KINECT-HD-Studie zeigt Verbesserung bei unwillkürlichen Bewegungen von Huntington-Patienten mittels Valbenazin
Neurocrine Bioscience's KINECT-HD-Studie zeigt, dass eine Behandlung mit Valbenazin zu einer signifikanten Reduzierung ungewollter Bewegungen ("Chorea") führt.
Von Professor Ed Wild 20. Dezember 2021 Bearbeitet von Dr Rachel Harding Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 14. Dezember 2021
“Chorea” - das sind die ungewollten, ruckartigen Bewegungen - macht den am leichtesten wahrnehmbaren Teil der Huntington-Krankheit aus. Es gibt bereits Medikamente, um Chorea zu behandeln, die speziell für Huntington freigegeben wurden und solche, die für andere Krankheiten entwickelt wurden, aber dennoch auch Huntington-Patienten helfen können. Alle dieser Medikamente haben mögliche Nachteile. Daher gibt es weiterhin Entwicklungen, die eine gezieltere Behandlung ermöglichen könnten. So hat die Firma Neurocrine Biosciences kürzlich Ergebnisse aus der KINECT-HD-Studie zum Medikament Valbenazin veröffentlicht: Valbenazin konnte die Chorea im Vergleich zum Placebo maßgeblich reduzieren.
Chorea und Huntington
Die große Mehrheit der Huntington-Patienten weist im Laufe ihrer Krankheit Chorea auf. Der Begriff leitet sich aus dem griechischen Wort für “Tanz” ab und beschreibt ruckartige, ungewollte Bewegungen. Während die Patienten selbst sich an diesen Bewegungen oft wenig stören, sind sie oft irritierend und peinlich für ihre Angehörigen.
Existierende Medikamente gegen diese Bewegungen, steuern den Neurostransmitter Dopamin. Am längsten wird das Medikament Tetrabenazin (Markenname Xenazine) eingesetzt. Es wurde bereits in den 1950er Jahren gegen Schizophrenie entwickelt und ist seit den 1980er Jahren gegen ungewollte Bewegungen zugelassen. In den USA gibt es seit 2008 die offizielle Zulassung für die Behandlung der Chorea bei der Huntington-Krankheit. Heute wird es verbreitet eingesetzt, aber es hat den Nachteil, dass es Verstimmungen und Depressionen verstärkt, die ohnehin bei Menschen mit Huntington oft vorherrschend sind.
Neben Tetrabenazin setzen Ärzte weitere, damit verwandte, “anti-psychotische” Wirkstoffe ein, um die Chorea zu reduzieren. Dazu gehören die Substanzen Olanzapin, Risperidon, Sulpirid und Quetiapin. Eigentlich machen sich die Ärzte in diesem Fall eine Nebenwirkung der Medikamente zu Nutze: Sie versteifen die Muskeln.
Diese Art von Medikamenten kann außerdem gegen weitere Aspekte der Krankheit helfen, insbesondere Reizbarkeit und Aggressionen. Allerdings können sie - abgesehen von weiteren Nebenwirkungen - gleichzeitig Benommenheit und Probleme mit erhöhtem Blutzucker und Cholesterin hervorrufen. Es fehlen bei bei diesen Stoffen auch noch ausführlichere Studien speziell für die Anwendung bei Huntington.
Im Jahr 2017 wurde dann in den USA durch die FDA noch das Medikament Deutetrabenazin (Austedo) zugelassen, das Tetrabenazin sehr ähnelt, allerdings im Körper langsamer abgebaut wird.
Valbenazin und die KINECT-HD-Studie
Valbenazin (Ingrezza) ist chemisch verwandt mit Tetrabenazin und verursacht einen ähnlichen Mechanismus, allerdings wurde es optimiert, sodass es länger vorhält und weniger Nebenwirkungen aufweist. Valbenazin soll nur einmal täglich, Tetrabenazin muss drei mal und Deutetrabenazin immerhin zwei mal eingenommen werden.
Um die Wirksamkeit von Valbenazin gegen Chorea bei Huntington-Patienten zu testen, startete Neurocrine Biosciences zusammen mit der Huntington Study Group im Jahr 2019 die KINECT-HD-Studie. Es war eine Phase-3-Studie, randomisiert und doppelt verblindet mit 128 teilnehmenden Patienten, die über 12 Wochen hinweg behandelt wurden.
„Patienten, die Valbenazin einnahmen, erreichten zum Schluss einen um 3,2 Punkte niedrigeren TMC-Wert als Patienten, die den Placebo bekamen. “
Es wurde getestet, ob Symptome von Patienten, die Valbenazin bekamen, sich stärker verbesserten als von denen, die ein Placebo erhielten. Dazu verwendete man eine zusammengefasste Version des “Unified Huntington’s Disease Rating Scale”, eine standardisierte, neurologische Untersuchung für die Huntington-Krankheit. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist eine Zahl namens “total maximal chorea score” (=TMC).
Weiterhin wurden in der Studie Sicherheit und Verträglichkeit, sowie Auswirkungen auf Stimmung und Psyche und allgemeine Huntington-Symptome auswegertet. Das Konzept der Studie sowie die offiziellen Updates können hier nachgelesen werden (auf Englisch).
Die Ergebnisse
In einer Pressemitteilung-associated-with-huntington-disease-301439605.html) am 07.12.2021 meldete Neurocrine, dass die finalen Studienergebnisse positiv waren. Patienten, die Valbenazin einnahmen, erreichten zum Schluss einen um 3,2 Punkte niedrigeren TMC-Wert als Patienten, die den Placebo bekamen. Dabei handelt es sich um einen statistisch signifikanten Unterschied, sodass Zufall ausgeschlossen werden kann.
Bisher sind nicht mehr Details bekannt, aber es kann aufgrund der Pressemitteilung davon ausgegangen werden, dass es noch weitere Verbesserungen zu beobachten gab. Weiterhin wurden keine Sicherheitsbedenken oder gravierende Nebenwirkungen gemeldet.
Was wir nicht wissen
Wie üblich, gibt eine solche Pressemitteilung nicht allzu viel preis, es gibt daher mehrere Dinge, die noch nicht klar sind.
Die beschriebene TMC-Skala hat einen Maximalwert von 28 (damit wird die stärkste mögliche Form von Chorea beschrieben), es ergeben sich also große Unterschiede, je nach dem durchschnittlichen Anfangswert bei den Studienteilnehmern: Wenn der Durchschnittswert bei 15 lag, würde eine Verbesserung um 3 Punkte 20% entsprechen. Wenn er dagegen beispielsweise 6 betrug, würden 3 Punkte schon eine Verbesserung von 50% ausmachen.
Weiterhin wäre es insbesondere interessant zu wissen, wie Valbenazin im Vergleich zu den bereits vorhandenen Chorea-Medikamenten abschneidet. Es ist schon mal gut, dass es nur einmal täglich eingenommen werden muss. Aber die Studie KINECT-HD wird uns nur sagen können, wie sich Valbenazin im Vergleich zu einer Placebogabe verhält, nicht im Vergleich zu der Gabe von anderen Medikamenten.
Was kommt als Nächstes?
Neurocrine will die vollständigen Ergebnisse der Studie auf wissenschaftlichen Konferenzen im Jahr 2022 präsentieren und nach Gegenprüfung in einem Journal veröffentlichen. Weiterhin wollen sie sich um eine Zulassung durch die FDA (US-amerikanische Zulassungsbehörde) bewerben. Über weitere Länder oder Kontinente ist derzeit nichts bekannt.
Parallel dazu hat Neurocrine bereits die KINECT-HD2-Studie begonnen, bei der es sich um eine Verlängerung von KINECT-HD handelt, bei der die Patienten wissen, dass sie Valbenazin und keinen Placebo einnehmen. An dieser Studie können auch Betroffene teilnehmen, die bisher nicht für KINECT-HD eingeschrieben waren, mehr Informationen auf Englisch gibt es auf der Webseite der Huntington Study Group.
Neurocrine legt also nicht die Hände in den Schoß und wir sind schon auf die Detailergebnisse und weitere Erkenntnisse gespannt. Wie immer danken wir allen, die diese Studie ermöglicht haben.