HDBuzz Sonderausgabe: Huntington-Krankheit und Schlaf
Warum haben viele Huntington-Patienten Schlafproblem und was kann man dagegen tun?
Von Prof Jenny Morton 29. März 2013 Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Albrecht Ursprünglich veröffentlicht am 6. Februar 2013
Viele Huntington-Patienten haben Probleme zu schlafen und mit der Kontrolle ihres Biorhythmus. Diese Probleme könnten zum Spektrum der HK-Symptome gehören und es könnte sich positiv auswirken, sie direkt zu steuern oder zu behandeln. In dieser HDBuzz Sonderausgabe wirft Schlafexpertin Professor Jenny Morton einen Blick auf die Wissenschaft hinter den Schlafproblemen und Lösungen in Bezug auf die Huntington-Krankheit. Bald erscheint Teil 2: Professor Mortons “Einfache Regeln für erholsamen Schlaf”
Nach einem langen Tag freuen sich viele von uns auf die Zufriedenheit, die eine Nacht ungestörten Schlafs mit sich bringt. Aber nicht jedem, der müde ist, ist auch geruhsamer Schlaf garantiert. Wer nicht einschlafen kann, dem mag die Nacht einsam und manchmal wie ein qualvolles Exil erscheinen. Nicht selten teilen diejenigen, die mit den Schlaflosen zusammenleben, die Last. Leider ist für Menschen mit einer neurologischen Krankheit wie Huntington die Folge einer Schlafstörung nicht nur bedauerlich und störend, sondern trägt möglicherweise auch noch wesentlich zu ihren Symptomen bei.
Wir alle brauchen Schlaf
Zweifellos ist Schlaf ein wichtiger und wohltuender Bestandteil unseres Tagesablaufs. Kurzzeitiger Schlafmangel führt nicht zu dauerhaften Schäden, beeinflusst aber unstrittig die Laune. Ohne ausreichenden Schlaf werden Menschen reizbar und unkonzentriert. Sie werden auch uneinsichtig und aufbrausend.
Die meisten Menschen fangen sich wieder nachdem sie sich ordentlich ausgeschlafen haben. Was aber, wenn Sie die Huntington-Krankheit haben?
Es tauchen Hinweise auf, dass HK-Patienten oft an Unregelmäßigkeiten sowohl hinsichtlich Schaf als auch Biorhythmus leiden. Es ist durchaus möglich, dass Fehlfunktionen des Schlafs und des Biorhythmus zum Spektrum der HK-Symptome gehören. Wenn das so ist, ist es wichtig, das dies erkannt wird, denn Schlaf- und Biorhythmus haben negative Auswirkungen auf den Alltag, auch bei Menschen ohne neurologische Probleme. Schlaf- und Biorhythmusstörungen tragen also bei HK-Patienten wahrscheinlich zu HK-Symptomen bei, die durch Schlafentzug verschärft werden, wie Reizbarkeit und Angstzustände.
Wenn man die Huntington-Krankheit hat und schlecht schläft, kann es durchaus sein, dass dies nicht alleine an der Krankheit liegt. Ein wesentlicher Prozentsatz der Gesamtbevölkerung leidet aufgrund persönlicher Angewohnheiten, Lebensstils oder Umwelteinflüssen an Schlafstörungen. Wir bleiben zu lange auf - wir stehen zu früh auf. Wir nehmen Medikamente, die unserem Schlaf in die Quere kommen, wir über-stimulieren uns mit spätnächtlichen Aktivitäten wie Arbeit oder Fernsehen. HK-Patienten bilden da keine Ausnahme. Der Unterschied ist, dass HK-Patienten möglicherweise nicht über die Reserven verfügen mit der ein neurologisch gesunder Mensch Schlafentzug auszugleichen vermag.
Chronischer Schlafentzug ist für gesunde Menschen gesundheitsschädigend, sodass es möglich ist, dass chronische Schlaf-Wach-Defizite zum mentalen Verfall bei HK beitragen. Sollte dies der Fall sein, k durch die Behandlung von Schlafdefiziten den kognitiven und emotionalen Verfall bei HK zu verzögern.
Gibt es einen Unterschied zwischen Schlaf- und Biorhythmus?
Biorhythmus und Schlaf sind zwei verschiedene Prozesse, obwohl die Begriffe oft synonym verwendet werden. Der Biorhythmus besteht aus biologischen Prozessen, die sich ungefähr alle 24 Stunden ändern. Sie werden von einem kleinen Teil des Gehirns, das als suprachiasmatischer Nukleus oder SCN bekannt ist, dirigiert. SCN ist auch bekannt als der Haupttaktgeber des Körpers. Er reguliert alle unsere täglichen Aktivitäten einschließlich des Zeitpunkts an dem man aufstehen und zu Bett gehen möchte.
Schlaf gehört zu den typischen tageszyklischen Verhaltensweisen, denn das Einschlafen passiert typischerweise einmal pro Tag. Er ist aber nur einer von vielen tageszyklischen Verhaltensweisen, die vom Taktgeber kontrolliert werden. Weitere sind die Herzrhythmus, Hormonausstoß, Blutdruck und Körpertemperatur.
Schlaf ist also eine tageszyklische Verhaltensweise, die vom SCN beinflusst wird, aber nicht dort verursacht wird. Schlaf ist ein komplexes Phänomen und der Prozess des Einschlafens, des Aufrechterhaltens von Schlaf und des Aufwachens werden alle von unterschiedlichen Teilen des Gehirns kontrolliert.
Schlaf hat verschiedene Stufen, die sich identifizieren lassen, indem man die elektrische Aktivität des Gehirns beobachtet. Die Mechanismen, die den Schlaf erzeugen und den Übergang zwischen den verschiedenen Schlafstufen kontrollieren verstehen wir noch nicht vollständig. Wir verstehen noch nicht einmal, warum wir schlafen, obwohl sich die Hinweise mehren, dass Schlaf für das Lernen und das bilden bleibender Erinnerungen wichtig ist. Möglicherweise machen wir auch ‘Gehirn-Hausarbeit’, indem wir Erfahrungen des Tages nachbearbeiten.
Neurologische Erkrankung verursacht Schlafprobleme
„Verbesserter Schlaf könnte sich positiv auf kognitive und emotionale Probleme bei Menschen mit Huntington-Krankheit auswirken. “
Schlafunregelmäßigkeiten und Störungen des Biorhythmus sind bereits anerkannte Symptome einer Reihe anderer neurodegenerativer Krankheiten, insbesondere von Parkinson und Alzheimer. Es wird gar berichtet, dass Schlafstörungen bei Alzheimer-Patienten der Hauptgrund ihrer Einweisung ist. Das liegt vermutlich daran, dass, wenn ein Alzheimer-Patient Schlafstörungen hat, dies nicht nur für ihn, sondern auch für den Betreuer zum Problem wird.
Es bedarf weiterer Forschung bevor wir wissen werden, ob Schlaf- oder Biorhythmusstörungen Teil des komplexen Repertoires an Symptomen der Huntington-Krankheit sind, oder ob sie lediglich Folgewirkungen der Huntington-Erkrankung sind. Was auch immer die Ursache, wir sollten jedenfalls anerkennen, dass sogar leichte Schlafunregelmäßigkeiten die neurologischen Symptome bei Huntington-Patienten verschlimmer können. Folgewirkungen von Schlafunregelmäßigkeiten bei der HK können bei der Bestimmung der Versorgung der Patienten entscheidend sein. Und, falls sie das Denken und Stimmungsstörungen verschlechtern, dann könnten sie am Ende auch einen größeren Einfluss auf die Lebensqualität haben als andere Symptome wie unwillkürliche Bewegungen.
Störungen des Biorhythmus bei der Huntington-Krankheit
Der erste Anhaltspunkt dafür, dass der Schlaf- oder Biorhythmus bei Huntington-Patienten anormal ist kam von einer Studie, die feine Veränderungen in Biorhythmusprofilen zeigte, die von Überwachungsgeräten aufgezeichnet wurden, die Bewegungen am Handgelenk nachvollzogen.
Es ist schwierig, den Biorhythmus bei Menschen genau zu messen, weil der Rhythmus von anderen Aktivitäten wie Arbeit oder Sozialleben verdeckt werden kann. Aber man kann ihn leicht bei Mäusen messen und eine direkte Messung des Biorhythmus in einem Mausmodell der HK zeigte klare Unregelmäßigkeiten im tageszyklischen Verhalten.
Diese Mäuse zeigten einen fortschreitenden Zerfall des normalen Rhythmus von Ruhe und Aktivität. Jene Störung spiegelte sich in den HK-Patienten wieder, die Aktivitäts-Messgeräte trugen. Bei den HK-Mäusen kam es auch zu einer Störung des Aktivitätslevels der Gene, welche die Uhr im SCN kontrolliert. Diese Unregelmäßigkeiten des Biorhythmus von HK-Mäusen könnten nun von drei unterschiedlichen Laboratorien bestätigt worden sein.
Bedeutend ist, dass der Zusammenbruch des Biorhythmus bei den Mäusen mit dem Niedergang ihrer Denkfunktion in Zusammenhang gebracht werden konnte - die Wiederherstellung eines guten Biorhythmus hingegen verzögerte den Niedergang des Denkens.
Daraus lässt sich schließen, dass einige der Denkprobleme bei Mäusen durch Schlaf- und Biorhythmusstörungen verursacht wurden. Falls dies bei Menschen genauso ist, dann kann eine Verbesserung von Schlaf und Biorhythmus möglicherweise positive Auswirkungen auf kognitive und emotionale Probleme bei Menschen mit Huntington haben.
Was verursacht Schlafstörungen bei Huntington?
Die häufigste Ursache von Schlafstörungen bei gesunden Menschen sind Depression, Stimulantien wie Koffein und Nikotin sowie aufwühlende Lebensgewohnheiten wie spätes zu-Bett-Gehen, spätes Aufstehen und Nickerchen tagsüber. Daher ist es wahrscheinlich, dass dieselben Schuldigen auch bei Huntington-Patienten die Schlafstörungen verursachen.
Es ist aber ebenfalls möglich, dass Schlaf- und Biorhythmusunregelmäßigkeiten direkte Symptome der HK sind, in derselben Weise, wie die Chorea ein Symptom ist. Es gibt Hinweise auf Schlafstörungen bei früh symptomatischen HK-Patienten, die weder Medikamente nehmen, noch depressiv sind.
Wir wissen also noch nicht, ob es Schlaf- und Biorhythmusstörungen gibt, die direkt durch die Huntington-Mutation hervorgerufen werden oder, ob es einfach so ist, dass einige Patienten aufgrund ihrer HK-Symptome in ihrem Schlaf oder ihrem tageszyklischen Verhalten gestört sind.
Weitere Forschung ist erforderlich zur Beantwortung dieser Frage. Aber es ist interessant, dass viele der kaum merklichen Symptome früher HK häufig denen ähneln, die normale Menschen nach Schlafentzug erfahren.
Lassen sich Schlaf- und Biorhythmusstörungen bei der HK behandeln?
Wer an der Huntington-Krankheit leidet, möchte nicht noch zusätzlich die Folgen von Schlafentzug zu seiner Last an Symptomen hinzufügen. Es gibt aber gute Neuigkeiten: Etablierte Behandlungsmöglichkeiten für Schlafstörungen gibt es bereits.
Wenn gestörter Schlaf sich störend auf Ihren Alltag auswirkt, sollten Sie einen Arzt konsultieren. Der Arzt kann vielleicht etwas verschreiben, was Ihnen helfen wird. Es muss keine langfristige Behandlung sein - manchmal genügt eine Behandlung über einen kurzen Zeitraum hinweg, um ein gesundes Schlafmuster wiederherzustellen.
Falls Sie es für möglich halten, depressiv zu sein, sollten Sie mit einem Arzt über Depression und Schlafprobleme sprechen. Depression ist der Feind des Schlafes, aber es gibt wirksame Behandlungen.
Denken Sie auch daran, dass es viele Medikamente gibt, die Schlaflosigkeit als Nebenwirkung hervorrufen. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, ob die Medikamente, die Sie nehmen zu Schlaflosigkeit führen können. Hören Sie nicht auf, die Medikamente einzunehmen, auch wenn Sie meinen, sie könnten sich störend auf Ihren Schlaf auswirken. Holen Sie immer den Rat eines Arztes oder sonstigen Gesundheitsdienstleister ehe Sie Ihre Medikamente wechseln.
Einfache Regeln für guten Schlaf
Neben Medikamenten gibt es weitere anerkannte, wissenschaftlich belegte Selbsthilfe-Strategien, die zu besserem Schlaf verhelfen können. Ob Sie ein Pfleger oder Patient sind, eine Verbesserung Ihrer “Schlafhygiene” kann sich nur positiv auswirken.
Professor Mortons “Einfache Regeln für guten Schlaf” wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Experimental Neurology veröffentlich. In der nächsten Teil dieses Sonderbeitrags zu Schlaf bei der Huntington-Krankheit bringen wir Ihnen die vollständigen “Einfachen Regeln”.