Von Deepti Babu Übersetzt von Laura Emily Clemens Bearbeitet von Professor Ed Wild

Wir wissen alle, dass körperliche Betätigung und Aktivität gut für uns ist, ob wir nun zur Risikogruppe der Huntington-Erkrankung gehören oder nicht. Eine neue Studie über die Lebensgewohnheiten von Huntington-Mutationsträgern legt nahe, dass es für diese Menschen noch wichtiger ist, aktiv zu bleiben und dass passive Gewohnheiten – besonders während der Teenagerzeit – ein Faktor sein könnte, der ein früheres Eintreten der Krankheitssymptome verursacht.

Gene, Umwelt und Aktivität

Die Symptome von Huntington treten normalerweise zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr des Patienten in Erscheinung, was zu einem gewissen Teil von der Länge der abnormen CAG-Wiederholungen im Huntingtin-Gen abhängt. Je mehr Wiederholungen vorhanden sind, desto früher entwickeln sich tendenzielle Krankheitssymptome. Wann die Symptome tatsächlich einsetzen, variiert allerdings von Person zu Person. Es gibt Hinweise darauf, dass etwa 40 % dieser Variabilität zwischen den Patienten durch andere genetische Faktoren und etwa 60 % durch unbekannte Einflüsse aus dem Leben der Patienten oder ihrer Umgebung - den sogenannten Umweltfaktoren - bedingt sind.

Ein passiver Lebensstil mit geringer Aktivität könnte zu früherem Einsetzen der Krankheitssymptome bei Huntington führen
Ein passiver Lebensstil mit geringer Aktivität könnte zu früherem Einsetzen der Krankheitssymptome bei Huntington führen

Wissenschaftliche Befunde deuten darauf hin, dass Umweltfaktoren wie Bildung, Beruf und Freizeitaktivitäten einen Einfluss auf andere Erkrankungen des Nervensystems wie Alzheimer oder Parkinson haben können. An einem Huntington-Mausmodell konnten Wissenschaftler zeigen, dass die Bereicherung der Umwelt (engl. environmental enrichment) - d.h. das Bereitstellen stimulierender Umweltbedingungen, wie zum Beispiel Klettermöglichkeiten - das Eintreten der Krankheitssymptome verzögert und den Verlauf der Erkrankung verlangsamt.

Könnte dies auch beim Menschen der Fall sein? Eine Forschergruppe aus Neuseeland hat versucht, dies herauszufinden.

Die Wissenschaftler untersuchten 154 erwachsene Huntington-Patienten, die bereits Krankheitssymptome zeigten. Die Länge der CAG-Wiederholungen war bekannt. Jeder Teilnehmer musste einen Fragebogen über seine Freizeitaktivitäten zu unterschiedlichen Alterszeitpunkten vor Eintritt der Krankheitssymptome ausfüllen. Die Freizeitaktivitäten wurden unterteilt in körperliche (wie Laufen, Joggen oder Gartenarbeit), geistige (wie Lesen, Zeichnen oder Gesellschaftsspiele) und passive Beschäftigungen (wie Musik hören, Fernsehen oder Telefonieren).

Außerdem wurde mit den Teilnehmern ein Gespräch geführt, häufig im Beisein eines Familienangehörigen. Die Gespräche wurden immer von demselben Wissenschaftler geführt und dieser wusste nicht, wieviele CAG-Wiederholungen die Teilnehmer haben.

Welche Ergebnisse haben die Forscher erhalten?

Als erstes bestätigten die Forscher, was wir bereits wissen, nämlich dass die Symptome der Chorea Huntington im Durchschnitt früher auftreten, wenn eine betroffene Person mehr CAG-Wiederholungen besitzt. Dieser Faktor war in etwa 50 % der Fälle für die Unterschiede im Ausbruchsalter der Krankheitssymptome verantwortlich.

Die Krankheitssymptome brachen bei Menschen früher aus, die mehr Zeit mit passiven Tätigkeiten verbracht haben.

Und hier kommt die neue Information: Die Krankheitssymptome waren früher aufgetreten, wenn sich der entsprechende Patient mehr passiv beschäftigt hatte. Dabei schien es keine Rolle zu spielen, ob die passiven Tätigkeiten zu den Freizeitaktivitäten, zu den Nicht-Freizeitaktivitäten oder einer Kombination aus beiden gehörten. Interessanterweise zeigten geistige und körperliche Aktivitäten keinen signifikanten Einfluss auf das Alter, in dem die Krankheitssymptome ausbrachen. Das durchschnittliche Maß an Passivität im Leben einer Person schien ebenfalls ein ziemlich gutes Anzeichen für das Einsetzen der Krankheitssymptome zu sein.

Die Forscher fragten sich dann, ob die Zeitwahl der Aktivität das Einsetzen der Symptome beeinflusste. Sie fanden heraus, dass der beste Anzeiger für das Einsetzen der Krankheit passive Gewohnheiten im Teenager-Alter waren. Mit anderen Worten, der Lebensstil, den eine Person während der Teenager-Zeit an den Tag legt, hat potenziell den größten Einfluss auf das Ausbruchsalter von Krankheitssymptomen bei Chorea Huntington.

Zum Schluss überlegten die Forscher, ob womöglich die Länge der CAG-Wiederholungen direkt mit dem Maß an Passivität eines Patienten zusammenhängen könnte. Sie fanden heraus, dass dies tatsächlich der Fall war. Es kann also sein, dass längere CAG-Wiederholungen dazu führen, dass sich die betroffenen Personen passiver verhalten, was dann wiederum einen Einfluss darauf hat, wann sich die Symptome der Krankheit entwickeln.

Was haben die Forscher daraus geschlossen?

Passives Verhalten könnte für sich genommen bereits ein frühes Symptom der Chorea Huntington sein. Und in Familien, in denen ein Elternteil schon früh Krankheitssymptome zeigt, könnte die häusliche Umgebung ein passives Verhalten der anderen Familienmitglieder noch begünstigen.

Insgesamt, wie von den Wissenschaftlern berechnet wurde, verursachen passive Verhaltensweisen (eher als geringe Aktivität) einen Unterschied von 4,6 Jahren des Alters, in dem die Krankheitssymptome von Chorea Huntington auftreten - dabei handelt es sich um das Maximum, was herausgeholt werden kann, sollten durch eine aktive Lebensweise negative Folgen eines passiven Verhaltens verhindert werden. Die Zeit, in der dieser Einfluss am größten ist, scheint das Teenager-Alter zu sein. Studien wie PREDICT-HD lieferten ähnliche Befunde, hier bei jungen Menschen, die das Risiko für eine Huntington-Erkrankung tragen, aber noch keine offensichtlichen Symptome zeigen.

Huntington-Mutationsträgern werden körperliche Betätigung und Aktivität nahe gelegt – jetzt mehr denn je zuvor.
Huntington-Mutationsträgern werden körperliche Betätigung und Aktivität nahe gelegt – jetzt mehr denn je zuvor.

Gibt es Probleme mit dieser Studie?

Ja. Es gibt nur eine geringe Anzahl an Teilnehmern und die Einteilung der Aktivitäten in körperliche, geistige und passive beruhte auf der Beurteilung des Wissenschaftlers. Außerdem könnte ein passiver Lebensstil vorhandene Krankheitssymptome einfach nur offensichtlicher machen und nicht die Ursache dafür sein. Menschen mit aktivem Lebensstil könnten ähnliche oder gleiche Krankheitssymptome besitzen, sich dessen nur noch nicht bewusst sein.

Die Schlussfolgerung

Körperlich und geistig aktiv zu sein im Leben, ist gut für uns alle und besonders für Menschen, die mit dem Risiko leben, an der Chorea Huntington zu erkranken, weil es das Ausbruchsalter beeinflussen könnte. Es ist wahrscheinlich am besten, sich aktive Lebensgewohnheiten frühzeitig anzugewöhnen, nicht nur weil man sie dann auch leichter beibehalten kann sondern auch, um das kritische Zeitfenster nutzen zu können, das scheinbar bei Chorea Huntington existiert. Detaillierte Untersuchungen darüber, ob körperliche Betätigung und Aktivität hilfreich sind, müssen folgen und das werden sie sicherlich auch.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...