Neuigkeiten zur Wirksamkeit desselben.
Daraufhin gab es eine Präsentation zur “SHIELD HD” Beobachtungsstudie, die von der Firma Triplet Therapeutics durchgeführt wird. Hierzu erklärte Anne Rosser von der University of Cardiff, Wales, die Bedeutung der Studie für die Konzeption künftiger klinischer Studien, die sich mit der DNA-Reparatur beschäftigen sollen. Triplet konnte in Huntington-Mausmodellen zeigen, dass die Reduzierung bestimmter DNA-Reparatureiweiße, die somatische Verlängerung des mutierten Huntington-Gens unterbinden kann. Über die somatische Verlängerung möchte Triplet mit dieser Methode auch die der Huntington-Krankheit zugrundeliegende Pathologie treffen. Die derzeitige Beobachtungsstudie wird von Triplet durchgeführt, um das Design künftiger klinischer Studien zu ihren Wirkstoffen zu ermöglichen und die besten Möglichkeiten der Messung der Wirksamkeit auszuloten. Die teilnehmenden Huntington-Patienten werden zwei Jahre lang mithilfe verschiedener Methoden untersucht, so werden Daten and Proben gesammelt, deren Auswertung zur Erreichung des Ziels führen soll.
Prof. Landwehrmeyer von der Universität Ulm war danach an der Reihe und sprach über “PROOF HD”, eine Studie, die das Potential des Medikamentes Pridopidin als Behandlung für die Huntington-Krankheit auswerten soll. Pridopidin kann die Dopaminsignalfunktion in Nervenzellen beeinflussen und wurde bereits in klinischen Studien an Huntington-Patienten getestet. Die bisherigen Studien brachten zwar enttäuschende Ergebnisse, aber in der neuen Studie soll durch einen Behandlungszeitpunkt im frühen Krankheitsstadium und durch einen längeren Behandlungszeitraum evaluiert werden, ob bessere Ergebnisse erzielt werden können.
Dr. Ralf Reilmann vom George-Huntington-Institut in Münster zeigte das Neueste zur Uniqure-AAV-Gentherapie, die wie die beiden vorangegangenen eine Huntingtin-Verminderungstherapie ist. Mit dem Medikament AMT-130, das Uniqure bei einer einmaligen Operation direkt ins Gehirn injiziert, wird die DNA unumkehrbar verändert und die Produktion von Huntingtin unterbunden. Die Forscher haben bereits erfolgreich gezeigt, dass die Behandlung bei Tiermodellen wie Ratten, Schweinen und Affen sicher ist und das Huntingtin-Niveau effektiv verringert. Die laufende AMT-130-01-Studie überträgt die Erfahrungen nun auf den Menschen und soll hier nun auch die Sicherheit und Wirksamkeit überprüfen. 26 Patienten werden die Behandlung erhalten und in Huntington-Kliniken weltweit genau beobachtet werden. Derzeit werden noch Teilnehmende in den USA aufgenommen.
Anne-Catherine Bachoud-Levi von INSERM in Frankreich folgte darauf mit einer Präsentation zur klinischen Studie “MIG HD”. Die Studie untersuchte den Einsatz von Stammzellen zur Behandlung der Huntington-Krankheit und lief über mehr als ein Jahrzehnt. Leider konnte die Huntington-Krankheit nicht erfolgreich behandelt werden. Aber die Forscher konnten zumindest viel über die besten Verfahrensweisen zur Stammzellentransplantation lernen. Seit der Beendigung der Studie gab es große Durchbrüche was unser Verständnis von Stammzellen angeht. Bachoud-Levi und ihr team hoffen, dass neue Stammzelltherapien eventuell in der Zukunft in der Lage sind, Huntington-Patienten zu helfen.
Der letzte Vortrag des Tages kam von Hugh Rickards von der University of Birmingham, England. Er erzählte vom “Huntington’s equal access to effective drugs (HEATED)”-Programm. Einem Programm also, dass einen gleichberechtigten Zugang aller zu wirkungsvollen Medikamenten in der Zukunft sicherstellen soll. Da die Anzahl der vielversprechenden Behandlungsansätze in klinischen Studien zunimmt, steigt auch die Erwartung, dass es tatsächlich zur Zulassung von Huntington-Medikamenten kommen könnte. Allerdings ist es recht wahrscheinlich, dass solche Medikamente sehr teuer sein werden, sodass sie sich nicht alle Huntington-Patienten werden leisten können. Rickards wertet die Herausforderungen bei der Verfügbarkeit und Leistbarkeit solcher Medikamente aus, um feststellen zu können, wie möglichst vielen Patienten der Zugang zu ihnen ermöglicht werden kann, sobald sie vorhanden sind.
Online Abrufen
In englischer Sprache lassen sich die Vorträge noch jederzeit auf der Seite der EHDN anschauen. Weiterhin finden sich auf englisch alle laufenden klinischen Studien auf der Website HD Trial Finder.