Von Caroline Casey Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Rebecca

Aufregende Neuigkeiten für die Huntington-Forschung bietet ein neues genetisch zuverlässiges Modell: ein Huntington-Schwein. Mithilfe einer Kombination von brandaktuellen DNA-Bearbeitungswerkzeugen gelang es Wissenschaftlern solche Schweine zu züchten, bei denen die Huntington-Krankheit nicht nur das teilweise Absterben von Hirnzellen auslöst, sondern die auch eine weite Spanne von Symptomen identisch zu denen bei Menschen beobachten lassen.

Tiermodelle

Nervenkrankheiten wie die Huntington-Krankheit sind eine besondere Herausforderung für die Forschung, da im Gegensatz zu Leber- oder Niere, das hier betroffene Organ, das Gehirn, nicht so leicht zugänglich ist. Man kann beispielsweise keine Proben davon entnehmen. Daher versucht man die Schädigungen und Symptome in Tiermodellen wiederzugeben.

Ein neues Huntington-Schwein erregt die Aufmerksamkeit der Wissenschaft
Ein neues Huntington-Schwein erregt die Aufmerksamkeit der Wissenschaft

Der größte Teil der Informationen, die wir über die Krankheit bisher haben, wurde mithilfe solcher Tiermodelle erhalten, insbesondere durch Studien an Mäusen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass man ohne diese Tiermodelle vom aktuellen Stand der Huntington-Forschung wohl noch Jahrzehnte entfernt wäre. Dennoch ist eine Maus eine Maus und kein Mensch; wir haben nicht die gleiche Gehirnstruktur oder -größe und auch nicht die gleiche Lebensspanne und so weiter und so weiter. Daher wird nicht alles, was bei Mausmodellen beobachtet wird, auch beim Menschen beobachtet.

Jetzt haben wir Schwein

Man brauchte also ein dem Menschen ähnlicheres, ein größeres Tiermodell, im wahrsten Sinne des Wortes ein “Schweinchen in der Mitte”. Und genau das haben wir zum Glück jetzt aufgrund der Anstrengungen eines chinesisch-amerikanischen Teams.

Die Forscher von der Emory University und dem “Guangdong-Hongkong-Macau-Institut der Regeneration des zentralen Nervensystems” der Jinan Universität haben ein genetisches Modell der Huntington-Krankheit in Schweinen erzeugt, indem sie zwei der modernsten Techniken der Genbearbeitung und -transplantation anwandten. Mithilfe einer raffinierten Vorgehensweise dringen die Wissenschaftler bei der ersten Technik in die DNA der Zelle vor und bearbeiten diese. So können Fehler behoben werden. Es handelt sich hierbei um CRIPSR/Cas9 (siehe auch https://de.hdbuzz.net/244). Die zweite Technik ist der “Somatische Zellkerntransfer”, mithilfe dessen schon im Jahr 1996 das Klon-Schaf Dolly gezüchtet wurde.

Es handelt sich also um eine technisch sehr ausgefeilte Vorgehensweise, aber jetzt wissen wir, es handelt sich auch um einen gangbaren Weg.

Was die Huntington-Schweine besonders macht, ist die Intensität der Symptome, die sie zeigen. Diese ähneln den bei Menschen beobachteten Symptomen viel stärker, als es bei Nagetieren der Fall ist.

Um es einfach zu beschreiben, können wir sagen, man kann aus dem Huntington-Gen des Schweins einen Teil herausschneiden und diesen durch den mutierten Genabschnitt eines Huntington-Patienten ersetzen. Diesen Schritt führten die Forscher in den Hautzellen von Schweinen durch. Was danach kam, macht die Sache noch spannender: sie nahmen den Zellkern (Nukleus) heraus, der die vollständige DNS enthält und züchteten mit seiner Hilfe einen Schweineembryo. Mithilfe von einer Sau, die als Leihmutter diente, wurden im Anschluss mehrere Generationen von Huntington-Schweinen gezüchtet. Die Genmutation wurde dabei, wie in diesem Fall gewünscht, von Generation zu Generation übertragen, genau wie es bei menschlichen Huntington-Familien der Fall ist.

Vorteile des Schweinmodells

Was die Huntington-Schweine besonders macht, ist die Intensität der Symptome, die sie zeigen. Diese ähneln den bei Menschen beobachteten Symptomen viel stärker, als es bei Nagetieren der Fall ist. Die Bewegungsauffälligkeiten oder Chorea, zeigte sich bei den Schweinen mit zunehmendem Alter anhand von Lauf- und Rennschwierigkeiten. Filmaufnahmen der Tiere machen die Ähnlichkeit zu den Auffälligkeiten bei menschlichen Huntington-Patienten deutlich. Überraschenderweise wies bisher kein Nagetiermodell solche Bewegungsschwierigkeiten auf, wodurch die Erprobung neuer Medikamente an Mausmodellen in Frage gestellt werden musste.

Was die Veränderungen im Gehirn betrifft, wurde wiederum eine gute Übereinstimmung zwischen Schweinen und Menschen beobachtet: Beispielsweise sind eine bestimmte Art von Nervenzellen, die mittleren stacheligen Neuronen, die ersten Opfer im Gehirn von Huntington-Patienten und sterben im Verlauf der Krankheit früh ab. Wahrscheinlich hängen die Bewegungsstörungen damit zusammen. Bisher stellt es die Wissenschaftler vor ein Rätsel, warum ausgerechnet diese Neuronen so sensibel sind. Die Schweine bieten eine neue Möglichkeit hier die Hintergründe zu erforschen, da das selektive frühe Absterben dieser Neuronengruppe sich auch bei ihnen zeigt.

Ähnlich wie an anderen Körperstellen, ruft eine Verletzung auch im Gehirn eine Immunreaktion des Körpers hervor. Im Gehirn werden in einem Prozess namens Gliose spezialisierte Zellen eingeschaltet, falls Schäden auftreten. Dieser Mechanismus findet bei menschlichen Huntington-Patienten statt, konnte bisher in Tiermodellen aber nicht repliziert werden. Hier sticht das Schweinmodell wieder hervor, denn die Wissenschaftler konnten die Gliose auch hier nachweisen.

Mithilfe von Genbearbeitungsmethoden wurde die DNS des Schweins präzise verändert
Mithilfe von Genbearbeitungsmethoden wurde die DNS des Schweins präzise verändert

Auf der anderen Seite sterben Huntington-Patienten meist nicht an den Schäden, die im Gehirn auftreten, sondern aufgrund von deren Auswirkungen. Denn das Gehirn bestimmt alle unsere bewussten Entscheidungen und ebenso alle unbewussten Körperreaktionen wie die Atmung oder den Stoffwechsel. Wenn wir also einen großen Teil unseres Gehirns verlieren, leidet unser gesamter Körper darunter. Am Ende sind es dann Atemprobleme oder Lungenentzündungen, die die Haupttodesursache bei Huntington-Patienten darstellen. Solche Beobachtungen konnten bei Tiermodellen bisher noch nie gemacht werden, wohl aber bei den hier gezüchteten Schweinen. Das bedeutet auch in dieser Hinsicht einen großen Durchbruch.

All diese Vorteile zusammen ergeben ein äußerst interessantes Bild für die Huntington-Forschung, da es den Anschein macht, als gäbe es nun tatsächlich ein Modell, das den Krankheitsverlauf des Gehirns und des Körpers bei der Huntington-Krankheit von Anfang bis Ende abbildet. Das ist aber noch nicht alles. Aufgrund der körperlichen Größe der Schweine, können auch potenzielle Behandlungen und spezialisierte Verabreichungsmethoden getestet werden, für die bisher kein Tiermodell zur Verfügung stand. Zum Beispiel könnte die Behandlungsmethode, die aktuell die größten Schlagzeilen schreibt, - die Huntingtin-Verminderung mithilfe von ASOs über Lumbalpunktion - auch an den Schweinen getestet werden. Denn auch denjenigen unter Ihnen mit den ruhigsten Händen würde es sicherlich schwerfallen eine solche Injektion in die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit bei einer Maus vorzunehmen!

Was bedeutet das für uns?

Auch wenn es sehr viele Vorteile gibt, ist keine wissenschaftliches Modell perfekt und da stellt auch dieses Tiermodell keine Ausnahme dar. Mit zunehmender Größe der Tiere wachsen auch die Kosten der Haltung und Fütterung und es braucht mehr Zeit, bis die Tiere ausgewachsen sind und Symptome zeigen. Das könnte neue Entdeckungen verlangsamen. Ohne Zweifel trug diese Tatsache dazu bei, dass bei diesem Experiment viele Tiere verwendet wurden, bei denen die Methode nicht funktionierte. Die Autoren haben das allerdings erkannt und weisen in der Veröffentlichung darauf hin, dass weitere Tests vonnöten sind.

Diese Schwierigkeiten beiseite nehmend, muss man feststellen, dass dieses neue Tiermodell etwas Unglaubliches an sich hat und viele Türen für die künftige Huntington-Forschung und Therapieerprobungen öffnet. Huntington-Forscher auf der ganzen Welt haben jetzt Schwein!

All diese Vorteile zusammen ergeben ein äußerst interessantes Bild für die Huntington-Forschung, da es den Anschein macht, als gäbe es nun tatsächlich ein Modell, das den Krankheitsverlauf des Gehirns und des Körpers bei der Huntington-Krankheit von Anfang bis Ende abbildet.
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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