Huntington’s disease research news.

In einfacher Sprache. Geschrieben von Wissenschaftlern.
FĂŒr die weltweite Huntington-Gemeinschaft.

Umschaltung: Eine Variante im HK-Gen beeinflusst Symptombeginn

Eine Variante im Einschaltknopf des HK-Gens beeinflusst wann die Symptome auftreten

Herausgegeben von Dr Jeff Carroll, PhD
Übersetzt von Pauline Kleger

Es ist genauso schwierig vorherzusagen, wann ein Sturm aufzieht, wie vorherzusagen wann die Symptome der Huntington-Krankheit (HK) fĂŒr die einzelne Person zuerst auftreten. Neue Untersuchungen zeigen dennoch, dass kleine Änderungen im Einschalten des Huntington-Gens den Beginn der Symptome beeinflussen – und die könnten wichtige Informationen bei der Suche fĂŒr neue Huntington-Studien liefern.

Im Angesicht des Sturmes

Wie bei den Zeichen eines Unwetters, sind die Symptome der Huntington-Krankheit unmissverstĂ€ndlich. An Stelle von Windböen, Platzregen oder tosendem Gewitter sind bei der HK stereotypische Bewegungen, kognitive und psychiatrische Symptome erstaunlich einheitlich, quer durch den Patientenstamm. Nichtsdestotrotz ist es, so wie es auch schwierig ist, den exakten Zeitpunkt, wann ein Sturm eintreffen wird, schwierig exakt vorherzusagen, wann die Huntington-Symptome fĂŒr jeden einzelnen Patienten auftreten.

Es ist genauso schwierig vorherzusagen, wann genau ein Sturm aufkommt, wie vorherzusagen wann die Symptome der Huntington-Krankheit ausbrechen.
Es ist genauso schwierig vorherzusagen, wann genau ein Sturm aufkommt, wie vorherzusagen wann die Symptome der Huntington-Krankheit ausbrechen.
Image credit: FreeImages

Wir wissen schon, dass die Genmutation der HK Auswirkung auf den Ausbruch der Symptome hat. Diese Mutation hat im Zentrum ungefĂ€hr eine Reihe von drei DNA-Bausteinen innerhalb des HK-Gens, die wir als „CAG“ bezeichnen. Bei der HK werden diese Bausteine zu viele Male wiederholt und dabei verlĂ€ngern sie das Gen – und je lĂ€nger das Gen ist, desto frĂŒher entstehen (im Durchschnitt) die Symptome. Jedoch sagt die GenlĂ€nge nicht die ganze Geschichte ĂŒber den Anfang der Symptome: Sogar bei Personen, deren HK-Gene Ă€hnliche LĂ€ngen haben, kann das Einsetzen der Symptome um Jahrzehnte variieren.

Diese Variation betrachten Wissenschaftler als Sturm der HK, in der Hoffnung auf das VerstĂ€ndnis und den eventuellen Nutzen, wie die Natur das Einsetzen der Symptome verzögert. Diese Wissenschaftler denken, dass zusĂ€tzliche genetische Faktoren eine Rolle bei dieser Schwankung spielen – und dass kleine Teile des HK-Gens, ĂŒber die wir normalerweise nicht sprechen, einer wichtigen Rolle dienen könnten.

Kleine VerĂ€nderungen in einem großen Gen

Das HK-Gen ist eines der grĂ¶ĂŸten Gene der menschlichen DNA – es wird aus ungefĂ€hr 170.000 DNA-Bausteinen, alle aneinander gereiht, zusammengesetzt. Auch wenn wir den Fokus mehr auf die zusĂ€tzlichen Wiederholungen setzen, die die Krankheit verursachen, setzen diese Wiederholungen gerade einen winzigen Bruchteil des ganzen Gens zusammen. Der Rest des Gens ist tatsĂ€chlich auch voller Information, welche den Ausbruch der Symptome beeinflussen könnte.

Ein spezifischer Teil des Gens, der sogenannte Promoter (Genregler), ist besonders gut positioniert, um den Ausbruch der Symptome zu beeinflussen. Ein Promoter ist ein spezieller Teil eines Gens, der dafĂŒr da ist, das Gen ein- und auszuschalten. Wenn man sich ein Gen wie eine CD vorstellt, die in einem CD-Player liegt, dann ist der Promoter wie die Einschalttaste: genau dann, wenn die Einschalttaste am CD-Player gedrĂŒckt wird, um Musik zu machen, schaltet ein Promotor ein Gen ein, um das Eiweiß herzustellen.

Kleine VerĂ€nderungen an den Promotern können große Effekte an den Genen haben. Wenn man unseren Gen-CD-Vergleich fortsetzt, stellt man sich vor, dass wir eine kleine VerĂ€nderung in der Einschalttaste vornehmen und die Taste an der unteren Seite des Deckels verschieben. Dadurch, dass es nun schwieriger ist, an die Einschalttaste zu kommen, ist es sehr viel schwieriger die CD abzuspielen. Ähnlich ist es bei den Promotern, kleine VerĂ€nderungen, vor allem VerĂ€nderungen die es schwierig machen, den Promoter zu erreichen, können das Einschalten des Gens erschweren.

FĂŒr eine genetische Erkrankung wie die Huntington-Krankheit können solche VerĂ€nderungen große Konsequenzen mit sich ziehen.

Könnten Promoter den Ausbruch der Symptome beeinflussen?

Eine Gruppe von Wissenschaftlern der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, wunderten sich, inwieweit die Verschiedenartigkeit im Huntington-Promoter eines der Dinge sein könnte, die man kontrollieren könnte, wenn die Symptome der Erkrankung einsetzen.

Um sich dieser Frage zu stellen, schauten sie nach einer Version des Huntington-Promoters, welche in einer sehr kleinen Anzahl von Personen mit der HK auftritt. Dieser seltene Promoter hat eine winzig, winzig kleine VerĂ€nderung – in sich, einen von den ca. 170.000 DNA-Bausteinen. Allerdings, wie in unserem CD-Vergleich von oben, macht diese kleine VerĂ€nderung den Promoter schon schwer zugĂ€nglich. Folglich sind die HK Gene, die diesen Promoter als deren „Einschalttaste“ verwenden, schwierig einzuschalten und sie machen weniger Eiweiß als normal.

Die Wissenschaftler wunderten sich, ob diese winzige Änderung ausreichen könnte, den Zeitpunkt fĂŒr den Beginn der Symptome zu beeinflussen.

Warte, ich sehe doppelt

Dennoch ist diese Frage nicht so einfach wie sie ausschaut. TatsÀchlich ist es doppelt so schwierig, wie man wahrscheinlich vermutet.

„Jede Kopie des Huntington-Gens – die normal-lange oder die extra-lange Kopie – können den Promoter haben, welcher im Zusammenhang mit dem Symptomausbruch steht.“

Der Grund warum, hat mit einem zentralen Element der menschlichen DNA zu tun. Man berĂŒcksichtige, dass wir Menschen bei Geburt zwei Kopien von den meisten Genen erhalten (auch vom HK-Gen) – eines von der Mutter und eines vom Vater. Deswegen haben Personen mit HK in jeder Zelle des Körpers zwei Kopien des HK-Gens: eine normal-lange und eine extra-lange Kopie, welche die Erkrankung verursacht.

Beide Kopien benötigen einen angehĂ€ngten Promotor, sodass sie eingeschaltet werden können. Jedoch mĂŒssen die Promoter auf den beiden Genen nicht gleich sein. Das bedeutet, dass jede Kopie – die normal-lange oder die extra-lange Kopie – diesen seltenen Promoter haben kann, die die Wissenschaftler untersuchen möchten.

Um herauszufinden ob dieser Promoter das Alter vom Ausbruch der Symptome bei der HK beeinflusst, mussten die Wissenschaftler zwei unterschiedliche Fragen stellen: Beeinflusst der seltene Promoter am extra langen Gen und beeinflusst der seltene Promoter am normal-langen Gen den Ausbruch der Symptome?

Eine VerÀnderung, zwei unterschiedliche Konsequenzen

Also was fanden die Wissenschaftler heraus, als sie die doppelte Aufgabe an sich zogen, um zu fragen und die Fragen zu beantworten?

Die Antworten auf die Fragen könnten ĂŒberraschen – weil sie GegensĂ€tze sind!

Personen, die den seltenen Promoter an ihrem extra-langen HK-Gen hatten, wurden fast ein Jahrzehnt spĂ€ter krank, als erwartet, wohingegen Personen, die den seltenen Promotor an der normal-langen Kopie hatten, wurden fast 4 Jahre frĂŒher als erwartet krank. Das bedeutet, dass der seltene Promoter das Einsetzen der Symptome entweder verzögern oder beschleunigen kann, vollkommen abhĂ€ngig davon, an welcher Kopie des Huntington-Gens er angehĂ€ngt war.

Warum in aller Welt wĂŒrde das der Fall sein?

Unser Gen-CD-Vergleich kann uns helfen, diese ĂŒberraschenden Ergebnisse zu verstehen. Weil wir alle zwei Kopien vom Huntington-Gen haben, ist es als ob unsere Zellen konstant Musik hören, die von 2 verschiedenen Huntington-CDs gleichzeitig gespielt werden. Eine CD (reprĂ€sentiert das normal-lange Gen) spielt das Lied das die Zellen hören mĂŒssen, um gesund zu bleiben, wohingegen die andere CD (reprĂ€sentiert das extra-lange Gen) eine verĂ€nderte Melodie spielt, die das richtige Lied ĂŒbertönt.

Wenn wir den CD-Player einschalten, ist es schwieriger, die eine CD oder die andere zu spielen. Wenn es schwierig ist, die extra-lange CD einzuschalten, werden die Zellen gesĂŒnder, weil sie das richtige Lied viel besser ohne konkurrierende Melodie hören können.

Die echte Wissenschaft arbeitet auf genau dem gleichen Prinzip: Es ist schwierig das schÀdigende, extra-lange Huntington-Gen einzuschalten, welches das Einsetzen der Symptome verlangsamt, wohingegen es noch schwieriger ist, das gute, normal-lange Gen einzuschalten, welches den Eintritt der Symptome beschleunigt. Das Beeinflussen des Huntington-Promoter-Gens hat deshalb die Kraft den Symptombeginn in jede Richtung zu verÀndern.

Vorbehalte

Jedoch gibt es – wie bei den meisten Forschungsstudien – einige Dinge, die zu berĂŒcksichtigen sind, bevor man versucht, diese Ergebnisse weiter auf Patienten und Familien anzuwenden.

Weil wir alle zwei Kopien vom Huntington-Gen haben, ist es, als ob unsere Zellen konstant Musik hören (und versuchen Sinn zu ergeben), die von zwei verschiedenen Huntington-CDs zur selben Zeit gespielt werden.
Weil wir alle zwei Kopien vom Huntington-Gen haben, ist es, als ob unsere Zellen konstant Musik hören (und versuchen Sinn zu ergeben), die von zwei verschiedenen Huntington-CDs zur selben Zeit gespielt werden.
Image credit: FreeImages

Wichtig ist, dass die Version des Huntington-Promoters, den die Wissenschaftler untersuchten, ziemlich selten ist. Weil tatsÀchlich nur ein kleiner Teil aller Huntington-Patienten diese Genvariation in ihrem Promoter hat, kann man die neuen Ergebnisse nicht auf die meisten Huntington-Betroffenen anwenden.

Etwas anderes, was man berĂŒcksichtigen muss, ist, dass die Wissenschaftler eine Vorgehensweise hatten, wie sie nach den Gruppen von Personen fĂŒr diese Studie schauten, die entweder ein sehr frĂŒhes oder ein sehr spĂ€tes Einsetzen der Symptome hatten. Wieso haben sie das so gemacht und nicht einfach jeden Betroffenen gesucht?

Stell dir vor, du wĂ€rst interessiert daran, nach genetischen VerĂ€nderungen bei Personen zu suchen, die wirklich groß sind. Denkst du, du hast mehr GlĂŒck solche seltenen VerĂ€nderungen in einer willkĂŒrlichen Gruppe von Menschen zu finden oder mit dem Los Angeles Lakers Basketball-Team? Wahrscheinlich bist du besser dran, mit dem Basketball-Team anzufangen, welche dazu neigen, grĂ¶ĂŸer als normal zu sein.

Das ist so Ă€hnlich wie es die Wissenschaftler taten – sie bereicherten ihre Studienpopulation mit Huntington-Patienten, die einen sehr frĂŒhen oder einen sehr spĂ€ten Symptomausbruch hatten. Dies gab ihnen eine höhere Wahrscheinlichkeit seltene Abweichungen zu finden, die sich verĂ€nderten, wenn Personen an der HK erkranken.

Aber als sie auf eine andere Personengruppe schauten, ohne darauf zu achten eine große Anzahl von Patienten mit einem sehr frĂŒhen oder sehr spĂ€ten Eintritt der Symptome zu haben, sahen sie denselben Effekt nicht.

Wir stehen noch am Anfang dieser Forschung und da ist viel mehr Arbeit zu tun. Wir sollten GenverÀnderungen beim HK-Gen finden, die hÀufiger sind, oder nach einem Zusammenspiel zwischen mehr als einer VerÀnderung suchen, bevor wir das Fortschreiten der HK genau mittels Genetik vorhersagen können.

Kann diese Forschung uns helfen neue HK-Therapien zu finden?

Trotz dieser Vorbehalte, ist diese neue Forschung wirklich aufregend und bringt verschiedene wichtige Ideen zum Vorschein.

Es unterstreicht, dass beide HK-Gene, sowohl das normal-lange als auch das extra-lange Gen, den Symptomausbruch beeinflussen und dass die Balance von diesen zwei Genen wichtig ist fĂŒr die Suche nach neuen Therapien.

ZusĂ€tzlich hat diese Forschung Folgen fĂŒr eine interessante Therapieart namens „Gen-Stummschaltung“. Gen-Stummschaltung ist genau wie es sich anhört, nĂ€mlich ein Weg, um menschliche Gene auszuschalten (silence = stilllegen). Gen-Stummschaltung wird allerdings bei der Huntington-Krankheit schwierig, weil wir hier zwei Kopien der HK-Gene haben (ein gutes und ein schlechtes). Die Forschung weist hier darauf hin, dass ein allgemeines Abschalten beider HK-Gene den Ausbruch der Symptome verzögern könnte, aber das spezifische Ausschalten der extra-langen Kopie könnte noch wirksamer sein.

Deshalb hilft uns die Forschung zu verstehen, was das Eintreten der HK-Symptome antreibt und sie lenkt außerdem die Suche nach wirksamen HK-Therapien.

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte zu erklÀren.

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