Rachel HardingVon Dr Rachel Harding Bearbeitet von Dr Leora Fox Übersetzt von Rebecca

Pridopidin ist ein Medikament, das zur Behandlung der Huntington-Krankheit entwickelt wurde. Jetzt haben sich Wissenschaftler ein genaueres Verständnis seiner Wirkweise in Körper und Gehirn erarbeitet. In einer Reihe von Veröffentlichungen, stellten sie fest, dass Pridopidin mit einem bestimmten Rezeptor-Eiweiß namens S1R wechselwirkt. Diese Erkenntnis stützt die These, dass Pridopidine ein effektiver Wirkstoff gegen neurodegenerative Erkrankungen wie Huntington sein könnte.

Pridopidin klingt irgendwie vertraut?

Das Medikament Pridopidin wird mittlerweile seit vielen Jahren erforscht. Es hatte auch schon verschiedene Namen wie ACR16 oder Huntexil.

Wissenschaftler haben sich ein genaueres Verständnis der Wirkung von Pridopidn in Körper und Gehirn erarbeitet.
Wissenschaftler haben sich ein genaueres Verständnis der Wirkung von Pridopidn in Körper und Gehirn erarbeitet.

Ursprünglich entwickelte man Pridopidin zur Behandlung der Bewegungssymptome der Huntington-Krankheit, man zielte auf die Regulation von Dopamin. Dopamin ist unverzichtbar für die Kontrolle der Bewegungen durch das Gehirn und die Motivation, daher wurde Pridopidin bereits in verschiedenen klinischen Studien in Bezug auf seine Wirkung auf die Bewegungssteuerung bei Huntington-Patienten untersucht. Die Studien hießen HART, MermaiHD und PRIDE-HD. Alle drei zeigten, dass Prodipidin gut verträglich ist, es konnten bisher trotz hunderter Teilnehmender allerdings keine Verbesserungen hinsichtlich der Huntington-Symptome festgestellt werden.

Man könnte sich fragen, warum es an diesem Medikament dann immernoch Interesse gibt, wenn die Ziele der klinischen Studien nicht erreicht werden konnten. Einer der Gründe ist, dass die PRIDE-HD-Studie zeigte, dass sich der sogenannte TFC-Wert (TFC = “Total Function Capacity”) durch Pridopidin hoch halten ließ. In den TFC-Wert fließen verschiedene Fähigkeiten der Betroffenen ein, wie das Führen eines Haushalts und die Verwaltung von Finanzen, die Fähigkeit zu arbeiten, Auto zu fahren, zu kochen, sowie weitere Alltagsaufgaben durchzuführen. Auch in den offenen Fortsetzungen der Studien HART und PRIDE-HD konnte diese Beobachtung gemacht werden.

Es gab kontroversen Austausch innerhalb der Wissenschaft, ob es sich deshalb nun bei Pridopidin noch um einen potentiellen Kandidaten für eine Behandlung von Huntington handelt.

Aufzeigen der genauen Wirkmechanismen von Pridopidin

Ende 2020 startete die Firma Prilenia eine großangelegte Phase-III-Studie namens PROOF-HD, um Pridopidin an einer Gruppe von 480 Patienten über einen längeren Zeitraum hinweg zu testen. Die Studie soll den Beweis für die Verbesserungen hinsichtlich des TFC erbringen und läuft planmäßig noch bis Mitte 2023.

Gleichzeitig wurden Laborversuche durchgeführt, die die Mechanismen, die durch Pridopidin im Körper ausgelöst werden, näher untersuchen sollten. Ein Ergebnis dieser Bemühungen war, dass neben seiner Wirkung auf Dopamin noch ein ganz anderer Aspekt der Huntington-Biologie beeinflusst wird, durch einen chemischen Rezeptor namens Sigma-1.

Bereits letztes Jahr beim Treffen der Huntington-Study-Group und bei der EHDN-Konferenz wurden einige frühe Einblicke in diese Forschung gewährt. Jetzt gibt es allerdings die formellen und wissenschaftlich gegengeprüften Veröffentlichungen dazu in den Fachjournalen. Die Autoren dieser Artikel sind Wissenschaftler aus der ganzen Welt sowie Mitarbeiter der Firma Prilenia und sie stellen in ihren Berichten zusammenfassend fest, dass die Behandlung von Huntington-Patienten mit Pridopidin den Verlauf der Krankheit verlangsamen sollte.

Was macht Pridopidin im Körper?

Die neuen Papiere zeigen, dass Pridopidin an das Eiweiß S1R (Sigma-1-Rezeptor) anbindet. Viel von diesem Eiweiß findet sich in den Zellen und im Gewebe des Gehirns, insbesondere dort, wo Huntingtin große Schäden anrichten kann. Die eigentliche Aufgabe von S1R liegt in verschiedenen Prozessen, die dafür sorgen, dass Nervenzellen unter Stressbedingungen überleben können. Nerven- und Gehirnzellen von Huntington-Patienten sind durch die Mutation des Gens und des Huntington-Eiweißes unterschiedlichen Stressfaktoren ausgesetzt. Pridopidin könnte S1R dabei helfen, dafür zu sorgen, dass die Nervenzellen diese Angriffe überleben.

Es ist bekannt, dass die Mitochondrien in Huntington-Patienten nicht richtig funktionieren, wodurch Stress erzeugt wird. Daher untersuchten die Forscher im ersten Papier die Wirkung von Pridopidin auf die Mitochondrien in unterschiedlichen Huntington-Modellen. Bei der Behandlung von Huntington-Mäusen, konnte eine Wechselwirkung mit S1R, was wiederum zu einer normalen Funktion der Mitochondrien beiträgt, gezeigt werden. Die gleichen Effekte konnten in Zellkulturen in der Petrischale beobachtet werden.

In der zweiten Veröffentlichung beschreiben Forscher wie Pridopidin eine andere Art von Stress mildert, die mit dem endoplasmatischen Retikulum (ER) zusammenhängt. Eine Hauptfunktion des ER ist wie eine Fabrik und ein Lager von Proteinen und Fetten zu arbeiten und diese in der ganzen Zelle zu verteilen. Diese Funktion wird bei der Huntington-Krankheit beeinträchtigt. Pridopidin konnte in Zellkulturen in der Petrischale hier zu Verbesserungen führen. Wenn die Wissenschaftler allerdings das Eiweiß S1R aus den Zellen entfernten, verschwanden diese Verbesserungen wieder, sodass gezeigt werden konnte, dass S1R für diese Wirkung nötig ist.

Der dritte Artikel ist eine Forschungszusammenfassung zum Zusammenspiel von S1R und Cholesterol, einer Fettsäure. Die Wissenschaftler leiten daraus ab, dass die Behandlung von Zellen mit Pridopidin, die Wechselwirkung zwischen S1R und Cholesterol unterbindet. Dadurch wird die bessere Funktion des ERs hervorgerufen.

Was steht nun für Pridopidin an?

Diese kürzlich veröffentlichten Artikel sind wichtig, um die Wirksamkeit von Pridopidin in Huntington-Tiermodellen und -Zellkulturen aufzuzeigen. Was noch zu erforschen bleibt, ist, ob die positiven Effekte auch überzeugend bei Patienten sichtbar gemacht werden können. Nach mehreren erfolglosen klinischen Studien ist hinlänglich bekannt, dass das kein einfaches Unternehmen ist. Hoffentlich wird der Studie PROOF-HD gelingen, was die Vorgänger nicht schafften.

Rachel Harding hat keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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