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Stummschaltung von Genen mittels einstrÀngiger RNA

Stummschaltung von Genen mit einstrÀngiger RNA ist möglicherweise sicherer und effektiver als bisherige Methoden

Übersetzt von Nathalia Weber

In den letzten Jahren gab es große Fortschritte in der Entwicklung von Methoden zur Stummschaltung von Genen als mögliche Behandlung der HK. Neuere, verbesserte und sicherere Techniken sind dabei immer willkommen. Aktuell sorgt die AnkĂŒndigung einer neuen Methode mit einstrĂ€ngiger RNA fĂŒr großen Wirbel. Worum geht es dabei?

Medikamente zur Stummschaltung von Genen funktionieren, indem sie Zellen dazu bewegen, kein Huntingtin – das Protein, welches die fĂŒr die Huntington Krankheit (HK) typischen SchĂ€den verursacht – zu produzieren. Sie tun dies, indem sie in das System zur Proteinherstellung innerhalb der Zelle eingreifen.

Es gibt zwei Strategien zur Stummschaltung von Genen: Antisense-Oligonukleotide (ASOs) und RNA-Interferenz (RNAi). Dieser Artikel beschÀftigt sich mit RNA-Interferenz.

Bei der Stummschaltung von Genen wird die Produktion eines bestimmten Proteins gehemmt, indem die dazugehörige mRNA nicht von den Zellen ausgelesen wird
Bei der Stummschaltung von Genen wird die Produktion eines bestimmten Proteins gehemmt, indem die dazugehörige mRNA nicht von den Zellen ausgelesen wird

WĂ€hrend Wissenschaftler versuchten, die Testung dieses Verfahrens in klinischen Studien zu planen, haben sie zeitgleich an der Entwicklung einer neuen, hoffentlich verbesserten Technik der RNA-Interferenz gearbeitet. Um den Unterschied zwischen bereits existierenden und dieser neuen Technik der RNA-Interferenz erlĂ€utern zu können, mĂŒssen wir zunĂ€chst kurz erklĂ€ren, wie aus Genen Proteine hergestellt werden. Bleiben sie dabei – es wird sich lohnen!

Was sind DNA und RNA?

Die DNA enthĂ€lt den Bauplan fĂŒr einen Menschen. Sie ist ein langes MolekĂŒl, welches aus zusammengesteckten Teilen, den Basen besteht. Es gibt vier verschiedene Basen: C, A, G und T. Das sind also die Buchstaben, mit denen unser genetischer Code geschrieben ist.

Die DNA ‚Doppelhelix‘ besteht aus zwei StrĂ€ngen, die Seite an Seite zusammenhĂ€ngen. Jeder Strang besteht aus einer Kette von Basen, und die beiden StrĂ€nge werden durch chemische Verbindungen zwischen den gegenĂŒberliegenden Basen zusammengehalten. A verbindet sich dabei mit T, und C verbindet sich mit G.

Um aus der DNA ein Protein herzustellen, muss eine ‚Arbeitskopie‘ der DNA erstellt werden. Diese Kopie bezeichnet man als ‚Boten-RNA‘ oder mRNA, abgeleitet vom englischen Begriff ‚messenger RNA‘. RNA ist eng mit der DNA verwandt, sieht aber ein klein wenig anders aus.

Die mRNA ist wie eine Schablone, die die Zellen dabei anleitet, ein Protein herzustellen. Wann immer eine Zelle ein Protein herstellt – auch das Huntingtin-Protein – tut sie das, indem sie den Instruktionen der mRNA folgt, welche als Bauplan fĂŒr dieses Protein dient.

Wenn man die Huntingtin-RNA stört, also mit ihr interferiert, sorgt dies dafĂŒr, dass das Huntingtin-Protein nicht hergestellt wird. Der Hauptmechanismus der Gen-Stummschaltung liegt also in der RNA-Interferenz.

Nun zurĂŒck zur Stummschaltung von Genen

Bisher haben Techniken zur Gen-Stummschaltung doppelstrĂ€ngige RNA-MolekĂŒle genutzt, sogenannte siRNA. DoppelstrĂ€ngige RNA wurde bis jetzt benötigt, da einstrĂ€ngige RNA von der zelleigenen MĂŒllabfuhr entsorgt wird, bevor sie irgendeine Stummschaltung vornehmen kann.

Einmal in die Zelle gelangt, muss die doppelstrĂ€ngige kĂŒnstliche RNA in einzelne StrĂ€nge zerlegt werden, um sich an das zelleigene mRNA-BotenmolekĂŒl fĂŒr Huntingtin binden zu können. Dann wird dieses mRNA-StĂŒck von einem Enzym der Zelle zerlegt, so dass das mutierte Huntingtin-Protein nicht hergestellt wird.

Wir wissen, dass diese Methode die Menge an mutiertem Huntingtin-Protein in Zellen drastisch verringern kann. Was wir jedoch weniger genau wissen, ist, ob der mRNA-Strang, der von der doppelstrÀngigen RNA abgespalten wird, schÀdliche Nebenwirkungen in der Zelle anrichtet. Es besteht die Möglichkeit, dass die Zelle den freiliegenden Strang angreift und dadurch Schaden angerichtet wird. Eine andere Möglichkeit ist, dass der ungenutzte Strang sich an andere mRNA-Abschnitte binden und somit die Herstellung wichtiger Proteine verhindern könnte.

DoppelstrĂ€ngige siRNA-MolekĂŒle verbreiten sich darĂŒber hinaus nicht sehr gut im Gehirn, was die Behandlung grĂ¶ĂŸerer Gehirnregionen erschwert.

Hinzu kommt, dass doppelstrÀngige siNRA sehr kompliziert verpackt werden muss, um in das betroffene Gewebe zu gelangen.

Es gab bereits erste Studien an MĂ€usen und Affen, die gezeigt haben, dass siRNA sicher und effektiv ist, aber wir Wissenschaftler sind ein vorsichtiges Volk und mĂŒssen wirklich von der Sicherheit ĂŒberzeugt sein, bevor wir ein Medikament an Menschen verabreichen.

EinstrÀngige siRNA

Eine Idee, um das mögliche Risiko unerwĂŒnschter Nebenwirkungen der RNA-Interferenz zu verringern, ist die Herstellung einstrĂ€ngiger siRNA. Doch wie können wir das StabilitĂ€tsproblem ĂŒberwinden – also die Ă€rgerliche Angewohnheit der Zellen, die einstrĂ€ngige mRNA direkt zu zerlegen?

Nach jeder Menge harter Arbeit, hat eine Gruppe von Forschern um David Corey in Dallas, in Kooperation mit ISIS Pharamceuticals, kĂŒrzlich verkĂŒndet, dass sie das Problem endlich geknackt haben. Damit Sie eine Vorstellung von der Aufregung bekommen, die dies ausgelöst hat: Die Resultate wurden nicht nur in einem, sondern gleich in zwei aufeinanderfolgenden Artikeln in einer Ausgabe der Spitzenzeitschrift „Cell“ veröffentlicht. Ein ziemlich großer Coup!

Medikamente mit einstrĂ€ngiger siRNA könnten die FĂ€higkeit doppelstrĂ€ngiger RNA, Gene stummzuschalten, mit dem Vorteil einstrĂ€ngiger MolekĂŒle, sich gut im Gehirn auszubreiten, vereinen.
Medikamente mit einstrĂ€ngiger siRNA könnten die FĂ€higkeit doppelstrĂ€ngiger RNA, Gene stummzuschalten, mit dem Vorteil einstrĂ€ngiger MolekĂŒle, sich gut im Gehirn auszubreiten, vereinen.

Indem sie einige chemische Modifikationen an frĂŒheren Versuchen unternommen hatten, konnte das Team um Corey einstrĂ€ngige siRNA herstellen und diese in einer einfachen Salzwasserlösung verpacken. Sie konnten diese Lösung erfolgreich in die FlĂŒssigkeitsrĂ€ume im Gehirn der VersuchsmĂ€use injizieren und konnten dann zeigen, dass sich die siRNA an Huntingtin-mRNA bindet und so die Herstellung des Proteins verhindert.

Eine Win-win-win-Situation?

Hinzu kommt, dass die Effekte einstrÀngiger siRNA im Gegensatz zu doppelstrÀngiger siRNA im gesamten Gehirn zu finden sind, anstatt lediglich in der Region rund um die Injektion zu verbleiben. Zumindest in den behandelten MÀusen produzierte die einstrÀngige siRNA einen Win-win-Effekt: Sie blieb stabil und breitete sich weiter aus.

Doch damit nicht zufrieden, gingen die Wissenschaftler noch weiter. Durch leichte VerĂ€nderungen der Struktur ihres MolekĂŒls konnten sie auch eine einstrĂ€ngige siRNA herstellen, die lediglich die Produktion des mutierten, nicht aber die des normalen Huntingtin-Proteins blockierte. Dies gelang ihnen, indem sie die siRNA gezielt auf den unnormal verlĂ€ngerten ‚CAG‘-Abschnitt des mutierten Huntingtin-Gens ansetzten.

Mit einer einstrĂ€ngigen siRNA mĂŒssen wir uns keine Gedanken darĂŒber machen, was der zweite Strang anrichten könnte, und indem man gezielt die mRNA des mutierten Huntingtins angreift, muss man sich ebenfalls keine Sorgen darĂŒber machen, was passiert, wenn auch das normale Huntingtin-Protein im Körper fehlt.

Was kommt als nÀchstes?

Diese neue Methode sieht also in Versuchen mit MĂ€usen sicher und effektiv aus. Als nĂ€chstes mĂŒssen wir zeigen, dass sie auch in grĂ¶ĂŸeren Tieren sicher und effektiv wirkt, bevor sie schließlich am Menschen getestet werden kann. Das passiert gerade!

Offene Fragen

Einige Fragen sind noch zu beantworten, bevor einstrÀngige siRNA-Interferenz an Menschen getestet werden kann.

ZunÀchst gibt es noch andere Gene, die einen lÀngeren Abschnitt mit CAG-Wiederholungen beinhalten. Wir wissen zur Zeit noch nicht, ob einstrÀngige siRNA sich versehentlich auch an diese anheften und somit andere wichtige Gene ausschalten könnte.

Zweitens besteht noch das Problem der Verabreichung. Wie genau sollen wir die wichtigen Regionen im Gehirn von Huntington-Patienten erreichen? GlĂŒcklicherweise arbeiten Wissenschaftler aus anderen Fachgebieten bereits an diesem Problem. Ein Versuch mit einem Ă€hnlichen Medikament mit einstrĂ€ngiger siRNA zur Behandlung einer Erkrankung der Motoneurone (ALS) lĂ€uft zur Zeit.

Zuguterletzt stellt sich die Frage, wie wir die EffektivitĂ€t des Medikaments in einer Studie messen und ĂŒberwachen sollen. In Tiermodellen können wir dies tun, indem wir uns das Gehirngewebe ansehen und messen, wie viel Huntingtin-Protein hergestellt wurde. Dies ist beim Menschen wesentlich schwieriger, doch Spitzenforscher arbeiten bereits daran und wir denken, dass wir bald fĂŒr erste Versuche bei Huntington-Patienten bereit sein werden.

Weitere Verwendungsmöglichkeiten fĂŒr einstrĂ€ngige siRNA

Ein letzter Ausblick auf andere mögliche Anwendungsgebiete einstrĂ€ngiger siRNA soll noch gegeben werden. Forscher setzen sich ebenfalls mit deren Anwendung in Kombination mit Stammzellen auseinander. Im Grunde arbeiten sie daran, Hautzellen von Huntington-Patienten zu entnehmen und diese in Nervenzellen umzuwandeln. Diese Nervenzellen könnten dann mit einstrĂ€ngiger siRNA behandelt werden, um die Menge mutierten Huntingtins darin zu reduzieren, bevor sie schließlich wieder in das Gehirn eingepflanzt werden.

Es wird noch viele Jahre dauern, bis die Kombination aus einstrÀngiger siRNA und patienteneingenen Stammzellen als Behandlung genutzt werden können, doch es ist eine schöne Idee und gut zu wissen, dass alle theoretisch bestehenden Möglichkeiten verfolgt werden. In der Zwischenzeit gehen wir davon aus, dass einstrÀngige siRNA relativ schnell in klinischen Trials getestet werden kann.

Erfahren Sie mehr

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte zu erklÀren.

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