Jeff CarrollVon Dr Jeff Carroll Bearbeitet von Dr Tamara Maiuri Übersetzt von Rebecca

Eine neue Mausstudie eines Medikaments namens CTEP legt nahe, dass die Substanz überraschend wirksam bei Huntington-ähnlichen Symptomen ist. Das ist eine schöne Überraschung, denn es lässt vermuten, dass ein gut verstandener Gehirnprozess weiterhin ein geeigneter Angriffspunkt für die Huntington-Forschung ist.

So beschäftigt wie eine Gehirnzelle

Die Huntington-Krankheit wird durch eine Genmutation hervorgerufen, die in der Wissenschaft HTT heißt und die wir auch als mutiertes Huntington-Gen bezeichnen. Dieses Gen wird in jeder Zelle des Körpers benötigt und doch tritt die Huntington-Krankheit nur durch die Beeinträchtigung und Zerstörung spezieller Gehirnzellen auf.

Die Aufgabe eines Neurons ist es, mit anderen Neuronen zu kommunizieren, indem chemische Botenstoffe zwischen den Zellen übertragen werden.
Die Aufgabe eines Neurons ist es, mit anderen Neuronen zu kommunizieren, indem chemische Botenstoffe zwischen den Zellen übertragen werden.

Wie kann also ein mutiertes Gen, das in jeder Körperzelle vorhanden ist, nur bestimmte Gehirnzellen krank machen? Ehrlich gesagt, weiß das noch niemand ganz sicher, aber die empfindlichen Gehirnzellen - oder auch Neuronen - zeigen einige Eigenschaften, die sie leicht verwundbar machen.

Eine dieser Eigenschaften ist, dass unsere Neuronen stark spezialisiert auf eine bestimmte Aufgabe sind: diese Aufgabe ist die Kommunikation mit anderen Neuronen mittels winziger chemischer Botschaften. Dieser Austausch ermöglicht es unserem Gehirn, Informationen aufzunehmen, sie zu verarbeiten und in Verhalten umzusetzen.

Diese chemische Kommunikation - wissenschaftlich Neurotransmission - ist nicht nur wichtig, sondern auch teuer. Neuronen müssen ständig Unglaubliches leisten und verbrennen in hohem Maße Energie. Auch wenn das Gehirn nur 2 % des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es dadurch 25 % des Blutzuckers. Man könnte sagen, unsere Neuronen laufen jeden Tag einen Marathon, so viel Energie verbrauchen sie. Und das ein ganzes Leben lang.

Zu viel Aufregung

Für die Kommunikation zwischen den Neuronen sind kleine Mengen chemischer Substanzen notwendig, die zwischen den Zellen fließen. Da diese Substanzen Botschaften übertragen, heißen sie wissenschaftlich Neurotransmitter.

Der wichtigste Neurotransmitter im Gehirn ist ein Stoff names Glutamat. In unseren Gehirnen gibt Glutamat ein Signal, das Neuronen aktiviert oder anregt. Das ist ein Schlüsselprozess bei der Huntington-Krankheit: viele Wissenschaftler glauben, dass die Krankheit evtl. durch eine Reizüberflutung der Neuronen entsteht, genannt Excitotoxizität. Ein kompliziertes Wort, aber das Prinzip ist einfach: Neuronen, die übermäßig angeregt werden, werden krank und schließlich sterben sie ab.

Man könnte sagen, unsere Neuronen laufen jeden Tag einen Marathon, so viel Energie verbrauchen sie. Und das ein ganzes Leben lang.

Ein bisschen ist es wie mit dem Sinn des Hörens, denn unsere Ohren können sehr gut Geräusche aufnehmen, aber wenn wir direkt neben einem Düsenjet stehen, der gerade abhebt, können sie großen Schaden erleiden. Viele Wissenschaftler glauben, dass bestimmte Neuronen, die tief im Innern des Gehirns von Menschen mit der Huntington-Genmutation sitzen, so etwas wie den Start eines Düsenjets erfahren. Sie glauben, dass die Huntington-Krankheit bedeutet, dass diese Neuronen verursacht durch Reizüberflutung absterben.

Auf Grundlage dieser Vorstellungen behandelten Mitte der 2000er Jahre einige Gruppen von Wissenschaftlern Mäuse mit Medikamenten, die einen einzelnen Glutamat-Rezeptor - namens mGluR5 - blockieren und beobachteten Verbesserungen. Das Medikament wirkt hier vergleichbar mit einem Ohrstöpsel für die überreizten Neuronen.

Kurzfristig

Da das Konzept attraktiv erschien, entwickelten damals Pharmaunternehmen viele mögliche Medikamente wie mGluR5 zur Glutamat-Rezeptor-Blockierung.

Der Pharmagigant Novartis führte auch eine Studie mit Huntington-Patienten durch, bei der ein Medikament namens AFQ056 als mGluR5-Blockade eingesetzt wurde. Die Studie war aber sehr kurz - es waren nur 32 Tage - und konzentrierte sich allein darauf, ob sich die Bewegungsstörungen der Teilnehmer verbesserten.

In der kurzen Zeit zeigte sich keine Verbesserung. Daher brach Novartis die Untersuchungen mit AFQ056 in Bezug auf die Huntington-Krankheit ab.

Medikamente, die Glutamatrezeptoren blockieren sind für reizüberflutete Neuronen vergleichbar mit Ohrstöpseln.
Medikamente, die Glutamatrezeptoren blockieren sind für reizüberflutete Neuronen vergleichbar mit Ohrstöpseln.

Trotzdem hielt sich die Idee, dass die Bekämpfung der Excitotoxizität eine Behandlungsmöglichkeit der Huntington-Krankheit sein könnte. Es gibt immer noch einige Wissenschaftler, die daran glauben, dass hier eine gute Chance besteht, wenn man richtig an die Sache heran geht.

Langfristig

Eine neue Studie von Stephen Ferguson’s Gruppe an der University of Ottawa sollte testen, ob ein anderer mGluR5-Blocker namens CTEP evtl. günstige Auswirkungen bei Huntington-Mäusen zeigt. Die Studie war gut durchdacht und wurde an einer großen Anzahl von Mäusen durchgeführt, die auf zwei unterschiedliche Arten mit CTEP behandelt wurden: nämlich für eine kurze Zeit (eine Woche) und für eine längere Zeit (drei Monate).

Ausgehend von dem Verständnis der Wissenschaftler über die Wirkweise der Excitotoxizität, kann angenommen werden, dass ein Medikament wie CTEP erst nach längerer Behandlung positive Veränderungen bringt. Wenn das stimmt, legt es nahe, dass die Studie mit AFQ056 an den menschlichen Patienten deshalb fehlschlug, weil die Behandlung einfach nicht lang genug war, um einen Effekt zu erkennen.

Durch den Vergleich der lang- und der kurzfristigen Behandlung der Hunington-Mäuse mit CTEP konnten Ferguson und seine Mitarbeiter dieser Frage sehr genau nachgehen.

Sie beobachteten, dass Bewegungsstörungen bei Huntington-Mäusen, die länger mit CTEP behandelt wurden, sich deutlich stärker verbesserten als im Falle der kurzen Behandlung. Genauso wurden auch bei Denkaufgaben größere Verbesserungen bei einer lang anhaltenden Behandlung festgestellt.

Ein Medikament wie CTEP kann vielleicht erst nach längerer Behandlung positive Veränderungen bringen.

Am Ende der Studie wurden die Gehirne aller beteiligten Mäuse untersucht. In den Gehirnen von Huntington-Mäusen finden sich wie bei menschliche Huntington-Patienten Verklumpungen von Zellabfällen, die unter dem Mikroskop sichtbar sind. Die längere Einnahme von CTEP führte bei den Mäusen zu Verminderungen dieser Ansammlungen und zu Anzeichen der Wirksamkeit eines Zellmüllabfuhrsystems namens Autophagie.

Wiederaufkeimender Optimismus

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die mGluR5-Blockade durch Medikamente wie CTEP sich positiv auf die Entwicklung von Huntington-Symptomen bei Mäusen auswirken können. Die Tatsache, dass die langfristige Behandlung bei den Mäusen bessere Effekte zeigte als die kurzfristige, könnte bedeuten, dass es sich lohnt die Wirkung solcher Medikamente auch beim Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg zu untersuchen als damals durch Novartis.

Die sorgfältig konzipierte Mausstudie zeigt die Nützlichkeit von Tiermodellen für die Huntington-Forschung immer dann wenn Untersuchungen am Menschen zu teuer oder unethisch sind. Das Labor von Ferguson hat der Forschung für eine Heilung der Huntington-Krankheit einen großen Gefallen getan, indem es weiterhin Potential für diesen Behandlungsansatz auftut.

Die Autoren haben eine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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