Enttäuschende Neuigkeiten von Legato-HD-Studie und Laquinimod bezüglich der Huntington-Krankheit
Die Legato-HD-Studie zu Laquinimod konnte nicht zur Verlangsamung des Fortschreitens der Huntington-Krankheit führen. Hier geht es zu den Fakten.
Von Dr Jeff Carroll 22. August 2018 Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 2. August 2018
Die Legato-HD-Studie an Laquinimod zur Verlangsamung des Fortschreitens der Huntington-Krankheit hat ihren primären Endpunkt verfehlt. Was ist ein Endpunkt und was bedeutet das alles für Familien, die von der Huntington-Krankheit betroffen sind?
Um was ging es bei der Legato-HD-Studie?
Legato-HD war darauf ausgelegt, zu überprüfen, ob ein Medikament namens Laquinimod in der Lage ist, das Fortschreiten der Huntington-Krankheit zu verlangsamen. Das Medikament wird von Active Biotech zusammen mit dem israelischen Medikamentenhersteller Teva Pharmaceuticals entwickelt. Es wird getestet, ob es gegen zwei Gehirnerkrankungen helfen kann - Multiple Sklerose (MS) und die Huntington-Krankheit.
Bei beiden Krankheiten findet eine Überaktivierung des Immunsystems statt, insbesondere im Gehirn. Bei MS gibt es sehr klare Verbindungen zwischen dieser Überaktivierung und den Symptomen der Krankheit. Bei der Huntington-Krankheit ist das weniger offensichtlich, aber Huntington-Patienten und Tiermodelle weisen Anzeichen erhöhter Aktivierung des Immunsystems im Gehirn auf.
Teva hat Laquinimod an Huntington-Patienten zusammen mit der Huntington Study Group und dem European Huntington’s Disease Network in einer Studie namens Legato-HD getestet. An der Studie nahmen weltweit 351 Patienten teil, jede/r bekam eine von drei unterschiedlichen Dosen von Laquinimod bzw. einen Placebo.
Die Versuchsreihe gestaltete sich holprig - aufgrund von Bedenken bezüglich zu hoher Dosen, die während einer MS-Studie entstanden, wurde bereits im Jahr 2016 die höchste der getesteten Mengen aus der Studie herausgenommen. Dadurch wurde leider die Gesamtzahl der Teilnehmer reduziert, genauso wie die durchschnittliche Dosis. Unweigerlich sank damit auch die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ergebnisses.
Ein Wort zu Endpunkten
Bevor es hier um die Ergebnisse geht, möchten wir daran erinnern, dass ein kritischer Punkt bei dem Entwurf einer Studie die Festlegung eines Endpunktes ist. Dieser beschreibt die spezifische Auswirkung des Versuches, die man sich erhofft. Er schützt vor Wunschdenken, indem bereits vor dem Experiment feststehen muss, welche Voraussetzungen für einen Erfolg erfüllt sein müssen und das Ergebnis somit im Nachhinein nicht so leicht schöngeredet oder überinterpretiert werden kann.
Sobald also die Wissenschaftler entschieden haben, welche Veränderung sie am Ende sehen wollen, legen sie diese als den so genannten primären Endpunkt der Studie fest. Wenn die Studie später zeigt, dass der primäre Endpunkt erzielt wurde, dass also die erhofften Wirkungen eingetreten sind, wird das Ergebnis der Studie als positiv bewertet. Wenn nicht, dann fällt die Studie im strengen Sinne negativ aus, selbst wenn beispielsweise andere Symptome der Krankheit gemildert werden konnten.
Auch wenn es im Allgemeinen nur einen Endpunkt für eine Studie gibt, legen Pharmaunternehmen oft einen sekundären Endpunkt für klinische Studien fest. Hierbei geht es um Merkmale der Krankheit, von denen man sich erhofft, dass sie sich verbessern, die aber keine Aussage über Erfolg oder Misserfolg der Studie treffen. Ungleich dem primären Endpunkt, kann es auch mehrere sekundäre Endpunkte geben, da es nützlich sein kann, möglichst viele Details der freiwilligen Studienteilnehmer möglichst sorgfältig zu beobachten.
Was waren die Endpunkte der Legato-HD-Studie?
Für die Legato-HD-Studie legten die Wissenschaftler als Endpunkt ein Maß für die Bewegungen der Studienteilnehmer fest. Dieses vollständige Bewegungsmaß (engl.: total motor score) schließt sowohl die ausschweifenden Bewegungen mit ein, die so typisch für die Huntington-Krankheit sind, als auch Schwierigkeiten mit gewöhnlichen Bewegungen wie Gang oder Augenbewegung. Der primäre Endpunkt bei Legato-HD war die Verlangsamung der Verschlechterung dieses Bewegungsmaßes vom Startpunkt der Studie bis hin zur Untersuchung der Teilnehmer nach 12 Monaten.
Die verantwortlichen Wissenschaftler legten auch vier sekundäre Endpunkte fest. Zur Wiederholung, das waren die Aspekte der Krankheit, die sich nach Hoffnung der Forscher durch die Behandlung mit Laquinimod verbessern lassen würden, die aber nicht herangezogen werden sollten, um zu bestimmen, ob die Studie erfolgreich war oder nicht - hierzu dient alleine der primäre Endpunkt.
Bei der Legato-HD-Studie, bestanden die sekundären Endpunkte aus der Messung des Volumens eines Gehirnbereiches, der normalerweise im Verlauf der Huntington-Krankheit schrumpft und drei weiteren Messungen für das Fortschreiten der Krankheit.
„Die Versuchsreihe ist deswegen ein Erfolg, weil sie das erreichte, wofür sie ausgelegt war: sie sollte uns Auskunft geben, ob Laquinimod die Symptome der Huntington-Krankheit lindert. “
Was wissen wir?
Am 31. Juli veröffentlichten die Sponsoren von Legato-HD eine Pressemitteilung mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse. Das ist für diese Art von Studien üblich: zunächst wird eine knappe Pressemitteilung durch die Sponsoren veröffentlicht, die die zentralen Ergebnisse aufführt und erst später wird eine tiefergehende Aufarbeitung im Rahmen einer wissenschaflichen Publikation realisiert.
Leider besagt die Pressemitteilung, dass Laquinimod “nicht den primären Endpunkt bezüglich der Veränderung im Vergleich zum Ausgangszustand nach 12 Monaten der Behandlung erreichte”. Das bedeutet, dass das definierte Bewegungsmaß nicht ausreichend starke Verbesserungen bei den Huntington-Patienten, die Laquinimod einnahmen, aufwies, um im Sinne der Forscher zu beweisen, dass das Medikament funktioniert.
Allerdings, wird in der Pressemitteilung wie folgt fortgefahren: “Der sekundäre Endpunkte der Studie, die Reduktion der Hirnatrophie […] wurde erreicht”. Das könnte recht interessant sein, denn es legt nahe, dass das Medikament Auswirkungen auf den Prozess hat, der die Schrumpfung des Gehirns bewirkt. Jedoch wurden die anderen drei sekundären Endpunkte in der Pressemitteilung nicht erwähnt und somit ist es wahrscheinlich, dass sie nicht erreicht wurden.
Es ist Vorsicht geboten. Es gib eine lange Reihe von sekundären Endpunkten, für die es in ersten Studien positiv aussieht, die dann aber in Folgestudien nicht reproduzierbar sind. Während wir die potentielle Auswirkung von Laquinimod auf das Hirnvolumen also spannend finden, müssen wir uns mit der Urteilbildung zurückhalten, bis wir die ausführlichen Ergebnisse kennen.
Handelt es sich um eine fehlgeschlagene Studie?
Es ist enttäuschend, dass die Legato-HD-Studie nicht ihren primären Endpunkt erzielte, trotzdem sehen wir sie nicht als fehlgeschlagen an. Die Versuchsreihe ist deswegen ein Erfolg, weil sie das erreichte, wofür sie ausgelegt war: sie sollte uns Auskunft geben, ob Laquinimod die Symptome der Huntington-Krankheit lindert. Das tut es nicht. Das wissen wir jetzt und können daher mit den nächsten Ideen und Versuchen weitermachen.
Wir sagen oft, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aufeinander aufbauen. Heute haben wir wieder etwas mehr darüber verstanden, was bezüglich der Huntington-Krankheit funktioniert und was nicht - das ist ein Fortschritt.