Von Carly Desmond Übersetzt von Christiane Reick Bearbeitet von Dr Jeff Carroll

Neueste Arbeiten deuten darauf hin, dass aus Stammzellen generierte Neurone, erwachsene Neurone besser als erwartet ersetzten können - zumindest in Mausgehirnen, die durch ein Toxin geschädigt wurden. Wie wahrscheinlich ist es, dass dies auch HK Patienten helfen kann? Ist Zellersatz auch unter chronischen Bedingungen möglich?

Die Huntington Erkrankung und der Verlust von Gehirnzellen

Die Huntington Erkrankung wird durch Neurodegeneration, oder dem Verlust von Gehirnzellen, sogenannte Neuronen, verursacht. Früh in der HK sind vor allem Neurone in einem Bereich des Gehirns, dem Striatum von diesem Zellverlust betroffen. Innerhalb des Striatum ist ein Typ von Neuronen am Meisten für die Neurodegeneration empfänglich, die sogenannten mittelgroßen bedornten Neurone. Diese Neurone machen bis zu 96% des Striatums aus, sie zu verlieren, ist eine schlechte Nachricht für diese Gehirnregion.

In einer Kulturschale gewachsene humane embryonale Stammzellen
In einer Kulturschale gewachsene humane embryonale Stammzellen
Quelle: PNAS

Die Symptomatik der Huntington Erkrankung spiegelt dieses charakteristische Muster an Zellverlust wieder. Das Striatum hilft unsere Körperbewegungen und Emotionen sowie das Ausüben kognitiver Funktionen, wie zum Beispiel Lernen, Multi-Tasking oder Problemlösung zu kontrollieren. Das sind alles Bereiche, von denen berichtet wird, dass sie bei Huntington Patienten betroffen sind.

Die Problematik von neurodegenerativen Erkrankungen wie der HK besteht darin, dass gefährdete Neuronen wie die mittelgroß bedornten Neurone nicht mehr nachwachsen wenn sie einmal verloren sind. Soweit wir es derzeit verstehen, wenn sie einmal weg sind, sind sie weg.

Das Gehirn kann mit diesem Verlust umgehen

Die TRACK-HD Studie, unter der Führung von Professor Sarah Tabrizi, verwendete MRT Bilder um einen erkennbaren Verlust an Gehirngewebe bereits im frühen Verlauf der Erkrankung aufzudecken. Dieser fortschreitende Neuronenverlust ist bereits sichtbar, bevor Patienten über Symptome berichten.

Auf der einen Seite sind dies schlechte Nachrichten - Die Gehirne von HK Mutationsträgern schrumpfen bereits bevor diese Symptome wahrnehmen, die wir HK nennen. Aber von einer anderen Seite betrachtet ist dies sehr Hoffnungsvoll - trotz der Tatsache, dass die meisten Neurone sich nicht regenerieren können, besitzt das Gehirn dennoch eine beeindruckende Flexibilität dies zu kompensieren und die normale Funktion zu erhalten.

Da die Degeneration der mittelgroß bedornten Neurone im Striatum für die Symptome der Huntington Erkrankung verantwortlich ist, könnte ein Behandlungsansatz das Ersetzten von bereits verlorener Neuronen sein.

Zellersatz in Erkrankungen des Gehirns

Obwohl es sich ein bisschen nach Science Fiction anhört, scheint es realisierbarer zu sein als man einst gedacht hat. Für die Behandlung der Parkinson Erkrankung wurde dieses Verfahren mit mittelmäßigem Erfolg bereits angewandt.

Die Parkinson Erkrankung wird durch Degeneration einer kleinen aber wichtigen Gruppe an Neuronen ausgelöst, die eine Gehirnchemikalie namens ‘Dopamin’ produzieren. Der Verlust dieser Zellen verursacht Tremor (Zittern), Steifheit und schlechte Koordination.

In klinischen Studien wurden Zellen aus fötalem Gewebe in die Gehirne von Parkinson Patienten transplantiert, was - in einigen Fällen - zu deutlichen Verbesserung der Bewegungsstörungen und der allgemeinen Gesundheit führte.

Im Vergleich zur Huntington Erkrankung ist es relativ einfach die Parkinson Erkrankung mit Zellersatztherapie zu behandeln. Da der Verlust an Dopamin in Parkinson Gehirnen die Symptome verursacht, muss man die Dopaminquelle ersetzen, um die Erkrankung zu behandeln. Um einen positiven Effekt zu haben, müssen die transplantierten Zellen nur in der Lage sein zu wachsen und Dopamin auszuschütten.

Unglücklicherweise ist dies in der Huntington Erkrankung nicht der Fall. Die mittelgroß bedornten Neurone haben viele komplexe Verbindungen mit anderen Neuronen des Gehirns. Die mittelgroß bedornten Neurone werden sowohl für das Empfangen von Informationen aus diesen Gehirnregionen, als auch für deren Weiterleitung benötigt.

… allerdings ist die Behandlung von Parkinson mittels Zellersatztherapie relativ einfach, im Vergleich zu Huntington Erkrankung

Da die Ausbildung dieser Verbindungen bereits während unserer Entwicklung im Mutterleib beginnen und lebenslang anhalten, ist es nicht überraschend, dass dieser Prozess sehr kompliziert ist.

Damit würden wir nicht erwarten, dass das Ersetzen von mittelgroß bedornten Neuronen, den zerstörerischen Effekt der Huntington Erkrankung repariert, da es unwahrscheinlich erscheint, dass diese Ersatzzellen die spezifischen Verbindungen mit anderen Zellen im Gehirn wieder ausbilden können.

Machbarkeitsnachweis im Mausgehirn

Interessiert daran, die Idee des Zellersatz zu testen, injizierte ein Team an der Universität Wisconsin, unter der Leitung von Su-Chun Zhang, Ersatzzellen in Mäuse, deren Striatum geschädigt wurde. Sie fanden heraus, dass diese Zellen in der Lage sind neue Verbindungen im Gehirn erwachsener Mäuse zu formen und noch wichtiger, dass diese Verbindungen die Bewegungsstörungen im Mausmodell verbessern können.

Die, in die Mausgehirne transplantierten Zellen wurden aus menschlichen embryonalen Stammzellen generiert. Die humanen Stammzellen wurden aus Embryonen des Frühstadiums gewonnen, welche nach künstlicher Befruchtung (IVF) übrig geblieben waren. Diese Zelle können sich in jeden Zelltyp des menschlichen Körpers entwickeln, Neurone und andere Gehirnzellen eingeschlossen.

Der Vorteil von embryonalen Stammzellen im Vergleich zu Neuronen, die aus fetalem Gewebe gewonnen werden, besteht darin, dass die Stammzellen die Fähigkeit haben sich kontinuierlich zu regenerieren und so eine stetige Quelle für Gewebe darstellen.

Sonic Hedehog: Das Geheimnis der mittelgroß bedornten Neuronen?

Zelltypen unterscheiden sich durch die Ansammlung von Proteinen, die sie produzieren von anderen Zelltypen. Diese ermöglichen ihnen verschiedenste Formen und Funktionen zu übernehmen.

Zum Beispiel hat ein Neuron, welches Impulse übermittelt, die uns ermöglichen zu Denken und uns zu Bewegen, eine ganz andere Rolle im Körper, als eine Zelle die unseren Darm auskleidet und Nährstoffe aufnimmt. Um aus einer Stammzelle ein Neuron zu machen benötigt man sogenannte Transkriptionsfaktoren,die die Stammzelle mit der Zeit immer spezialisierter machen. Transkriptionsfaktoren schalten einige Gene an, während sie andere Gene ausschalten können.

Zhang´s Team behandelte die humanen embryonalen Stammzellen mit einem Transkriptionsfaktor namens ‘Sonic Hedgehog’ oder mit einem Stoff, der dessen Effekte nachahmt und triggerten so die Verwandlung dieser Zellen in Neurone. Diese von Menschen gemachten Neurone sahen wie die reifen mittelgroßen bedornten Neurone aus - die spezifischen Zellen, die früh in der Huntington Erkrankung verloren gehen.

Ersetzen von Neuronen im Mausgehirn

In der Vergangenheit, bevor der genetische Bezug der Huntington Erkrankung verstanden war, entwickelten die Wissenschaftler die Erkrankung in Mäusen durch Gabe eines Neurotoxins, der Quinolinsäure.

Überall Dornen... Ein Transkriptionsfaktor namens 'Sonic Hedgehog' bewirkt die Entwicklung von Stammzellen in mittelgroße bedornte Neurone
Überall Dornen… Ein Transkriptionsfaktor namens ‘Sonic Hedgehog’ bewirkt die Entwicklung von Stammzellen in mittelgroße bedornte Neurone

Eine Behandlung mit Quinolinsäure verursacht keine Huntington Erkrankung, aber es verursacht den Tod der mittelgroßen bedornten Neurone, was auch in der HK passiert.

Heutzutage sind die Mausmodelle viel fortschrittlicher- sie tragen eine CAG Wiederholungsmutation im Huntingtin Gen der Maus oder besitzen eine extra Kopie des mutierten Huntingtin Gens. Diese genetischen Mausmodelle haben physische und Verhaltenssymptome ähnlich der echten Erkrankung.

In ihrer aktuellsten Arbeit benützte die Zhang Gruppe Quinolinsäure um den Zellverlust bei der Huntington Erkrankung nachzuahmen und ersetzten dann die verlorenen Zellen durch Injektion eine Injektion von mittelgroßen bedornten Neuronen, die aus humanen embryonalen Stammzellen generiert wurden.

Als sie heraus fanden, das diese neu ausgebildeten Neurone im Gehirn der Mäuse wuchsen und in der Lage waren die richtigen Verbindungen zum umgebenden Gewebe auszubilden, waren sie sehr glücklich. Als die Bewegungsfunktionen der Mäuse getestet wurden, zeigten diese eine leichte Verbesserung der Symptome.

Hoffnungen und Grenzen

Diese Arbeit macht Hoffnung, da sie nahelegt, dass diese transplantierten Neurone in der Lage sind mehr funktionierende Verbindungen auszubilden als ursprünglich vorhergesagt. Das heißt, die auf Zellen basierende Therapie der Huntington Erkrankung könnte eine echte Möglichkeit für die Zukunft sein.

Allerdings muss erwähnt werden, dass in dieser Studie das Quinolinsäure Mausmodell verwendet wurde, bei dem die nicht betroffenen Neurone gesund sind. In einem echten HK-betroffenen Gehirn ist das nicht der Fall. Die Ausbildung von gesunden Verbindungen könnte bei HK Patienten schwieriger sein.

Außerdem wurden die Mäuse dieser Studie mit Strahlung behandelt, um das Immunsystem auszuschalten, damit diese Mäuse das transplantierte Gewebe nicht abstoßen können. Obwohl unser Gehirn normalerweise von unserem Immunsystem beschützt wird, besteht immer ein Risiko der Abstoßung des transplantieren Gewebes nach Operation. Wenn dies in Patienten versucht würde, müssen sie Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, nehmen und wären so der Gefahr von Infektionen ausgesetzt.

Bei der Zell-basierten Therapie, vor allem wenn aus Stammzellen generiertes Gewebe verwendet wird, besteht das Risiko von unkontrolliertem Zellwachstum- was in einer Krebserkrankung enden könnte. Die eigentliche Frage ist, wie stoppen wir das Zellwachstum der transplantierten Zellen, wenn sie die toten Zellen ersetzt haben.

Klar ist, dass Zellersatzbehandlungen noch weiterentwickelt werden müssen, bevor irgendwelche klinischen Versuche stattfinden können. Diese neue Arbeit deutet darauf hin, dass neue Neurone viel flexibler sein können als wir im Vorfeld dachten.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...