
Prägungen aus der Kindheit: Kindheitserlebnisse und psychische Gesundheit im Erwachsenenalter in Huntington-Familien
Manche Kindheitserfahrungen bleiben uns erhalten und prägen im Stillen, wie wir uns als Erwachsene fühlen. Für diejenigen, die in Familien mit der Huntington-Krankheit aufgewachsen sind, hilft diese neue Studie, diese Gefühle zu verstehen, und erinnert uns daran, dass Heilung möglich ist.
Für viele Menschen, die in Familien aufwachsen, die von der Huntington-Krankheit betroffen sind, besteht die Kindheit nicht nur aus aufgeschürften Knien und Schulbüchern. Sie kann auch bedeuten, mit Ungewissheit, emotionalen Turbulenzen und einem Schweigen zu leben, das nur schwer zu bewältigen ist. Während der Schwerpunkt auf der Person mit Huntington liegt, stellt eine wachsende Zahl von Forschern eine andere Frage: Was ist mit den Kindern in diesen Familien? Eine aktuelle Studie unter der Leitung von Dr. Ferdinando Squitieri und seinem Team in San Giovanni Rotondo, Italien, untersuchte, ob sich das Aufwachsen mit einem Elternteil, der an Huntington erkrankt ist, auf die psychische Gesundheit des Kindes im späteren Erwachsenenalter auswirken kann. Die Antwort lautet leider ja, und das ist eine Wahrheit, die unsere Aufmerksamkeit erfordert.
Eine andere Art von Trauma
Wenn wir das Wort Trauma hören, stellen wir uns vielleicht große, dramatische Ereignisse vor, die sich leicht herausheben und identifizieren lassen. Ein Trauma kann jedoch auch durch kleinere, wiederholte emotionale Erfahrungen entstehen, insbesondere in der Kindheit, wenn wir noch lernen, die Welt und unsere Gefühle zu verstehen.
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Huntington-Krankheit nicht nur die Bewegungen und den Verstand (die Fähigkeit zu denken, sich zu erinnern und sich zu konzentrieren) eines Menschen beeinträchtigt. Sie kann auch die emotionalen Reaktionen einer Person verändern und sie reizbarer, zurückgezogener oder emotional unberechenbarer machen. Bei einigen Menschen mit Huntington können diese Veränderungen bereits vor der offiziellen Diagnose auftreten.
Für ein Kind kann eine solche Umgebung sehr beunruhigend sein. Ein Elternteil kann unwirsch oder ungewöhnlich distanziert werden. Stellen Sie sich vor, ein Kind verschüttet aus Versehen sein Getränk und wird daraufhin mit einem Wutausbruch oder scharfer Kritik konfrontiert. Mit der Zeit lernt das Kind, vorsichtig zu sein und sich in der emotionalen Landschaft des Elternhauses wie in einem Minenfeld zu bewegen.
Kinder verstehen vielleicht nicht, warum ihr Elternteil sich so verhält, und oft gibt es keine Erklärung. Die Familien wissen vielleicht selbst nicht, was passiert, oder sie vermeiden es aus Angst, Scham oder Stigmatisierung, darüber zu sprechen.

Zurückblicken mit den Augen eines Erwachsenen
Für die Studie rekrutierten Dr. Squitieri und sein Team zwei Gruppen von Erwachsenen. Eine Gruppe umfasste 38 Personen, die mit einem Elternteil mit Huntington aufgewachsen waren. Die andere Gruppe bestand aus 20 Personen, die keine familiäre Vorgeschichte von Huntington oder ähnlichen Erkrankungen hatten.
Jeder Person wurde eine Reihe von Fragen zu ihrem Hintergrund gestellt, z. B. zum Gesundheitszustand ihrer Eltern (wenn sie aus einer Familie mit Huntington stammten), zu ihren Kindheitserfahrungen und zu ihrem derzeitigen emotionalen Wohlbefinden. Die Fragen gingen behutsam darauf ein, ob jemand Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt hatte. Sie fragten auch nach Themen rund um die psychische Gesundheit, wie Angst, schlechte Laune oder Stress, und konzentrierten sich insbesondere darauf, wie sich die jeweilige Person in der Gegenwart fühlt.
Die Forscher suchten mithilfe von Statistiken nach Mustern in den Antworten, die die Menschen auf die Fragen gaben. Sie verglichen verschiedene Personen aus der gleichen Gruppe, um zu sehen, wie Personen aus verschiedenen Familien mit HD geantwortet haben. Sie verglichen auch die Antworten zwischen den beiden Gruppen (Menschen aus Familien mit und Menschen aus Familien ohne die Erkrankung). Auf diese Weise konnten die Forscher herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen den Erfahrungen in der Kindheit und der psychischen Gesundheit im Erwachsenenalter gibt.
Menschen, die in Huntington-Familien aufgewachsen waren, hatten im Erwachsenenalter eher mit emotionalen und psychologischen Problemen zu kämpfen. Dazu gehörten Gefühle von Niedergeschlagenheit oder Überforderung und in einigen Fällen Probleme, klar zu denken oder sich mit der Realität verbunden zu fühlen.
Emotionale Echos, die bleiben
Menschen, die in Huntington-Familien aufgewachsen waren, hatten im Erwachsenenalter eher mit emotionalen und psychologischen Problemen zu kämpfen. Dazu gehörten Gefühle von Niedergeschlagenheit oder Überforderung und in einigen Fällen Probleme, klar zu denken oder sich mit der Realität verbunden zu fühlen.
Was jedoch wirklich auffiel, war, warum Menschen aus Familien mit Huntington im Erwachsenenalter mit ihrer psychischen Gesundheit zu kämpfen hatten. Die Forscher fanden heraus, dass es nicht immer körperliche Misshandlung oder große, traumatische Ereignisse waren, die später im Erwachsenenalter zu psychischen Problemen führten.
Häufiger war es emotionaler Missbrauch oder Vernachlässigung, Dinge wie ständige Kritik, verletzende Worte oder das Aufwachsen in einem Zuhause, in dem sich Gefühle unsicher, unberechenbar oder einfach zu schwierig anfühlten, um darüber zu sprechen.
Bei Kindern aus Familien mit Huntington können emotionale Erfahrungen die Gefühle eines Menschen über Jahrzehnte hinweg prägen.

Gefühle in Worte fassen
Es ist leicht, solche Ergebnisse zu lesen und ein Gefühl der Schwere zu verspüren. Doch diese Forschungsergebnisse verschaffen unserer Huntington-Gemeinschaft Verständnis. Sie benennt, was viele Menschen, die in Familien mit Huntington aufgewachsen sind, seit Jahren spüren, aber nicht immer erklären konnten. Sie erinnert uns daran, dass das emotionale Wohlbefinden wichtig ist und dass Kinder in diesen Familien möglicherweise mehr als nur körperliche oder praktische Unterstützung brauchen. Sie brauchen vielleicht jemanden, der ihnen zuhört, der ihnen glaubt und der ihnen hilft, das zu verstehen, was sie gerade erleben.
Für Erwachsene, die in einem solchen Umfeld aufgewachsen sind, ist das eine Bestätigung. Wenn Sie heute mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, ist das nicht unbedingt eine persönliche Schwäche oder etwas Zufälliges. Es könnte etwas sein, das in Ihrer Vergangenheit verwurzelt ist, etwas, das auf subtile Weise begann und bei Ihnen geblieben ist. Aber das bedeutet auch, dass Heilung möglich ist. Unterstützung ist möglich und verfügbar.
Wenn Sie mehr über Unterstützungssysteme und Ressourcen für junge Menschen mit Huntington-Krankheit erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen, sich an die Huntington’s Disease Youth Organization (HDYO) zu wenden, die eine breite Palette von Ressourcen zur Verfügung stellt, einschließlich des Zugangs zu Peer-Unterstützung und Verbindungen zu Fachleuten in der Gemeinde. Sie können sich auch an die Deutsche Huntington-Hilfe wenden, die Selbsthilfegruppen für Jugendliche, Bildungstage und Aufklärung über die Erkrankung bietet. Sie sind nicht allein, und Unterstützung ist verfügbar.
Solche Ergebnisse zu lesen, kann dazu führen, ein Gefühl der Schwere zu verspüren. Doch diese Forschungsergebnisse helfen der Huntington-Gemeinschaft zu verstehen.
Eine stille Art der Tapferkeit
Das Aufwachsen in einer Huntington-Familie kann eine stille Art von Tapferkeit erfordern, die Art, die von anderen nicht immer erkannt wird. Das Kind, das sich vorsichtig um die Stimmung der Eltern herumdrückt. Der Teenager, der das Familiengeheimnis bewahrt. Der Erwachsene, der immer noch versucht, sich einen Reim auf das Ganze zu machen.
Diese Studie erinnert uns daran, dass frühe emotionale Erfahrungen für Kinder, die in Familien mit Huntington aufwachsen, wichtig sind . „Die Dinge, die wir aus der Kindheit mitgebracht haben“ ist nicht nur eine Metapher. Für viele Betroffene ist es eine Wahrheit, mit der sie jeden Tag leben.
Aber etwas lange mit sich herumzutragen, bedeutet nicht, dass Sie es allein oder für immer mit sich herumtragen müssen. Mit Unterstützung ist Heilung für Erwachsene aus Familien mit Huntington nicht nur möglich, sondern zum Greifen nah.
Zusammenfassung
- Mit einem Elternteil aufzuwachsen, das an Huntington leidet, bedeutet oft, mit emotionaler Unberechenbarkeit oder Stille zu leben.
- Eine Studie mit 38 Erwachsenen aus Huntington-Familien zeigte höhere Raten von Depressionen, Angstzuständen und Überforderung als bei Menschen, die nicht aus Huntington-Familien stammen.
- Emotionaler Missbrauch oder Vernachlässigung, nicht aber größere traumatische Ereignisse, waren die wichtigsten Gründe für psychische Probleme bei Erwachsenen.
- Die Ergebnisse bestätigen die gelebten Erfahrungen und unterstreichen den Bedarf an emotionaler und praktischer Unterstützung.
- Unterstützung und Heilung sind durch Ressourcen wie das HDYO und die Deutsche Huntington-Hilfe möglich.
Mehr erfahren
Original-Forschungsartikel (auf Englisch): “Childhood trauma and psychological distress during adulthood in children from Huntington’s disease families: An exploratory retrospective analysis” (freier Zugriff).
For more information about our disclosure policy see our FAQ…