Von Tom Peskett Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Rebecca

Aufregende neue Studien liefern Beweise dafür, dass ein bestimmter Typ des Zelltransports bei der Huntington-Krankheit schief läuft. Genauer gesagt haben Forscher verstanden, dass der Transport in den Zellkern - Nukleus - hinein und aus ihm heraus durch die Krankheit zusammenbricht. Diese Erkenntnisse eröffnen ganz neue Wege für die Huntington-Forschung.

Zellkern-Grenzkontrolle

Im Zentrum jeder Zelle befindet sich ein brummendes Drehkreuz von Informationen, die gespeichert und verarbeitet werden - der Nukleus. Der Nukleus ist umgeben von einer doppelwändigen Grenze oder Membran, die ihn vom Rest der Zelle trennt. Die Zellkernmembran ermöglicht es dem Zellkern, seinen wertvollen Inhalt, das Molekül des Lebens, die DNA zu beschützen.

Der Zellkern ist ein so wichtiger Teil der Zelle, dass er hinter einer starken, doppelwändigen Barriere mit strikten Zugangskontrollen verborgen ist.
Der Zellkern ist ein so wichtiger Teil der Zelle, dass er hinter einer starken, doppelwändigen Barriere mit strikten Zugangskontrollen verborgen ist.

Die DNA ist das Handbuch, das Anweisungen zur Herstellung von Proteinen enthält, die die Zelle zum Überleben, Wachsen und zur Zellteilung benötigt. Der Zellkern empfängt Informationen über das Befinden der Zelle, entscheidet, welche Proteine hergestellt werden müssen und schickt dementsprechend chemische Signale namens mRNA (das ‘m’ steht für engl. messenger, also Bote) durch die Membran hindurch nach draußen, wo der größte Teil der Proteinproduktion stattfindet.

Es ist also notwendig, dass die Zellkernmembran nützliche chemische Botenstoffe passieren lässt, während sie schädliche Stoffe, die die DNA angreifen könnten, vor dem Eindringen hindert. Um das zu erreichen, muss die Zelle einen Weg finden, den Stoffaustausch zu kontrollieren.

Jeder Zellkern ist von tausenden von Poren bedeckt, die wie Tore zum und heraus aus dem Zellkern wirken. Auf die gleiche Weise wie ein Reisepass einer Person erlaubt durch die Grenzkontrolle zu gelangen, müssen Proteine, die in den Zellkern vordringen wollen, meistens eine bestimmte kurze Abfolge zeigen, die es ihnen erlaubt, durch die Pore einzutreten. Wenn sie die korrekte Abfolge vorweisen können, wird eine spezielle Proteineskorte sie durch die Pore hindurch befördern. Diese Bewegung kostet die Zelle Energie, wie eine Art Wegezoll. Der Nachteil eines solchen spezialisierten Grenzkontrollsystems ist, dass wenn es beschädigt wird, die Auswirkungen auf die Zelle desaströs sind.

Deformierte Membranen

In der ersten Studie, die von Dr. Jeffrey Rothstein an der Johns Hopkins University geleitet wurde, haben Forscher die Gehirnzellen alternder Mäuse betrachtet. Dabei wurde besondere Aufmerksamkeit auf die Form der Zellkernmembranen gelegt. Sie haben herausgefunden, dass mit dem steigenden Alter der Mäuse die Membranen zunehmend unförmig wurden und so etwas wie Auswölbungen und Falten bildeten.

Dann haben sie ihr Experiment wiederholt und dieses Mal Huntington-Mäuse untersucht. Bei diesen Mäusen traten die Abnormalitäten noch häufiger und in früherem Alter auf. Auch als die Forscher Zellen von Menschen mit und ohne Huntington-Krankheit untersuchten, sahen sie die gleichen Auswirkungen. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Huntington-Krankheit eventuell das Auftreten von Schwierigkeiten in alternden Zellen beschleunigt.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Huntington-Krankheit eventuell das Auftreten von Schwierigkeiten in alternden Zellen beschleunigt.

Den Boten aufhalten

Um zu sehen, ob die Veränderungen in der Form der Zellkernmembran den Transport durch sie hindurch beeinflussen, haben die Wissenschaftler den mRNA-Gehalt des Zellkernes untersucht. Wie bereits erwähnt, ist die mRNA dafür zuständig, Botschaften aus dem Zellkern durch die Membran in die Zelle zu bringen.

Normalerweise wird die mRNA in der Nähe der Orte gefunden, an denen die Proteine gebaut werden. Aber sowohl in menschlichen als auch in Mäusezellen verursachte das mutierte Huntingtin eine Anreicherung von mRNA im Zellkern. Das bedeutet, dass der Transport der mRNA durch die Membran bei der Huntington-Krankheit blockiert wird.

Wie könnte das passieren? Die Forscher schauten sich zwei Proteine, die normalerweise den Stoffaustausch ermöglichen, genauer an. Diese Proteine heißen Gle1 und RanGAP1. Das erste ist für die Eskorte von mRNA durch die Zellkernporen zuständig, das zweite stellt die Energiezufur innerhalb des Zellkerns sicher, sodass mRNA, die den Zellkern verlässt, ihren “Wegezoll” bezahlen kann.

Beide Proteine schienen in Aggregaten des mutierten Huntingtins festzustecken, die entweder innerhalb des Zellkerns oder direkt an seiner Außenhülle gefunden wurden. Das hält sie möglicherweise davon ab, der mRNA durch die Poren zu helfen, was dann die Anreicherung der mRNA im Zellkern bei der Huntington-Krankheit erklären könnte.

Interessanterweise wurde herausgefunden, dass die DNA, die normalerweise durch die Zellkernmembran geschützt ist, in Huntington-Zellen größere Schäden aufwies. Jedoch ist weiterhin unklar, ob dies durch den geschädigten Zellkern oder durch andere Mechanismen hervorgerufen wird (sie solche, die wir in diesem Artikel beschrieben: https://en.hdbuzz.net/233)

In normalfunktionierenden Zellen gibt es eine strenge Kontrolle dessen, was in den Zellkern hinein- und aus ihm herausgeht. Um an den Wachen vorbeizukommen, müssen Proteine die richtigen Kennzeichnungen enthalten.
In normalfunktionierenden Zellen gibt es eine strenge Kontrolle dessen, was in den Zellkern hinein- und aus ihm herausgeht. Um an den Wachen vorbeizukommen, müssen Proteine die richtigen Kennzeichnungen enthalten.

Poren mit Leck

In der zweiten Studie, die von Dr. Clotilde Lagier-Tourenne am Massachusetts General Hospital durchgeführt wurde, haben Forscher ebenso das Protein RanGAP1 betrachtet. Auch sie haben es verklebt mit Huntingtin-Aggregaten vorgefunden.

Sie haben sich dann genauer mit den Poren des Zellkerns beschäftigt. So fanden sie, dass zwei Proteine, die die Poren herstellen, ebenfalls in den Huntingtin-Aggregaten feststeckten und in der gesamten Zelle verstreut vorzufinden waren, anstatt sich an der Membran aufzuhalten, wo sich die Poren befinden. Das legt nahe, dass die Grundstruktur der Poren bei der Huntington-Krankheit geschädigt sein könnte.

Die Forscher haben dann Proteintransporte durch die Poren betrachtet und herausgefunden, dass die Proteine nicht ihren Bestimmungsort auf der jeweiligen Seite der Membran erreichten. Der Filtermechanismus der Poren scheint also bei der Huntington-Krankheit nicht richtig zu funktionieren, so als ob die Poren ein Leck hätten.

Kann der Zellkerntransport bei der Huntington-Krankheit gerettet werden?

Schließlich haben die Wissenschaftler getestet, ob sie den Zellkerntransport in Experimenten verbessern können. Sie haben herausgefunden, dass ein künstliches Anheben der vorhandenen Mengen an RanGAP1 - das zur nötigen Energieerzeugung bei der Porendurchquerung beiträgt - manche der negativen Auswirkungen der Huntington-Krankheit bei Fliegen reduzieren konnte.

Es ist immer sehr aufregend, völlig neue Hintergründe zu den Schädigungen durch die Huntington-Krankheit zu entdecken, da sie potentiell neue Möglichkeiten der Behandlung offenlegen.

Zusätzlich konnten sie auch Medikamente ausgerichtet auf den Zellkerntransport einsetzen, die einen normalen Stoffaustausch in Huntington-Zellen aus dem Labor wieder möglich machen konnten. Beispielsweise hindert ein Medikament namens KPT-350 eine der Proteineskorten daran, Stoffe aus dem Zellkern zu transportieren. Es schien das Leck in den Poren zu stopfen und das Gleichgewicht der Stoffe innerhalb und außerhalb des Kerns wiederherzustellen.

Zusammenfassung

Es ist ermutigend, dass zwei Gruppen von Wissenschaftlern zu dem gleichen bedeutenden Schluss gekommen sind, dass die Huntington-Krankheit den Zellkerntransport beeinträchtigt, auch wenn von unterschiedlichen Anfangspunkten ausgegangen wurde. Beide Studien haben unterschiedliche Tiermodelle und Versuche verwendet, auch Zellen von Huntington-Patienten, sodass wir ziemlich sicher sein können, dass die Huntington-Krankheit eine Auswirkung auf den Zellkerntransport hat.

Eine Gruppe zeigte grundsätzlich, dass Zellkerntransportschwierigkeiten mit Medikamenten behandelt werden könnten. Jedoch wurden diese Experimente an Zellen durchgeführt, die im Labor gezüchtet wurden und es sind weitere Versuche nötig, um zu sehen, dass der Transport auch unter realistischeren Bedingungen, zum Beispiel im Tiermodell, verbessert werden kann.

Es ist immernoch unklar, wie genau die Zellkernmembrangrenzkontrolle bei der Huntington-Krankheit außer Kraft gesetzt wird. Während diese Studien zeigen, dass Schlüsselakteure des Transportmechanismus, so wie RanGAP1 und Gle1, mit den Aggregaten aus mutiertem Huntingtin innerhalb des Zellkerns verkleben, legt eine andere aktuelle Studie nahe, dass nur Aggregate außerhalb des Zellkerns den Zellkerntransport beeinträchtigen. Auf der anderen Seite haben die zwei Studien in diesem Artikel aufgezeigt, dass die Schwierigkeiten beim Transport auch ohne offensichtliche Aggregate entstehen können. In Zukünftigen Untersuchungen wird es wichtig sein, den Zusammenhang zwischen den Aggregaten und dem Transport herauszufinden.

Es ist immer sehr aufregend, völlig neue Hintergründe zu den Schädigungen durch die Huntington-Krankheit zu entdecken, da sie potentiell neue Möglichkeiten der Behandlung offenlegen. Mit Sicherheit werden diese neuen Erkenntnisse eine Menge an Forschungsaktivitäten auslösen, die auf den Zellkerntransport bei der Huntington-Krankheit ausgerichtet sind. Wir freuen uns schon auf die nächste Studie.

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...