Überarbeitetes Konzept für die Huntingtin-Verminderungsstudie von Roche
Roche kündigt zweimonatliche anstelle von monatlichen Terminen für Teilnehmende an der Huntingtin-Verminderungsstudie GENERATION HD1 an, nachdem die offene Fortsetzung der Vorgängerstudie ausgewertet wurde.
Von Dr Jeff Carroll 24. März 2019 Bearbeitet von Dr Tamara Maiuri Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 21. März 2019
Am vergangenen Donnerstag versendete Roche einen Brief an die Huntington-Gemeinschaft, in dem Änderungen bei der GENERATION-HD1-Studie (Huntingtin-Verminderung) bekannt gegeben wurden. Anstelle der monatlichen Klinikbesuche müssen Teilnehmende an der Studie nun nur alle zwei Monate zu ihrem Studienzentrum kommen. (Ergänzung durch Übersetzerin). Wir glauben, dass das eine gute Sache ist. Was genau ist hier passiert?
Roches Ansatz zur Huntingtin-Senkung
Die Leser von HDBuzz werden mit dem Konzept der Huntingtin-Verminderung schon sehr vertraut sein. Das Ziel solcher Therapien ist es, das mutierte Huntington-Gen davon abzuhalten, Zellen dazu zu bringen, ein schädliches Huntingtin-Eiweiß zu produzieren. Die Hintergründe können Sie hier nachlesen.
Momentan gibt es einige aufregender Huntingtin-Senkungs-Ansätze, die von verschiedenen Firmen verfolgt werden. Bis jetzt gibt es zwei Firmen darunter, die sich mit Antisense-Oligonukleotiden, kurz ASOs als potentielles Medikament gegen die Huntington-Krankheit beschäftigen. WAVE Life Sciences führt gerade zwei Studien mit solchen ASOs durch, mehr dazu hier. Am weitesten fortgeschritten sind jedoch die Studien von Roche und Ionis Pharmaceuticals.
Wir haben schon einige Artikel zu den Fortschritten von Ionis und Roche veröffentlicht. Kürzlich freuten wir uns, als sich herausstellte, dass es ihrem Medikament als erstes gelang, die Menge an Huntingtin im Nervensystem tatsächlich zu reduzieren. Auf diesem Erfolg aufbauend, kündigte Roche die ausschlaggebende Studie zu ihrem Huntingtin-Verminderungs-ASO an.
GENERATION-HD1-Studie
Mit dem Begriff “ausschlaggebend” in Bezug auf die Studie ist gemeint, dass sich der Sponsor von dieser Studie erhofft, dass sie zur Zulassung des Medikaments zur Behandlung am Menschen führen wird. Das Ziel ist also, den Gesundheitsbehörden zu demonstrieren, dass das Medikament sicher und gut verträglich ist und dass es die Symptome bekämpft, unter denen Betroffene leiden.
Roche nennt die Studie GENERATION-HD1 und will durch sie erforschen, ob das untersuchte ASO den Symptomen und dem Fortschreiten der Huntington-Krankheit entgegenwirkt. Es handelt sich um eine großangelegte Studie, bei der weltweit 660 Huntington-Patienten in 80 bis 90 Kliniken in 15 Ländern teilnehmen sollen.
Bei allen Medikamentenstudien ist es notwendig, dass nur eine Gruppe der Teilnehmenden das Medikament erhält, während eine weitere Gruppe einen Placebo bekommt. Nur so kann der Beweis geführt werden, dass Linderungen und Verbesserungen, die während der Studie beobachtet werden, nicht von äußeren Umständen, sondern tatsächlich vom Medikament hervorgerufen werden. Bei der GENERATION-HD1-Studie ist die Einteilung so vorgesehen, dass je einer von drei Teilnehmern einen Placebo erhält.
Es werden weder die Patienten noch die Ärzte wissen, in welcher Gruppe sich welcher Teilnehmende befindet. Man spricht daher von einer Blindstudie. Bzw. in diesem Fall, da beide Parteien es nicht wissen von einer Studie, die doppelblind und Placebo-kontrolliert durchgeführt wird. Aus der Sicht der Zulassungsbehörden ist das der Goldstandard.
„Es ist wichtig zu verstehen, ob weniger häufige Injektionen auch wirksam sein können, weshalb GENERATION-HD1 von Anfang an eine Gruppe mit zweimonatigen Intervallen vorsah. “
Verabreichung von ASOs
Was die Nutzung von ASOs bei Hirnerkrankungen erschwert, ist dass sie nicht in der Lage sind, vom Blutkreislauf ins Gehirn zu gelangen. Dies wird durch die Blut-Hirn-Schranke verhindert. Daher muss für ihren Einsatz im Gehirn eine Art direktere Injektion durchgeführt werden.
Das klingt ziemlich schwierig, aber Neurologen und andere Ärzte dringen routinemäßig mit sehr feinen Nadeln in das Nervenwasser (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) im unteren Bereich der Wirbelsäule ein (Lumbalpunktion). Schon lange ist bekannt, dass man ohne Risiko etwas von diesem Nervenwasser entnehmen kann, um es zu untersuchen oder auch, dass man über den gleichen Weg Medikamente für das Gehirn verabreichen kann. Das Nervenwasser im Gehirn und entlang des Rückenmarks wird ständig hin- und herbewegt und durchmischt. Daher können Medikamente vom unteren Rücken aus in das Gehirn gelangen.
Ursprünglich sollte bei der GENERATION-HD1-Studie einem Drittel der Teilnehmenden jeden Monat das ASO-Medikament verabreicht werden und dem zweiten Drittel jeden zweiten Monat. Da die Studie doppelblind durchgeführt werden sollte, hätte jeder Teilnehmende dennoch jeden Monat zur Lumbalpunktion erscheinen müssen.
Sicherlich wäre jeder Huntington-Patient bereit, einmal im Monat eine solche Prozedur auf sich zu nehmen, solange er oder sie weiß, dass ihm oder ihr dadurch geholfen wird. Dennoch bedeutet es eine große, dauerhafte Belastung für die Patienten selbst wie auch für ihre Angehörigen oder Pflegekräfte, die bei den Terminen dabei sein müssen. So viel war Roche von Anfang an klar und daher wurde die Untersuchung von weniger häufigen Behandlungen (jeden zweiten Monat) von Anfang an im Studienkonzept berücksichtigt.
Neues von der offenen Fortführung der Vorgängerstudie
Am 21. März erhielten wir nun einen interessanten Brief von Roche mit dem überarbeiteten Studienkonzept für GENERATION-HD1. Es handelt sich dabei um eine überraschende Änderung und bei einer anderen Ausgangssituation könnte das besorgniserregend sein, aber in diesem Fall freuen wir uns darüber.
Ionis und Roche hatten vor GENERATION-HD1 bereits eine Studie der Phase I/IIa mit demselben Medikament an einer kleineren Teilnehmergruppe durchgeführt. Dabei wurde die Sicherheit des Medikaments getestet - es sollte beobachtet werden, ob die Verabreichung des ASOs über das Nervenwasser irgendwelche unerwarteten negativen Auswirkungen hat oder nicht. Die Studie wurde damals erfolgreich abgeschlossen - kein Teilnehmender zeigte schlechte Reaktionen auf das Medikament oder brach die Teilnahme vorzeitig ab.
Nach Abschluss der Studie entschieden sich Roche und Ionis dafür, allen Teilnehmenden inklusive derer, die bis dahin einen Placebo erhalten hatten, die Möglichkeit zu geben, das Medikament monatlich oder alle zwei Monate weiterhin zu erhalten. Man spricht hier von einer offenen Verlängerung der Studie. Das heißt in diesem Fall, wissen alle Beteiligten, wann und welches Medikament eingenommen wird.
Angenommen ein Medikament stellt sich als gut verträglich heraus und es kann mit großer Wahrscheinlichkeit Symptome lindern, dann ist eine solche offene Verlängerung eine willkommene Belohnung für die mutigen Teilnehmer der ersten Versuche. Außerdem profitieren die Gesellschaft und die ausrichtende Firma davon, denn sie können einen Eindruck gewinnen, welche Langzeitwirkungen das Medikament haben könnte.
Was ist neu?
Roche erklärt in besagtem Brief, dass nach der offenen Verlängerung der Studie, bei der eine Behandlung entweder monatlich oder alle zwei Monate durchgeführt wurde, ein wichtige Beobachtung gemacht wurde. Wörtlich schreiben sie: “Die Auswertung der Daten von neun Monaten hat ergeben, dass die Verringerung der Menge an mutiertem Huntingtin in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit eine Untersuchung von weniger häufigen Dosierungen unterstützt. Basierend auf der Gesamtheit der Daten, inklusive Sicherheit und Verträglichkeit, scheint es keinen Vorteil einer monatlichen Behandlung im Vergleich zu einer Behandlung alle zwei Monate zu geben.”
Wenn man zwischen den Zeilen liest, scheint es, dass Roche Ergebnisse gesehen hat, die nahelegen, dass das Huntingtin bei zweimonatiger Pause zwischen der Behandlung mit gleicher Dosierung stark genug reduziert wurde, um davon auszugehen, dass eine monatliche Behandlung nicht nötig ist. Tatsächlich wollen sie die Struktur der GENERATION-HD1-Studie nun so verändern, dass eine Gruppe noch längere Pausen von vier Monaten zwischen den Verabreichungen des Wirkstoffs einhält.
Wenn man sich vorstellt, dass im Fall der Wirksamkeit und Zulassung des Medikaments in der Zukunft Betroffene nur drei mal anstelle von zwölf mal im Jahr eine Injektion erhalten müssten, dann wäre das ein riesiger Fortschritt. Vorher muss natürlich gezeigt werden, dass das möglich ist und daher hat sich Roche wohl dazu entschieden diese Veränderungen an GENERATION-HD1 vorzunehmen. Es soll nun folgende drei Teilnehmergruppen geben: eine Placebo-Gruppe, eine Gruppe, die den Wirkstoff alle zwei Monate erhält und eine Gruppe, die den Wirkstoff alle vier Monate erhält.
Der Brief sagt weiterhin aus, dass es eine kurze Pause bei der Rekrutierung von weiteren Teilnehmern für die Studie geben wird, solange bis dieses neue Konzept freigegeben wurde. Die wenigen, die bereits als Teilnehmer aufgenommen waren, werden in die offene Verlängerungsstudie übertragen, sodass bald ein ganz neuer Start für die Studie stattfinden wird.
Was nehmen wir davon mit?
Eine sehr wichtige Botschaft hier ist, dass es noch keinen Nachweis für die Wirksamkeit oder den Einfluss des untersuchten Medikamentes auf Symptome der Huntington-Krankheit gibt. Alle Entscheidungen wurden basierend auf Laboruntersuchungen getroffen, die nahelegen, dass das Medikament den gewünschten Effekt im Gehirn erzielt (also die Menge an Huntingtin verringert), aber man weiß immernoch nicht, ob das letztendlich auch eine Auswirkungen auf die Symptome der Huntington-Krankheit hat. Um das festzustellen, wird es die GENERATION-HD1-Studie geben.
Offensichtlich haben Roche und ihre Partner nicht vorhergesehen, dass eine Behandlung nur alle vier Monate möglich sein könnte, als die GENERATION-HD1-Studie zuerst konzipiert wurde. Die Tatsache, dass es diese Erkenntnisse auf Grundlage von Daten nun gibt, ist eine gute Nachricht für den weiteren Verlauf dieses Programms und mindestens für alle, die an der Studie teilnehmen werden.
Ein weiterer Vorteil dieser Ankündigung ist, dass andere Firmen, die mit ASOs im Bereich der Huntington-Krankheit arbeiten, ebenfalls größere Intervalle zwischen den Behandlungen in Erwägung ziehen könnten. So kann ein Erfolg in nur einem Studienpgrogramm zur Huntington-Krankheit auch wichtige Auswirkungen für andere Forschungsprojekte haben.
Die Fortschritte bei der Huntingtin-Verminderung kommen immer schneller. Wir können die Zukunft nicht vorhersagen, aber wir denken, es lohnt sich am Ball zu bleiben und auf HDBuzz die neuesten Entwicklungen mitzuverfolgen.