Von Joel Stanton Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Eugen Kloster und Rebecca

Jeff und Ed berichten von der Huntington’s Disease Therapeutics Conference - der größten jährlichen Zusammenkunft von Huntington-Forschern. Die diesjährige Konferenz ist größer und aufregender als je zuvor.

Dienstagmorgen - Weiße Substanz

Guten Morgen aus dem sonnigen Palm Springs am ersten Tag der Huntington’s Disease Therapeutics Conference - 2019! Als erstes heute morgen fand eine Sitzung über Funktionsstörungen der “Weißen Substanz” in HD statt.

Die Drähte, mit denen die Gehirnzellen miteinander sprechen, sind mit einer fetthaltigen Substanz namens “Myelin” isoliert, die eine weißliche Farbe hat. Im Gehirn wird Myelin nicht direkt von Neuronen produziert, sondern von einer spezialisierten Gehirnunterstützungszelle, die als “Oligodendrozyt” bezeichnet wird.

Aufregend, wie viele verschiedene Ansätze zur Huntingtin-Verminderung gerade erforscht werden!
Aufregend, wie viele verschiedene Ansätze zur Huntingtin-Verminderung gerade erforscht werden!

Richard Lu interessiert sich für die Dysfunktion der Weißen Substanz bei der Huntington-Krankheit. Anhand seiner Arbeit wurden die Gene identifiziert, die für die Unterstützung der Oligodendrozyten wichtig sind. Lus Arbeit führte zur Identifizierung von Substanzen, die die Fähigkeit der Zellen zur Herstellung Weißer Substanz erhöhen, auch nach Schäden oder Verletzungen. Die Behandlung mit diesen Medikamenten hilft Tieren mit Nervenschäden dabei, sich zu erholen, was darauf hindeutet, dass sie auch beim Wiederaufbau der Weißen Substanz helfen können. Lu glaubt, dass diese Medikamente in der Huntington-Krankheit nützlich sein könnten, wo der Verlust der Weißen Substanz beobachtet wird. Eine Idee, die es definitiv wert ist, in Huntington-Tiermodellen getestet zu werden.

Peter McColgan interessiert sich auch für Veränderungen der Weißen Substanz bei der Huntington-Krankheit, die er mithilfe von High-Tech-Bildgebungsverfahren beim Menschen mit der Huntington-Genmutation untersucht. In Studien wie TRACK-HD wurden bei Betroffenen bereits vor Beginn der Symptome Veränderungen in der Menge der weißen Substanz beobachtet. Warum aber? Und warum sind einige dieser Verbindungen anfälliger für Schäden als andere?

Wir können die Tatsache, dass diese Verbindungen wie winzige wassergefüllte Abflussrohre sind nutzen, um sie mit speziellen “Diffusions”-MRT-Scans zu untersuchen. Wasser kann sich entlang der Rohre bewegen, jedoch nicht in andere Richtungen. Der MRT-Scanner kann dies erkennen. Wenn sich das Wasser in unerwartete Richtungen bewegt, kann dies darauf hinweisen, dass die Rohre beschädigt sind. Dadurch wird das Erscheinungsbild der Scans geändert. Verschiedene Arten von Gehirnzellen könnten für diese veränderten Verbindungen im Gehirn verantwortlich sein, einschließlich der Neuronen oder der Zellen, deren Aufgabe es ist, die Neuronen zu unterstützen indem sie Myelin bilden, um ihre Verbindungen zu isolieren. Der Cortex - der faltige äußere Teil unseres Gehirns, der für das Denken kritisch ist - besteht aus verschiedenen Schichten, die wie Baumringe aussehen. Die neuen Scanner sind empfindlich genug, um diese Schichten einzeln zu sehen, anstatt den gesamten Cortex zu untersuchen. Die Schichten des Cortex sind mit verschiedenen Teilen des Gehirns verbunden, daher ist es für das Verständnis des Huntington-Gehirns wichtig zu wissen, wie sich der Cortex Schicht für Schicht verändert.

Govinda Poudel interessiert sich ebenso für den Zusammenbruch der Kommunikation im Gehirn von Huntington-Patienten und verwendet verschiedene Arten der Bildgebung, um diese Veränderungen abzubilden. Insbesondere Verbindungen zwischen dem Cortex und einem tieferen Teil des Gehirns, dem Striatum. Diese Regionen sind mit ganzen Autobahnen von Leitungen verbunden, die mit Weißer Substanz isoliert sind. Die Forschung von Poudel hat spezifische Verbindungen zwischen dem Cortex und dem Striatum identifiziert, die bei Huntington-Patienten besonders anfällig für einen Zusammenbruch sind. Diese Veränderungen in den Cortex-Striatum-Verbindungen treten parallel zu den Symptomen der Huntington-Krankheit auf, was darauf hindeutet, dass der Kommunikationsausfall direkt zu den Symptomen der Huntington-Patienten beitragen könnte.

Dorian Pustina von CHDI versucht verschiedene Arten von MRT-Scans derselben Person zu kombinieren, um die nützlichsten Informationen darüber zu gewinnen, wie die Huntington-Krankheit das Gehirn beeinflusst. Die TRACK-HD- und TrackOn-HD-Studien wurden vor Jahren abgeschlossen aber die gesammelten Scans liefern uns immer neue Informationen, wenn sie mit einfallsreichen neuen Methoden analysiert werden. Volumetrische Bildgebung sagt uns, was sich im Schädel befindet. Funktionelle Bildgebung verwendet den Blutfluss, um uns mitzuteilen was das Gehirn tut. Die Bildgebung der weißen Substanz liefert Aufschluss über die Verbindungen zwischen Gehirnarealen. Pustina kombinierte alle drei, um frühe Veränderungen des Gehirns bei vormanifestierter Huntington-Krankheit zu untersuchen. Diese Arbeit wurde mit IBM durchgeführt, die über große Rechenleistung zur Kombination und Analyse großer Datensätze verfügt. Er fand heraus, dass durch das Hinzufügen der Basisdaten über die Verbindung der weißen Substanz zu den bereits bekannten Informationen von dem Patienten(Alter, CAG-Wiederholungszahl), die Möglichkeit besteht vorherzusagen, wie viel Hirnatrophie in den folgenden Monaten wahrscheinlich auftreten wird. Es gibt jedoch Grund zur Vorsicht - vieles hängt davon ab, wie die Scans gemacht werden, und dies muss in allen Studien standardisiert und optimiert werden.

Dienstag Nachmittag - Huntingtin-Verminderung

An diesem Nachmittag ist eine wirklich aufregende Sitzung, die sich auf die „Huntingtin-Verminderung“ konzentriert - Therapien, die auf die Reduktion des Huntingtin-Proteins und dessen mRNA abzielen.

Als Erstes sprach Paulina Konstantinova von uniQure, die einen gentherapeutischen Ansatz zur Huntingtin-Senkung entwickelt haben. Weitere Hintergrundinformationen zu den jüngsten Fortschritten finden Sie hier.

Der Ansatz von uniQure beruht auf einem winzigen, harmlosen Virus namens Adeno-Associated Virus (AAV), das Anweisungen für ein Rezept eines Gens enthält, das Zielzellen dabei hilft, den Huntingtin-Spiegel zu senken. Der formale Name für den uniQure-Virus für die Huntingtin-Verminderung lautet „AMT-130“. Da diese Viren nicht vom Blutkreislauf in das Gehirn übertreten können, müssen sie mit sehr feinen Nadeln in das Gehirngewebe injiziert werden. UniQure plant eine Studie an Betroffenen mit früher, manifester Huntington-Krankheit (ähnlich wie bei den bisherigen Huntington-Studien zur Senkung des Huntingtins). UniQure hat ihr Virus bereits an Zellen und sechs verschiedenen Huntington-Tiermodellen getestet. Konstantinova beschrieb spezifische Versuche an Huntington-Schweinemodellen. Es ist wichtig, an großen Tieren wie diesen zu arbeiten, deren Gehirne unseren eigenen ähnlicher sind als die von Mäusen.

Unter vielen Arbeiten zur "Gentherapie" gibt es auch die von uniQure. Erst kürzlich hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine Genehmigung für Studien am Menschen mit uniQure's Medikament erteilt.
Unter vielen Arbeiten zur “Gentherapie” gibt es auch die von uniQure. Erst kürzlich hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine Genehmigung für Studien am Menschen mit uniQure’s Medikament erteilt.

Virale Therapien haben den Vorteil, dass sie sehr langanhaltend sind - auch nach einer einzigen Injektion. Konstantinova präsentierte Daten, die eine verringerte Menge an Huntingtin im Gehirn von Schweinen zeigten und das ein Jahr nach einer einmaligen Injektion von AMT-130. Das Virus reduzierte die Konzentrationen des Huntingtin-Proteins in wichtigen tiefen Hirnregionen, die anfällig für Schäden bei der Huntington-Krankheit sind. Im Striatum betrug die Reduktion des mutierten Huntingtin-Proteins mehr als 70%. Konstantinova zeigte uniQures Versuche “Bio-Marker” zu identifizieren. Dabei handelt es sich um Labortests, mit deren Hilfe die Huntingtin-Absenkung im Gehirn gemessen werden kann. Erstaunlicherweise zeigen Huntington-Schweine sechs Monate nach einer einzigen Injektion eine um 25% bis 70% verringerte Huntingtin-Konzentration in der Spinalflüssigkeit. Dies legt nahe, dass die Reduktion von Huntingtin bei behandelten Tieren (und hoffentlich auch bei Menschen) ohne Entnahme von Gehirngewebe überwacht werden könnte. UniQure hat entdeckt, dass sich ihre Huntingtin-senkenden Moleküle gut über die Gehirnzellen hinweg verteilen, was erklären könnte, warum eine einzelne Injektion des Virus zu einer solchen Auswirkung auf das Gehirn führt. Im vergangenen Monat hat die FDA uniQure’s erster AMT-130-Studie am Menschen eine Zulassung erteilt. Die Studie wird voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 2019 beginnen.

Als nächstes war Dinah Sah von Voyager Therapeutics an der Reihe. Voyager verwendet ebenfalls AAV, bei der Entwicklung von Huntingtin-vermindernden Medikamenten. Die Viren sollen den Gehirnzellen Anleitungen liefern, um den Huntingtin-Spiegel zu senken. Voyager’s aktuelles Medikament heißt VY-HTT01. Zwischen den Aufgaben der Viren, die uniQure und denen die Voyager verwenden gibt es geringfüge Unterschiede, beide führen aber letztlich zu einer Verringerung des Huntingtins. Die Injektion schlägt Voyager über den Thalamus vor. Das ist eigentlich ein Teil des Gehirns der bei der Huntington-Krankheit weniger stark betroffen ist, beispielsweise verglichen mit den Striatum. Allerdings ist der Thalamus sehr stark mit anderen Hirnregionen verbunden und könnte daher für eine gute Verteilung des Medikaments in viele Hirnbereiche sorgen. Durch die Injektion in den Thalamus, gelangte das Virus in den Cortex, wo in isolierten Neuronen die Huntingtin-Menge verringert wurde. Was noch zu erforschen bleibt, ist, wie stark die Huntingtin-Verminderung durch das Voyager-Medikament im Gehirn von größeren Tiermodellen ist.

Es ist sehr aufregend, diese unterschiedlichen Ansätze für die Injektion des Medikamentes zu betrachten und es ist wichtig, so viele wie möglich davon in Erwägung zu ziehen, um am Ende die sicherste und effizienteste Variante ausmachen zu können.

Bev Davidson beschäftigt sich bereits seit fast 20 Jahren mit Huntingtin-Verminderung. Ihre Arbeitsgruppe veröffentlichte eine der ersten Nachweise für die erfolgreiche Verringerung von Huntingtin in Gehirnen von Mäusen. In jüngster Zeit führt die Gruppe Untersuchungen mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9 und weiteren Genombearbeitungswerkzeugen durch. Das Ziel ist die Entwicklung von Substanzen, die eine gezielte Korrektur des mutierten Huntington-Gens ermöglichen und die “wilde” Form des Gens unbeeinträchtigt lassen. Auf HDBuzz haben wir bereits davon berichtet. Die neuen Formen von CRISPR/Cas9 sollen in der Lage sein, Modifikationen vorzunehmen, ohne einen wirklichen Schnitt in die DNA machen zu müssen. Dadurch wird angenommen, dass die Methode sicherer als die bisher bekannten Verfahrensweisen ist. Ziel ist, das Medikament von Zeit zu Zeit “anschalten” zu können, sodass ein unnötig langer Verbleib der Genschere in den Zellen vermieden werden kann.

Die letzte Präsentation des Tages wurde von Anu Bhattacharya von PTC Theraputics gehalten. Er stellte einen völlig anderen Ansatz zur Huntingtin-Verminderung vor: PTC steuert mit “kleinen Molekülen”, die in Form einer Tablette eingenommen werden können, spezielle Gene an. Die Huntington-Krankheit ist dabei eine der genetischen Erkrankungen, an denen sie forschen. Falls sie Erfolg haben, könnte das gesamte Gehirn mit einer einfachen Pille erreicht werden. Bhattacharya erklärte, dass PTC’s Medikament die Huntingtin-Boten-RNA gezielt als Zellmüll kennzeichnet und somit deren Abbau hervorruft. In Zellen im Labor führte das zu einer starken Reduzierung von Huntingtin. Bei oraler Aufnahme von Mäusen wurden Reduzierungen im Gehirn um bis zu 80% erreicht. Bei Detailanalysen wurde festgestellt, dass sich das Medikament im Gehirn sehr gut verteilte. PTC ist gerade dabei das Medikament weiter zu optimieren. Bereits im nächsten Jahr könnten Studien am Menschen beginnen.

Zum Abschluss des ersten Konferenztages gab es eine Podiumsdiskussion: “Wie sollte sich die Huntington-Gemeinschaft auf mögliche Ergebnisse - positive oder negative - der Huntingtin-Verminderungsstudien vorbereiten?” Das ist sicherlich eine zentrale Frage, die noch weiter diskutiert werden muss.

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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