Leora FoxVon Makenna May und Dr Leora Fox Bearbeitet von Dr Rachel Harding Übersetzt von Rebecca

Eine Forschergruppe in Spanien konzipiert gerade eine klinische Studie, um die Wirkung von zusätzlichem Biotin und Thiamin auf Bewegungssymptome von Huntington zu untersuchen. Diese Idee kam ihnen, weil sowohl in Huntington-Mäusen als auch bei menschlichen Huntington-Patienten Eiweißveränderungen beobachtet wurden, die bereits von einer anderen seltenen Nervenkrankheit namens Biotin-Thiamin-ansprechende Basalganglien-Erkrankung (BTBGD) bekannt sind. Auch BTBGD greift - wie Huntington - das Hirnareal Striatum an und verursacht Bewegungsstörungen. Die tägliche Einnahme von Biotin und Thiamin ist für BTBGD eine zugelassene Behandlungsmethode und wird hier erfolgreich eingesetzt. Eine kürzlich erschienene Veröffentlichung legt nun nahe, dass auch die Huntington-Krankheit so behandelt werden könnte. Zuvor muss allerdings eine präzise klinische Studie durchgeführt werden.

Ein neuer Blickwinkel auf die Huntington-Behandlung

Menschen mit der Huntington-Krankheit tragen eine Mutation auf dem Huntington-Gen in sich, die zur Herstellung eines stark verlängerten Huntingtin-Eiweißes führt. Dieses Protein reichert sich im Gehirn an und man geht davon aus, dass es schädlich für die Nervenzellen ist und dadurch zu den sichbaren Symptomen von Huntington führt. Die Forschung an der Krankheit hat sich bisher insbesondere auf das mutierte Gen und das schädliche Eiweiß konzentriert. Einige Therapieansätze versuchen, die Menge des Eiweißes zu reduzieren und hierzu werden und wurden verschiedene klinische Studien durchgeführt.

Tiermodelle können hilfreiche Einblicke ermöglichen, aber die einzige Art, die Sicherheit und Wirksamkeit einer Behandlung festzustellen, besteht in der Durchführung klinischer Studien mit menschlichen Patienten.
Tiermodelle können hilfreiche Einblicke ermöglichen, aber die einzige Art, die Sicherheit und Wirksamkeit einer Behandlung festzustellen, besteht in der Durchführung klinischer Studien mit menschlichen Patienten.
Quelle: Lightfield Studios

Allerdings ist die Huntington-Forschung in Wirklichkeit noch vielfältiger und Wissenschaftler untersuchen auch andere Behandlungsansätze. Kürzlich hat eine Forschergruppe in Spanien eine Familie von Proteinen namens CPEBs und deren Rolle in neurodegenerativen Erkrankungen untersucht. Die Arbeit der Forscher wurde im September 2021 im Magazin “Science Translational Medicine” veröffentlicht und bei der diesjährigen CHDI Huntington Therapeutics Konferenz im März stellte Dr. Jose Lucas sie vor.

Die Hauptaufgabe der CPEB-Eiweiße in den Zellen ist die Bearbeitung der Boten-RNA und somit der Größe und Menge an weiteren Eiweißen, die durch die Boten-RNA hergestellt werden. Die CPEBs verlängern oder verkürzen dabei einen Teil der Boten-RNA namens Poly-A-Anhängsel. Dieses Anhängsel kann an unterschiedlichen Stellen platziert werden, sodass sich die Bauanleitung für Eiweiße ändern kann. Wenn sie besonders kurz ist, wird sie einfach vernichtet. D. h. die CPEB-Proteine können letztendlich sowohl die Länge bestimmter Eiweiße beeinflussen als auch deren vorhandene Menge an sich.

Von CPEBs zum Vitaminmangel

CPEB-Proteine spielen eine Rolle bei der Hirnentwicklung und in erwachsenen Nervenzellen. Änderungen ihrer Wirkweise und ihrer Menge wurden bereits bei der Untersuchung von Autismus und Epilepsie beobachtet, allerdings gab es bisher noch keine genauen Daten zu ihrer Rolle in neurodegenerativen Erkrankungen wie Huntington. In der vorliegenden Studie betrachtete Lucas’s Arbeitsgruppe die Veränderungen bei der Menge an CPEBs im Gehirn von Menschen und Huntington-Mäusen. Sie kamen auf die Idee genauer darauf zu achten, inwiefern andere Boten-RNAs und Eiweiße beeinflusst werden, die bekanntermaßen im Zusammenhang mit der Huntington-Krankheit aber auch anderen Nervenkrankheiten stehen.

Eines der Gene, dessen Eiweiß durch die veränderte Menge an CPEBs beeinflusst wurde, war jenes Gen, das im Rahmen der Biotin-Thiamin-ansprechende Basalganglien-Erkrankung (BTBGD) identifiziert worden war. Es handelt sich hier um eine sehr seltene Nervenkrankheit (etwa ein Mensch von einer Millionen ist betroffen), die meist in der frühen Kindheit zu Tage tritt und die Fähigkeit des Gehirns blockiert, Thiamin (auch bekannt als Vitamin B1) aus der Nahrung aufzunehmen. Wie Huntington verursacht auch BTBGD Schäden im Gehirn, genauer im Striatum, die zu Bewegungsstörungen, Stimmungsschwankungen und kognitiven Einschränkungen führen. Anders als Huntington gibt es gegen BTBGD allerdings eine Medikation, die mehr kann, als nur die Symptome zu bekämpfen. Die tägliche, orale Einnahme von Biotin und Thiamin führt üblicherweise zur vollständigen klinischen Erholung von BTBGD, solange die Behandlung frühzeitig bei Auftreten von Symptomen erfolgt. Die klinischen Ähnlichkeiten der beiden Krankheiten sowie ihre Erkenntnisse aus der Genforschung brachten Lucas’s Gruppe dazu, zu ergründen, ob ein Thiamin-Mangel auch bei Huntington auftritt und ob die ergänzende Gabe von Supplementen hier Abhilfe schaffen kann.

Tatsächlich konnten die Forscher bei Huntington-Mäusen BTBGD-ähnliche Blutbilder feststellen, einschließlich Thiamin-Mangel. Auch im menschlichen Hirngewebe konnte Thiamin-Mangel festgestellt werden. Daher testeten sie eine Kombination aus hochdosiertem Biotin und Thiamin an zwei Arten von Huntington-Mäusen. Die Behandlung konnte Thiamin-Mangel im Gehirn vorbeugen und die Gesundheit des Gehirns verbessern. Die Geschwindigkeit des Nervenzellenverlustes nahm ab im Vergleich zu unbehandelten Mäusen. Basierend auf diesen Ergebnissen, gehen die Forscher nun davon aus, dass auch Menschen mit Huntington von der Einnahme von Thiamin- und Biotin-Supplementen profitieren könnten.

Wie Huntington verursacht auch BTBGD Schäden im Gehirn, genauer im Striatum, die zu Bewegungsstörungen, Stimmungsschwankungen und kognitiven Einschränkungen führen. Anders als Huntington gibt es gegen BTBGD allerdings eine Medikation, die mehr kann, als nur die Symptome zu bekämpfen.

Die Erkenntnisse von Mäusen auf Menschen übertragen?

Diese vielversprechenden Ergebnisse bedeuten zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht, dass Betroffene sofort anfangen sollten, große Mengen an Biotin und Thiamin zu sich zu nehmen. Die Forschung an den Mausmodellen beschränkte sich bisher auf die Bewegungsstörungen und klammerte kognitive und psychische Symptome der Huntington-Krankheit aus. Wie wir wissen, können Ergebnisse bei Mäusen oder an Zellkulturen nicht 1:1 auf den Menschen übertragen werden. Nur durch klinische Studien können die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit neuer Behandlungsmethoden wirklich nachgewiesen werden. Es wurden leider schon einige vielversprechende vitaminbasierte Ansätze (beispielsweise Q10) wieder zu den Akten gelegt.

Dennoch wird eine randomisierte klinische Studie gerade in Spanien geplant und man hofft, dass die Einnahme von Biotin und Thiamin eventuell das Fortschreiten der Erkrankungen in frühen bis mittleren Stadien aufhalten kann. Einige Experten stellten allerdings bereits die Frage, warum keine Placebo-Gruppe mit eingeplant wird.

Eine Behandlung mit Vitaminen wäre sehr einfach durchzuführen und die Gabe einer Kombination von hochdosiertem Biotin und Thiamin wurde bereits wissenschaftlich als unbedenklich nachgewiesen. Zulassungsbehörden würden keine Einschränkungen geben und die Kosten wären auch nicht sehr hoch. Es ist auf jeden Fall erfreulich, dass diese Art der Medikation bei BTBGD hilft und wir sind gespannt, ob sich auch positive Nachrichten aus der neuen Studie für die Huntington-Krankheit ergeben.

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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