Von Melissa Christianson Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Michaela Winkelmann

Jeder hat zwei Kopien des Huntingtin-Gens, aber die Huntington-Krankheit wird durch eine Kopie verursacht, die extra-lang ist. Neue Forschungsarbeit zeigt, dass die Zellen verschiedene Steuerelemente dafür haben, wie die normalen und extra-langen Anweisungen verwendet werden, um das Protein zu bilden. Diese Steuerelemente des Protein-herstellungsprozesses könnten Ziele sein, um Medikamente für die Huntington-Krankheit zu entwickeln.

Sie sagen Kartoffel …

Wir wissen nun seit zwanzig Jahren, dass die Ursache der Huntington-Krankheit eine Mutation im Huntingtin-Gen ist. Bei Menschen, die die Krankheit entwickeln, hat eine der beiden Kopien einen wiederholten Abschnitt, der das Gen extra-lang macht.

Die Aktivität der Helfer-Komplexe, die sich wie Hilfs-Köche verhalten, wenn die Zelle ein Protein herstellt, ist durch die Länge des Huntingtin-Gens beeinträchtigt.
Die Aktivität der Helfer-Komplexe, die sich wie Hilfs-Köche verhalten, wenn die Zelle ein Protein herstellt, ist durch die Länge des Huntingtin-Gens beeinträchtigt.

In Analogie dazu wenn wir das normale Huntingtin-Gen als das Wort „Kartoffel“ schreiben, würden Patienten mit der Huntington-Krankheit eine Kopie von Huntingtin als „Kartotoffel“ oder sogar „Kartotototoffel“ falsch geschrieben haben.

Es ist die extra-lange Kopie des Huntingtin-Gens, die die Neuronen krank macht, weil sie verursacht, dass sie eine extra-lange, schädliche Version des Huntingtin-Proteins herstellen.

Ein Problem, mit dem Wissenschaftler konfrontiert sind, ist Behandlungen zu entwickeln, die den Schaden durch das extra-lange Protein zu reduzieren, unter der Aufrechterhaltung der nützlichen Funktionen des normal-langen Proteins. Das ist nicht so einfach, weil die Proteine identisch sind, außer dem wiederholten Abschnitt. Allerdings hat eine neue Forschungsarbeit durch ein deutsches Team, die in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, ein neues Licht auf dieses Problem geworfen.

Die Herstellung eines Proteins

Um diese neue Forschung zu verstehen, werden wir uns zuerst mit ein paar Details darüber befassen, wie die Zellen tatsächlich Proteine herstellen.

Das Leben jedes Proteins beginnt auf die gleiche Weise, als ein Satz von Anweisungen, der in dem genetischen Code der Zellen geschrieben ist - unserer DNA. Zuerst macht die Zelle eine Arbeitskopie der DNA, aus einer verwandten Chemikalie namens RNA. Dieser Kopiervorgang wird Transkription genannt.

Die RNA-Anweisungen schweben um die Zelle herum, bis sie einer Struktur namens Ribosom begegnen. Wenn sich die Anweisungen mit einem Ribosom paaren, verwendet das Ribosom sie, um ein Protein zusammenzubauen. Dieser Prozess wird Übersetzung genannt.

Sie können sich die Übersetzung ein bisschen so vorstellen wie das, was passiert, wenn ein Koch sein weltberühmtes Chili zubereitet: Der Koch (das Ribosom) nutzt sein Lieblingsrezept (die RNA-Anweisungen), um die Chili (ein Protein) zu machen.

Genau wie ein Koch manchmal die Unterstützung eines Hilfs-Kochs hat, wenn er seine Kochkunst ausübt, bekommen Ribosome manchmal ein wenig Hilfe für die Herstellung der Proteine. In diesen Fällen kommen die Ribosome mit speziellen Helfer-Komplexen in der Zelle zusammen. Der Helfer-Komplex lässt die Ribosome die genetischen Nachrichten schneller in das Protein übersetzen als es das Ribosom selbst machen könnte.

Ein wenig Hilfe von meinen Freunden

Mit diesen Details zur Übersetzung im Hinterkopf, entschied ein Team von Huntington-Forschern unter der Leitung von Susann Schweiger vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin, zu untersuchen, wie die Huntingtin-Proteine aus Genen mit verschiedenen Längen hergestellt werden.

Durch das Zusammenspiel mit dem Helfer-Komplex stellten die Zellen mehr extra-langes als normal-langes Huntingtin-Protein her.

Wie erwartet fanden sie heraus, dass die normalen und die extra-langen genetischen Anweisungen beide in Huntingtin-Proteine übersetzt wurden, wenn sie auf ein Ribosom treffen (den Koch aus unserer Analogie oben).

Während der Übersetzung können die RNA-Anweisungen für das extra-lange Huntingtin jedoch auch mit einem Helfer-Komplex (dem Hilfs-Koch aus unserer Analogie) interagieren. Diese Interaktion wurde bei dem normal-langen Huntingtin-RNA nicht beobachtet.

Es stellt sich heraus, dass je länger die RNA-Anweisungen sind, desto mehr können sie mit dem Helfer-Komplex interagieren. Da der Helfer-Komplex die Übersetzung effizienter macht, war das Ergebnis dieses Zusammenspiels, dass die Zellen mehr extra-langes als normal-langes Huntingtin-Protein herstellten.

Übersetzungsproblem: Absenkung des Niveaus von extra-langem Huntingtin

Die Wissenschaftler haben sich gefragt, ob sie den Level des normalen und des extra-langen Huntingtin-Proteins nur durch Eingriffe in den Helfer-Komplex beeinträchtigen könnten.

Da der Helfer-Komplex meist mit den extra-langen Huntingtin-Anleitungen interagiert, sollte ihn zu stören die Übersetzung der extra-langen Variante reduzieren.

Als die Forscher den Helfer-Komplex mit Medikamenten blockierten oder Zellen daran hinderten, den Helfer-Komplex überhaupt erst zu machen, erhielten sie das Ergebnis, dass von ihnen erwartet wurde - weniger des extra-langen Huntingtin-Proteins wurde hergestellt.

Das Absenken des Spiegels an extra-langem Huntingtin auf diese Weise ist ansprechend, weil es passiert bevor das Protein überhaupt gemacht wird. Wenn wir dies in Menschen machen könnten, würde es bedeuten, dass das extra lange oder “mutierte” Huntingtin niemals auch nur eine Chance haben würde, die Nervenzellen krank zu machen.

Hat dies Auswirkungen auf die Suche nach Huntington-Behandlungen?

Diese Forschung zeigt einen wirksamen Weg, um die Produktion von normalem und extra-langem Huntingtin selektiv zu verändern. Es wäre eine Form von “Huntingtin-Absenkung” oder “Gen-Stummschaltung”, aber eine, die nicht auf DNA-oder RNA-ähnliche Medikamente antwortet, die schwer an das Gehirn auszuliefern sind.

Neben dem Helfer-Komplex selbst, sind die Wissenschaftler auch auf der Suche nach Zielen, die daran arbeiten, die Protein-Produktions-Linie weiter zu drücken.

Ein Ziel der „Huntingtin-Absenkungs“-Therapieforschung ist die Produktion der schädlichen Version des Proteins zu reduzieren, während es gleichzeitig den Zellen erlaubt, die hilfreiche Version zu produzieren.
Ein Ziel der „Huntingtin-Absenkungs“-Therapieforschung ist die Produktion der schädlichen Version des Proteins zu reduzieren, während es gleichzeitig den Zellen erlaubt, die hilfreiche Version zu produzieren.

Ein solches Ziel ist mTOR - ein Protein, das eigentlich schon als potenzielles Ziel in der Huntington-Therapie im Rampenlicht ist.

Wir wissen seit einer kleinen Weile, dass Medikamente, die mit mTOR interagieren, das Niveau des mutierten Huntingtin-Proteins reduzieren, indem es den Zellen hilft es zu zerstören, nachdem es hergestellt wurde. Die neue Forschung zeigt, dass diese Medikamente auch einen zweiten Schlag packen könnten, durch die Verringerung der Menge an extra-langem Huntingtin, das überhaupt erst gemacht wird.

mTOR ist besonders verlockend als Angriffsziel für Medikamente, weil die FDA, die reguliert, welche Medikamente bei Menschen verwendet werden können, bereits einige mTOR-Hemmer zur Behandlung von Krebs und bei Organtransplantationen zugelassen hat. Wenn das Stören von mTOR eine wirklich wirksame Behandlungsstrategie sein könnte, dann könnten Medikamente, die bereits vorhanden sind, für den Einsatz bei der Huntington-Krankheit wiederverwendet werden.

Sollten wir die Champagnerkorken knallen lassen?

Noch nicht! Zuerst wurde all diese neue Forschung über die Rolle des Helfer-Komplexes und mTOR in der Herstellung des extra-langen Huntingtin-Proteins in Zellen oder Mäusen durchgeführt. Diese Labor-Modelle sind nur der erste Schritt zum Verständnis der Krankheit beim Menschen, so bleibt es viel Arbeit, bevor wir wissen werden, ob diese Wege tatsächlich wichtig sind für echte Menschen mit der Huntington-Krankheit.

Zweitens: Selbst wenn diese Wege wichtig sind, könnten die anderen Effekte der Medikamente, die auf diese Wege zielen, es schwierig machen, sie bei der Huntington-Krankheit zu verwenden.

Zum Beispiel funktionieren die oben beschriebenen FDA-zugelassenen mTOR-Hemmer, weil das Stören von mTOR giftig ist und das Immunsystem unterdrückt. Das macht die Medikamente wirksam gegen Krebs und zur Verhinderung der Abstoßung von Transplantaten. Aber da mTOR-Hemmer für viele Jahre bei der Huntington-Krankheit eingenommen werden müssten, können diese Effekte sie als Huntington-Therapien ungeeignet machen.

Unter’m Strich

Diese Arbeit ist ein faszinierendes neues Konzept, die die Huntington-Forschung in die richtige Richtung bewegt. Je mehr wir verstehen, wie die normalen und extra-langen Huntingtin-Proteine hergestellt werden und in den Gehirnzellen funktionieren, desto besser werden wir bei der Suche nach Huntington-Behandlungen ausgestattet sein.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...