Hochleistungs-MRT offenbart veränderte Natriumkonzentration im Gehirn von Huntington-Patienten
Wie könnte eine neue Bildgebungstechnik, die den Natriumgehalt im Gehirn messen kann, bei klinischen HK-Studien helfe
Von Dr James Cole 22. Oktober 2012 Bearbeitet von Professor Ed Wild Übersetzt von Nathalia Weber Ursprünglich veröffentlicht am 22. August 2012
Bei der erstmaligen Anwendung einer neuen Bildgebungstechnik bei der HK stellten Wissenschaftler fest, dass Huntington-Patienten möglicherweise einen erhöhten Natriumgehalt im Gehirn aufweisen. Doch was bedeutet erhöhter Natriumgehalt eigentlich? Warum haben wir überhaupt Natrium in unseren Gehirnen - ist das nicht einfach nur Salz? Und warum sollte ein “salziges Gehirn” schlecht sein?
Warum wir Salz brauchen
Alle Arten von Salz, mit denen wir täglich in Kontakt kommen - ob Tafel-, Gesteins- oder Seesalz - sind aus der Chemikalie Natriumchlorid zusammengesetzt, von Experten als NaCl bezeichnet.
Salz ist ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung, genau wie der aller anderen Säugetiere, seit wir der Ursuppe entstiegen sind. Das Natrium im Salz ist von elementarer Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Flüssigkeitsbalance in unserem Körper - mit anderen Worten, es sorgt dafür, dass wir die richtige Menge Wasser in unserem Blut, unseren sonstigen Flüssigkeiten und unseren Zellen haben und somit in unserem Körper alles richtig funktioniert. Natrium wird auch dazu benötigt, um für deren Funktion wichtige Chemikalien in unsere Zellen hinein und wieder heraus zu transportieren.
Der letzte und vielleicht wichtigste Aspekt ist, dass Natrium unverzichtbar für das Denken ist. Damit meinen wir, dass Natrium dafür benötigt wird, elektrische Impulse durch die Neuronen im Gehirn zu schicken.
Und wie alle Chemikalien im Körper wird auch Natrium irgendwann aufgebraucht, sodass wir ständig Salz essen müssen, um nicht plötzlich zum Stillstand zu kommen.
Zu viel des Guten?
Salz schmeckt uns gut, weil es ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung ist und unsere Vorfahren daher versuchen mussten, möglichst viele salzhaltige Nahrungsmittel zu sammeln und zu jagen. In der modernen Welt ist die Herstellung von Salz jedoch so effizient geworden, dass wir ohne weiteres Berge davon bekommen können. Etwa 120 Tonnen werden jedes Jahr produziert, und ein Großteil davon landet in unserer Nahrung.
Im Gegensatz zu unseren Vorfahren, die nach dem kostbaren Salz mühsam suchen mussten, müssen wir heute darauf achten, nicht zu viel Salz zu essen und damit Schlaganfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ähnlich unschöne Dinge zu riskieren.
Wie bei vielen Dingen im Leben, ist sowohl zu wenig als auch zu viel Salz schlecht für uns, und wir müssen versuchen, beim Essen die richtige Balance zu finden. Doch was hat dies mit der Huntington-Krankheit zu tun?
Natrium mit einem MRT-Scanner messen
Da Natrium für das Funktionieren unseres Gehirns unerlässlich ist, wäre es schön, den Natriumgehalt im lebenden Menschen bestimmen zu können. Genau das ist die Idee hinter Natrium-Bildgebung des Hirngewebes.
Indem man einen besonders starken Magnetresonanz-Tomographen, kurz MRT-Scanner, auf die Frequenz von Natriumatomen einstellt, lässt sich eine Natrium-Konzentrations-Karte des Gehirns erstellen. Die Natrium-Konzentrations-Karten von Huntington-Patienten können dann mit denen von gesunden Kontrollprobanden verglichen werden.
Erhöhter Natriumgehalt im Nucleus Caudatus?
Genau das haben kürzlich Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich und der Universität Aachen getan, und ihre Ergebnisse wurden gerade in der Fachzeitschrift Neuroimage veröffentlicht.
„Die Natriumkonzentration war in den Gehirnen von HK-Patienten erhöht, insbesondere in einer Gehirnregion, die sich Nucleus Cadatus nennt. “
Die Wissenschaftler fanden höhere Natriumkonzentrationen in den Gehirnen von Huntington-Patienten, insbesondere in einer Region, die Nucleus Caudatus genannt wird. Es ist gut möglich, dass Sie schon einmal vom Nucleus Caudatus gehört haben, da dieser Teil des Gehirns dafür bekannt ist, dass er in frühen Stadien der HK am stärksten betroffen ist.
Die Tatsache, dass in der Natrium-Bildgebung der Nucleus Caudatus besonders auffällig war, passt zu unserem aktuellen Verständnis des Gehirns bei der Huntington-Krankheit und bestätigt uns zugleich in der Genauigkeit dieser Befunde.
Warum so salzig?
Was könnte also den erhöhten Natriumgehalt im Gehirn verursachen? Nun, alle Zellen des Gehirns enthalten moderate Mengen an Natrium, während sich in den Räumen zwischen den Zellen (angefüllt mit Flüssigkeiten und Chemikalien) wesentlich höhere Natriumkonzentrationen finden.
Aufgrund der salzigen Umgebung, in der unsere Gehirnzellen leben, müssen diese beständig überschüssiges Natrium nach außen pumpen, um in ihrem Inneren die richtige Konzentration aufrecht zu erhalten. Ein Effekt des mutierten Huntingtin-Proteins, das die HK verursacht, könnte die Schwächung der Fähigkeit einer Zelle sein, das überschüssige Natrium nach außen zu pumpen. Dies könnte zu höheren Natriumkonzentrationen im Gehirn führen, als normaler Weise der Fall ist. Es könnte auch Einfluss darauf haben, wie gut eine Zelle grundsätzlich arbeitet.
Eine weitere mögliche Erklärung für den erhöhten Natriumgehalt ist, dass die Zellen durch das mutierte Huntingtin-Protein absterben. Wenn also der Scanner eine davon betroffene Gehirnregion ansieht, werden sich dort weniger Zellen befinden und mehr salzige Flüssigkeit zwischen den Zellen. Dies bedeutet, dass die durchschnittliche Salzkonzentration dieser Gehirnregion erhöht sein sollte.
Wie hilft uns das im Kampf gegen die HK?
Großartig, wir wissen also jetzt, dass HK-Gehirne generell salziger sind. Doch wie könnte uns dies bei der Suche nach Behandlungen der HK helfen und nicht einfach nur eine teure Möglichkeit zum Messen von Salz sein?
Nun, die Wissenschaftler haben über den Natriumgehalt hinaus auch die Größe der unterschiedlichen Gehirnregionen gemessen. Auch wenn dies bei der HK schon häufig getan wurde, wollten sie in diesem Fall den Natriumgehalt der einzelnen Regionen mit deren Größe vergleichen.
Wie erwartet, wurden die höchsten Natriumkonzentrationen in solchen Gehirnregionen gefunden, welche in frühen Stadien der HK bereits zu schrumpfen beginnen.
Jedoch waren die Natriumwerte auch in Regionen abnormal erhöht, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht schrumpfen, wie zum Beispiel die Amygdala.
Das könnte bedeuten, dass die Erhöhung der Natriumkonzentration zeitlich vor dem Schrumpfen des Gehirns liegt. Diese Idee passt zu den Theorien über Natrium bei der HK. Wenn diese korrekt sind, könnte das Messen des Natriumgehaltes eine gute Möglichkeit sein, Veränderungen des Gehirns in frühesten Stadien zu erkennen.
Wollten wir darüber hinaus eine mögliche Behandlung der HK testen, könnten wir sehen, ob das Medikament dazu beiträgt, die Natriumkonzentration auf einem normalen Level zu halten, um somit einen Eindruck davon zu bekommen, ob das Medikament lange vor dem Auftreten klinischer Symptome und dem Schrumpfen von Gehirnregionen Wirkung zeigt.
Wenn uns ein Maß etwas so nützliches über eine Krankheit verrät, bezeichnen wir es als Biomarker.
Moment mal…
Wenn in HK-Gehirnen mehr Natrium als normal vorhanden ist, bedeutet dies, dass ich einfach nur weniger Salz essen muss, um die Krankheit zu bekämpfen?
Leider nein, so einfach ist es dann doch nicht.
Die Ergebnisse zeigen lediglich, dass das Natrium bei der HK nicht gleichmäßig im Gehirn verteilt ist, was ein mögliches Zeichen dafür sein könnte, dass die Dinge nicht ganz richtig funktionieren. Eine Veränderung des Salzgehalts in der Ernährung wird diese ungleichmäßige Verteilung nicht beeinflussen können.
Es gibt auch noch weitere Dinge, die man bei der Interpretation dieser Ergebnisse im Hinterkopf behalten sollte. Natrium-Bildgebung ist noch ein sehr neues Verfahren und die Technologie noch nicht so ausgereift, wie dies bei anderen Bildgebungsmethoden der Fall ist. Die damit produzierten Bilder sind von wesentlich geringerer Auflösung, so wie Fotos von einer alten Digitalkamera. Dies bedeutet, dass der Vergleich des Natriumgehalts verschiedener Gehirnregionen bisher nicht sehr genau ist. Hoffentlich wird sich die Technik hierin mit der Zeit verbessern.
Auch stammen die Ergebnisse nur von einer kleinen Gruppe, bestehend aus dreizehn Huntington-Patienten und dreizehn Kontrollpersonen. Um sicher sagen zu können, dass der Natriumgehalt in HK-Gehirnen erhöht ist, müssen solche Experimente an wesentlich größeren Gruppen durchgeführt werden.
Und schließlich…
Die Erforschung der Huntington-Krankheit mittels Natrium-Bildgebung steht noch am Anfang. Der Forschungsansatz ist jedoch innovativ und zeigt interessante Ergebnisse, die zu unserem bisherigen Verständnis der Probleme, die die HK im Gehirn verursacht, passen. Wenn sich mehr Menschen dazu entschließen, diesen Ansatz zu verfolgen und größere Gruppen als bisher mit verbesserten Methoden untersuchen, dann könnte der Salzgehalt des Gehirns zu einem Biomarker für den Behandlungserfolg bei der HK werden.