Von Dr Tamara Maiuri Übersetzt von Laura Emily Clemens Bearbeitet von Professor Ed Wild

Wissenschaftler sind schwer damit beschäftigt herauszufinden, wie das verlängerte Gen der Huntington Erkrankung Schaden anrichtet. Die aktuelle Arbeit einer Forschergruppe aus England offenbart einen weiteren Hinweis, der helfen soll, das Geheimnis zu lüften. Es stellt sich heraus, dass fehlerhafte Verarbeitung des Huntingtin “Rezeptes”, kurze, schädliche Fragmente des Huntingtin Proteins entstehen lässt.

Das Kochbuch, das Rezept und der Kirschkuchen

Die Huntington Erkrankung kommt durch eine unerwünschte Verlängerung des Huntingtin Gens zustande. Aber Gene bestehen aus DNA und es ist das Huntingtin Protein, das Probleme bereitet. Wie kommt man von der DNA zum Protein? Über einen zwischengeschalteten Boten namens RNA.

Kleine Stücke des Huntingtin Proteins werden als besonders schädlich eingeschätzt. Aber werden sie vom Hauptprotein abgespaltet oder entstehen sie aus einem veränderten Rezept - oder beides?
Kleine Stücke des Huntingtin Proteins werden als besonders schädlich eingeschätzt. Aber werden sie vom Hauptprotein abgespaltet oder entstehen sie aus einem veränderten Rezept - oder beides?

Es hilft vielleicht sich eine überordentliche, Rezepte bewachende Großmutter vorzustellen, die ihr Kochbuch unter Verschluss behält, damit es in der Küche keinen Schaden nimmt. Jeder, der ihren berühmten Kirschkuchen backen möchte, muss in ihre Kammer laufen, eine Fotokopie des Rezeptes machen und raus in die Küche gehen, um die Zutaten zusammenzumischen.

Auf so ziemlich die gleiche Weise beschützen unsere Zellen unsere DNA im Zellkern. RNA Kopien von Genen werden im Kern angefertigt und nach draußen gebracht, wo sie in Protein “übersetzt” werden. RNA Boten verhalten sich genauso wie Rezepte, indem sie der Zelle genau sagen, welche Zutaten sie braucht, um Proteine herzustellen.

Im Falle eines expandierten Huntingtin Gens ist die RNA Kopie ebenfalls verlängert. Das fertige Protein hat zu viele Zutaten und ist nicht richtig geformt. Obwohl wir wissen, dass diese Verlängerung die Huntington Erkrankung auslöst, verstehen wir immernoch nicht genau, wie das expandierte Protein zu Problemen in den Zellen führt.

Der langen Rede kurzer Sinn

Das Huntingtin Gen ist sehr lang - eines der längsten Gene, die wir besitzen - und hält das Rezept für ein sehr großes Protein bereit. Aber die unnatürlich veränderte Region befindet sich ganz am Anfang des Gens: die erste Zeile des Rezepts, wenn man so will.

Eine Sache, die Wissenschaftler bemerkten ist, dass die Gehirnzellen von HD-Patienten und Mausmodellen sehr kurze Versionen des Huntingtin Proteins beinhalten - gerade einmal die ersten 5 Prozent oder so.

Nun, wo kommen diese Bruchstücke her? Bislang wusste man, dass spezielle “Spalter” Proteine das Huntingtin Protein klein schneiden, in Huntingtin Fragmente.

Fragmente, die die unnatürliche Verlängerung enthalten sind schädlich für Gehirnzellen. Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Gillian Bates vom King’s College London haben vorgeschlagen, dass es einen anderen möglichen Weg gibt, auf dem diese Fragmente entstehen können und dass dies geschieht, während die RNA Kopie des Rezeptes gemacht wird.

Am Boden des Schneideraumes

Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass Gene aus DNA bestehen, welche in RNA übertragen und dann in Protein übersetzt werden. Einfach, oder? Aber wie das meistens in der Natur so ist, ist die ganze Sache etwas komplizierter.

Spleißen, bei dem nicht-kodierender Kauderwelsch von der RNA Botschaft entfernt wird, läuft schief bei der Huntington Erkrankung.

In der Tat enthalten Gene kodierende und nicht-kodierende Bereiche, die nacheinander aufgereiht sind wie die Streifen eines Zebras. Nur die kodierenden Bereiche des Gens landen später im Protein, während die nicht-kodierenden Bereiche übersprungen werden.

Wenn also die DNA in RNA überschrieben wird, wird zuerst eine Kopie des gesamten Gens gemacht und dann werden die nicht-kodierenden Bereiche von der RNA entfernt, ein Prozess der Spleißen genannt wird.

Wenn wir uns wieder die Analogie über das Kochbuch unserer Großmutter vor Augen führen, so können wir uns vorstellen, dass das Kochbuch Zeilen mit Kauderwelsch enthält, die in die Anleitungen eingebunden wurden. Das gesamte Rezept inklusive dem Kauderwelsch wird fotokopiert, aber die Fotokopie wird zerschnitten und ohne den Kauderwelsch wieder zusammengeklebt bevor es in die Küche geht.

Was ist nun neu?

Bei der Untersuchung von Mäusen hat Bates Team herausgefunden, dass der Spleiß-Schritt bei dem der nicht-kodierende Kauderwelsch von der RNA entfernt wird, schief läuft, wenn die Huntingtin RNA verlängert ist, wie das bei der Huntington Erkrankung der Fall ist.

Bei normalen Mäusen wird die nicht-kodierende Region ordentlich herausgeschnitten und die zwei kodierenden Bereiche werden korrekt verknüpft, um eine sinnvolle, vollständige Botschaft zu bilden.

Bei Mäusen, die dahingehend genetisch verändert wurden, dass sie das expandierte Huntingtin Gen tragen, wurde die erste nicht-kodierende Region nicht ordentlich herausgeschnitten. Der Kauderwelsch dieser nicht-kodierenden Region enthält aber nun ein Signal, das der Zelle sagt: “diese RNA bitte kurz schneiden”. Das Endergebnis ist, dass Mäuse mit einem verlängerten Huntingtin Gen, eine zusätzliche kurze RNA Botschaft herstellen, die gerade einmal aus der ersten kodierenden Region und einem Teil nicht-kodierenden Bereichs besteht.

Wenn diese kurze RNA Botschaft in Protein übersetzt wird, verbleiben die Mäuse mit einem kurzen Fragment des Huntingtin Proteins, das die verlängerte Region enthält: genau das kurze Fragment, das als so gefährlich eingestuft wird.

Das Team schaute sich Proben von menschlichen HD Patienten an. Die unnatürlich kurze RNA Botschaft und das zugehörige Protein wurden in einigen, aber nicht allen von ihnen gefunden. Das könnte daher kommen, dass die Herstellung der kleinen Fragmente zwischen unterschiedlichen Körperregionen und bei unterschiedlichen Patienten variiert.

Wie kommt es nun, dass die Verlängerung in der RNA Kopie den Spleiß-Prozess beinträchtigt? Bates Team zeigte, dass ein Protein, dass normalerweise für das Schneiden von RNA Molekülen zuständig ist, an der expandierten RNA, aber nicht an der normalen RNA, hängen bleibt. Es mag sein, dass dieses unzweckmäßige Haften bleiben, das ordnungsgemäße Spleißen behindert, was dann in der fehlerhaften kurzen RNA Kopie von Huntingtin endet.

RNA Botschaften enthalten "kodierende" und "nicht-kodierende" Anteile. Erst wird die gesamte Botschaft hergestellt, dann werden die nicht-kodierenden Teile ausgeschnitten und die kodierenden Teile zusammengefügt.
RNA Botschaften enthalten “kodierende” und “nicht-kodierende” Anteile. Erst wird die gesamte Botschaft hergestellt, dann werden die nicht-kodierenden Teile ausgeschnitten und die kodierenden Teile zusammengefügt.

Was fangen wir nun mit dieser Information an?

Diese Studie hilft uns, einen neuen möglichen Weg zu verstehen, auf dem gefährliche Huntingtin Protein Fragmente entstehen können.

Unser Gehirn und unsere Neurone sind sehr komplex und dieser neue Mechanismus ist womöglich nicht die einzige Art, auf die gefährliche Huntingtin Fragmente entstehen. Der traditionelle “Spalter”-Mechanismus wird durch diese neuen Befunde nicht ausgeschlossen, tatsächlich können beide Mechanismen zugleich auftreten.

Darüber hinaus sind schädliche Fragmente nicht der einzige Weg, über den das verlängerte Huntingtin Schaden anrichten kann.

Aber diese neue Information ist eine wichtige Bereicherung unseres Wissens darüber, wie sich expandiertes Huntingtin im Gehirn verhält. Und je mehr wir wissen, umso besser sind wir ausgerüstet, um das Problem zu bewältigen.

Eine mögliche Folgerung aus dieser Arbeit betrifft die sogenannten “Gen-Silencing” Therapien gegen HD, die darauf ausgelegt sind, die Produktion des Huntington Proteins zu reduzieren; man könnte der Zelle einfach sagen, sie soll die RNA Botenmoleküle loswerden.

Bislang dachte man, dass die gesamte Huntingtin RNA in der Zelle die Volllängenversion sei. Forscher werden im Hinterkopf behalten müssen, dass ein Teil des schädlichen Huntingtin Proteins vielleicht aus einer kurzen Boten RNA hergestellt wurde, die von manchen Gen-Silencing Medikamenten verfehlt werden könnte.

Glücklicherweise, da wir ja bereits die Wirkung von Gen-Silencing Medikamenten in verschiedenen Tiermodellen der HD gesehen haben, ist klar, dass dieser neue Befund den Therapieansatz nicht entwertet. In der Tat werden uns durch die Verbesserung unseres Verständnisses neue Wege eröffnet um zu verstehen, wie das Huntingtin Gen die Huntington Erkrankung auslöst, und das “abnorme Spleißen” wird auf unsere Liste der möglichen Ziele zur Lösung des Problems hinzugefügt werden.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...