Vorsicht ist angebracht bei der Nutzung der Gen-Schere CRISPR
Mehrere kürzlich durchgeführte Studien zur Gen-Schere CRISPR wecken Bedenken bezüglich der Tauglichkeit der Technologie für die Heilung von genetisch bedingten Krankheiten wie der Huntington-Krankheit
Von Dr Rachel Harding 29. August 2020 Bearbeitet von Dr Leora Fox Übersetzt von Rebecca Ursprünglich veröffentlicht am 12. August 2020
Das Gen-Bearbeitungswerkzeug CRISPR wurde bereits als technologischer Durchbruch im Labor gepriesen und verspricht mögliche, strategische Heilung für viele genetische Erkrankungen, so wie die Huntington-Krankheit. Einige neuere Studien zeigen jedoch, dass CRISPR ungenauer zuschneidet als man zunächst dachte, sodass ungewollte Veränderungen in das Genom eingebracht werden können. Drei unabhängige Studien, die jeweils das Ziel hatten, ein einzelnes Gen zu bearbeiten, zeigten kürzlich, dass auch andere Teile der DNA auf unerwartete Weise verändert wurden.
Bisher liegen die Studien online in nicht-geprüfter Form vor. Die wissenschaftliche Begutachtung, die für eine Veröffentlichung notwendig ist, steht noch aus. Es kann sich also immer noch herausstellen, dass einige Ergebnisse oder Interpretationen fehlerhaft sind. Da es sich aber um mehrere unabhängige Studien handelt, die alle die gleiche Aussage in Bezug auf die CRISPR-Technologie treffen, haben sich wissenschaftliche Medien bereits mit dem Thema auseinandergesetzt. Wenngleich CRISPR für die Forschung sehr spannend ist, zeigt sich demnach, dass noch ein weiter Weg bis zur Anwendbarkeit in der Humanmedizin zurückzulegen ist.
Mit CRISPR können dauerhafte Veränderungen an unserer DNA vorgenommen werden
Das CRISPR-System wurde als eine Art Immunsystem in Bakterien entdeckt, mit dem sie sich gegen Viren und andere Eindringlinge verteidigen, indem sie deren Erbgut zerkleinern. Es besteht aus zwei Komponenten: einem Stück “Guide RNA”, das die DNA des Eindringlings ausfindig macht und darauf hinweist und einem Enzym, das die DNA dann zerschneidet und damit zerstört. Sie können in diesem HDBuzz-Artikel mehr zu der Funktionsweise und den Herausforderungen, mit denen sich Wissenschaftler befassen, nachlesen.
Im Labor kann das CRISPR-System manipuliert werden, indem die Guide RNA verändert wird, sodass sie definierte DNA-Bereiche ansteuert. So kann das Genom an präzise vorgegebenen Stellen bearbeitet werden. Hierbei handelt es sich um permanente Veränderungen an der Erbsubstanz, die dann auch an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Seit seiner Entdeckung in den späten 2000er Jahren, haben sich Forscher bereits alle möglichen Anwendungen für CRISPR ausgemalt. Beispielsweise: könnte es möglich sein, die Huntington-Mutation aus den Genen von Embryos zu entfernen? Solche Ideen werden aus ethischer Sicht kontrovers diskutiert. Es gab große Schlagzeilen im Jahr 2018, als der umstrittene Wissenschaftler Hi Jiankui an der Southern University of Science and Technology in China im Rahmen seiner Experimente eine Geburt von Zwillingen mit bearbeitetem Genom herbeiführte.
Ein nicht ganz perfektes System
„Die CRISPR-Genbearbeitung kann zu schwerwiegenden, ungewollten Veränderungen in anderen Teilen des Genoms führen “
Die neueren Studien wurden am Francis Crick Institute in London, der Columbia University in New York City und der Oregon Health & Science University in Portland durchgeführt. Alle beteiligten Forschergruppen verwendeten CRISPR um verschiedene Bearbeitungen an gespendeten, menschlichen Embryonen vorzunehmen. Die drei Experimente zielten auf Gene in der fötalen Entwicklung ab, die zu Blindheit oder Herzproblemen führen können. In allen drei wurde festgestellt, dass diese Art der Genbearbeitung zu schwerwiegenden, ungewollten Veränderungen in anderen Teilen des Genoms führen kann. Bestandteile in der Region des angesteuerten Gens können vernichtet oder umsortiert weden. Das ist schlecht, denn unsere DNA ist ein präziser Satz von Anleitungen, wenn diese durcheinandergebracht werden, kann nichts gutes dabei herauskommen.
Die unerwünschten Effekte werden durch Schwierigkeiten bei der Reparatur der DNA verursacht, auch wenn man sich noch nicht darüber einig ist, wie genau es dazu kommt. Eine Sache, der alle Wissenschaftler zustimmen, ist jedoch dass es einen guten Grund darstellt, innezuhalten und die Konsequenzen des Einsatzes von CRISPR zu überdenken, da die Technologie wohl noch nicht so fein definiert einsetzbar ist, wie man zuvor glaubte.
Was kann CRISPR in Zukunft für die Huntington-Krankheit bringen?
Eine dauerhafte Veränderung durch CRISPR-basierted Therapien für Krankheiten wie die Huntington-Krankheit ist gleichzeitig wünschenswert und furchteinflößend. Theoretisch könnte CRISPR für die unumkehrbare Entfernung der überflüssigen CAG-Wiederholungen im mutierten Huntington-Gen bereits im Embryo eingesetzt werden. So würde die betroffene Person die Krankheit später gar nicht erst entwickeln und könnte sie auch nicht an Nachkommen weitervererben. Gleichzeitig wären ungewollte Nebenwirkungen genauso unumkehrbar und würden ebenso an die nächste Generation weitergegeben werden. Die Wissenschaftler wollen die Technologie nicht weiter in Richtung Marktreife bringen, bis sie sich absolut sicher sein können, dass sie in der Anwendung sicher ist, und wirklich nur das tut, wozu sie vorgesehen ist.
Die gute Nachricht ist, dass die Risiken der CRISPR-Technologie die Wissenschaftler wachsam gemacht haben, bevor größere Schäden angerichtet wurden. Die Forschung wird trotz der Rückschläge auch weiter davon träumen, dass CRISPR irgendwann nützlich sein kann, aber sie wird mit größerer Vorsicht vorangehen. Man wird sich überlegen, auf welche Weise Verbesserungen erreicht werden können, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden und CRISPR dann hoffentlich in der Zukunft als unbedenkliche Therapie gegen Erbkrankheiten einsetzbar zu machen.