Von Melissa Christianson Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Laura Emily Clemens

DNA/RNA-Bindeproteine, eine ausgefallene Art von Proteinen, die die genetischen Anleitungen zum Betrieb von Gehirnzellen bewachen, sind dafür bekannt, dass sie wichtig bei Alzheimer und Motoneuron-Krankheiten sind. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass diese Proteine auch eine Schlüsselrolle bei HD spielen, was neue Therapiemöglichkeiten eröffnet.

Ein verbreitetes Problem: Tödliche Proteine

Menschen sind gebürtige Recycler - und das gilt nicht nur für Müll, den wir in die Recyclingtonne werfen. Wir recyceln Ideen, wie zum Beispiel das Remake von Hamlet als König der Löwen oder Romeo und Julia als West Side Story.

DNA/RNA-Bindeproteine dienen dem Schutz unserer DNA, können aber auch Schaden anrichten, wie ein Wachhund, der Amok läuft. Wissenschaftler haben diese Proteine untersucht, indem sie den "Wachhund" genetisch durch eine "zahmere" Variante ersetzt haben.
DNA/RNA-Bindeproteine dienen dem Schutz unserer DNA, können aber auch Schaden anrichten, wie ein Wachhund, der Amok läuft. Wissenschaftler haben diese Proteine untersucht, indem sie den “Wachhund” genetisch durch eine “zahmere” Variante ersetzt haben.

Faszinierenderweise haben Wissenschaftler jetzt herausgefunden, dass unser Körper genau das Gleiche tut - besonders wenn es um Erkrankungen des Gehirns geht. In den letzten Jahren ist immer klarer geworden, dass es nur einige wenige Arten gibt, wie Gehirnzellen krank werden und sterben - und wie sie auf Unwohlsein reagieren. Und darüber hinaus scheinen diese Wege recycelt zu werden, was bedeutet, dass sie in unterschiedlichen Gehirnregionen und bei vielen unterschiedlichen Erkrankheiten des zentralen Nervensystems gleich sind.

Eine der häufigsten Arten, wie eine Nervenzelle erkranken kann, involviert Proteine, die molekularen Motoren der Zellen. Proteine machen in der Zelle alles von der Energieversorgung zur Aufrechterhaltung der Zellform. Bei vielen Erkrankungen des Gehirns setzt die Funktion der Proteine jedoch aus, so dass sie ihre Arbeit nicht mehr richtig verrichten. Wenn ein Protein eine wichtige Aufgabe hatte - oder wenn das defekte Protein anderen Proteinen in die Quere kommt, die ihren eigenen Job erledigen wollen - dann können Nervenzellen krank werden und sterben.

Oberflächlich betrachtet, scheint die Lösung für dieses Problem klar zu sein: Repariere das kaputte Protein, so dass es seiner Arbeit wieder nachgehen kann. Aber wenn man nicht gerade an der Huntington-Erkrankung forscht, wo die genaue genetische Ursache für die Erkrankung in jedem Fall klar ist, dann kann das erstaunlich schwierig sein. Die durchschnittliche Gehirnzelle besitzt viele Tausend unterschiedliche Proteine, so dass es zu einem ganz schön großen Problem werden kann das Proteins, das repariert werden muss zu finden.

DNA/RNA-Bindeproteine: die Wachhunde der DNA

Neue Forschungsergebnisse von einer Gruppe kanadischer Forscher, die herauszufinden versuchen was bei HD schief läuft, hat die Wichtigkeit eines speziellen Typs von Protein, dem sogenannten “DNA/RNA-Bindeprotein” hervorgehoben. Darüber hinaus hat diese Studie faszinierende neue Zusammenhänge zwischen HD und anderen Erkrankungen des Gehirns aufgeworfen.

Normalerweise verhalten sich DNA/RNA-Bindeproteine wie Wachhunde: sie beschützen die genetischen Baupläne der Zellen. DNA/RNA-Bindeproteine sind in der Lage zu kontrollieren, welche Instruktionen von den Gehirnzellen an die Arbeiter-Proteine gesendet werden. Das heißt, dass DNA/RNA-Bindeproteine ganz besonders wichtig sind, weil sie beeinflussen können, was in einer Gehirnzelle vor sich geht.

Ein wichtiger Punkt bezüglich DNA/RNA-Bindeproteinen ist, dass sie normalerweise nur im Zellkern (dem Kontrollraum der Zelle) zu finden sind, wo sie ganz einfach an die genetischen Baupläne herankommen, die sie beschützen sollen. Bei HD und anderen neuronalen Erkrankungen brechen die DNA/RNA-Bindeproteine allerdings aus dem Zellkern aus und halten sich frei in der übrigen Zelle auf.

Man kann sich diesen “Ausbruch” genauso vorstellen, als würde Wachhund Rex aus dem Garten unseres Nachbarn abhauen: Ist der Hund nicht mehr innerhalb seiner Grenzen festgehalten, läuft er Amok und terrorisiert die Nachbarschaft. Um wieder Ruhe im Viertel einkehren zu lassen, muss der Nachbar den Hund entweder wieder einfangen oder ihn im Vorfeld daran hindern, überhaupt auszubrechen.

Und genau auf diese Weise, so denken einige HD Forscher, könnten die Nervenzellen bei HD vor dem Zelltod bewahrt werden, wenn man DNA/RNA-Bindeproteine daran hindert, aus dem Zellkern auszubrechen und in der Zelle herumzuirren.

Diese Studie formt eine neue Verbindung zwischen HD und anderen Erkrankungen des Gehirns, so dass wir die Möglichkeit haben, sie in einem fliegenden Start zu erforschen.

Wie kann man diese Idee im Labor testen?

Um die Idee zu testen, haben Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. J. Alex Parker von der Universität von Montreal, Québec, Labortiere erschaffen, die genau diesen Krankheitsaspekt der HD widerspiegeln. Sie haben Würmer und Mäuse entwickelt, die ein extra-langes Huntingtin-Protein aufweisen, so wie es auch bei HD Patienten vorkommt. Diese Tiere zeigen Zell- und Verhaltensveränderungen wie das Absterben sehr vieler Gehirnzellen oder Berührungsempfindlichkeit, von welchen die Forscher glauben, dass sie Aspekte der menschlichen Erkrankung repräsentieren.

Parkers Team hat diese Tiere dann dazu verwendet herauszufinden, ob die Manipulation zweier besonderer DNA/RNA-Bindeproteine diese Zell- und Verhaltensänderungen verhindern können. Die Namen der zwei Proteine (TDP43 und FUS) sind nicht von besonderer Bedeutung; was aber wichtig ist, ist dass diese beiden Proteine bei der menschlichen HD-Erkrankung aus dem Zellkern entfliehen.

TDP43 und FUS wurden zum Teil deshalb für die Studie ausgewählt, da man kürzlich herausgefunden hat, dass sie in zwei weitere neuronale Erkrankungen involviert sind - die frontotemporale Demenz und die Motoneuron-Erkrankung (auch als Lou Gehrig Krankheit und ALS bekannt).

Was haben die Forscher herausgefunden?

In den Würmern haben die Wissenschaftler zunächst das normale TDP43- und FUS-Protein durch unterschiedliche, nicht funktionsfähige Versionen dieser Proteine ausgetauscht. In unserer Analogie mit dem Wachhund wäre das in etwa so, als würde Rex durch einen Miniatur-Pudel ersetzt werden. Auch wenn der Pudel abhauen würde, würde er trotzdem nicht die Nachbarschaft auf den Kopf stellen.

Die Forscher haben beobachtet, dass durch diesen Austausch, die normalerweise bei den HD-Würmern auftretenden Abnormalitäten nicht zu finden waren, obwohl das mutierte Huntingtin-Protein immernoch da war. Dies deutet darauf hin, dass eine Interaktion zwischen mutiertem Huntingtin und den DNA/RNA-Bindeproteinen notwendig ist, damit Schaden entsteht.

Um mehr Beweise dafür zu sammeln, dass die Manipulation von DNA/RNA-Bindeproteinen hilfreich bei HD ist, haben sich die Wissenschaftler als nächstes den HD-Mäusen zugewandt. Sie haben eine coole Technik eingesetzt, um die beiden DNA/RNA-Bindeproteine gänzlich loszuwerden. Kurz gesagt haben die Forscher einfach die Bildung der beiden Proteine verhindert - was bedeutet, dass sie einfach nicht vor Ort waren, um irgendwelche Schäden anzurichten.

Wenn wir wieder an unseren Wachhund denken, dann wäre das als würden wir Rexs Vater auslöschen, um zu verhindern, dass Rex jemals geboren wird. Ein Hund, den es nicht gibt, kann ziemlich schlecht die Nachbarschaft terrorisieren.

Neue Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Erkrankungen ermöglichen es uns, einen Schatz an Erfahrung und Arbeit anderer Wissenschaftler zu nutzen, und verbessert dadurch das Verständnis von uns allen und beschleunigt den Fortschritt.
Neue Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Erkrankungen ermöglichen es uns, einen Schatz an Erfahrung und Arbeit anderer Wissenschaftler zu nutzen, und verbessert dadurch das Verständnis von uns allen und beschleunigt den Fortschritt.

Aufregenderweise haben die Forscher beobachtet, dass wenn man die Proteine am Entstehen hindert, die Zellen vor dem Tod durch das extra-lange Huntingtin-Gen geschützt werden.

Aus diesen Ergebnissen schlossen die Wissenschaftler, dass die zwei DNA/RNA-Bindeproteine, die sie untersuchten eine Rolle bei HD spielen müssen. Außerdem schlugen sie vor, dass die Manipulation dieser Proteine neue Wege zur Therapie von HD öffnen könnten.

Was bedeutet das nun für HD?

Es ist wirklich aufregend, dass durch die Manipulation zweier spezieller DNA/RNA-Bindeproteine Verbesserungen in Krankheitsmodellen von HD erzielt werden konnten. Diese Befunde helfen uns zu verstehen, wie HD zum Absterben von Gehirnzellen führt - was potentiell zur Entwicklung neuer Therapeutika führen könnte, die von der HD-Gemeinschaft so dringend benötigt werden.

Und weil die zwei DNA/RNA-Bindeproteine, die die Forscher untersucht haben auch für die Frontotemporale Demenz und ALS wichtig sind, bildet diese Studie eine Brücke zwischen HD und anderen Krankheiten des Gehirns. Auch wenn diese anderen Krankheiten zurzeit ebenso wenig geheilt werden können wie HD bedeutet diese Brücke, dass Wissenschaftler einige der Studien die im Zusammenhang mit anderen Krankheiten durchgeführt wurden aufgreifen können, um herauszufinden was bei HD mit den entsprechenden Proteinen verkehrt ist.

Und das funktioniert in beide Richtungen - die Huntington Erkrankung, bei der man die genetische Ursache kennt, kann nun als Modell zur Untersuchung der DNA/RNA-Bindeproteine genutzt werden und so Forschern helfen, andere Krankheiten zu verstehen.

Selbstverständlich ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass man frühe wissenschaftliche Ergebnisse mit Vorsicht genießen sollte. Erstens haben die Wissenschaftler hier Tiermodelle der HD untersucht (und nicht Patienten), so dass jede Menge Arbeit zu verrichten sein wird, um zu zeigen, dass die selben Proteine auch beim Menschen eine Rolle spielen. Zweitens, auch wenn DNA/RNA-Bindeproteine tatsächlich eine Rolle bei HD-Patienten spielen sollten, ist es ein langer Weg, bis ein Medikament in der Klinik eingesetzt werden kann, da die Generierung eine Menge Zeit und Ressourcen beansprucht.

Nichtsdestotrotz repräsentieren diese Ergebnisse eine ganz neue Denkrichtung - sowie eine aufregende Chance für Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungsbereichen, sich gegenseitig zu helfen - in unseren Bestrebungen, der Ursache für den Zelltod bei HD auf den Grund zu gehen und neue therapeutische Ziele zu finden.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...



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