Interview: Das wissenschaftliche Team der CHDI
HDBuzz befragt die Top Wissenschaftler der CHDI, dem weltweit größten Unterstützer der Huntington Forschung
Von Professor Ed Wild 9. Juni 2012 Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Christiane Reick Ursprünglich veröffentlicht am 18. Mai 2012
Die Huntington Therapie Konferenz 2012 brachte eine geballte Ladung an Neuigkeiten, Aufregung und Optimismus für Menschen, die verzweifelt auf wirksame Behandlungen für die Huntington Erkrankung warten. HDBuzz interviewte einiger der führenden wissenschaftlichen Köpfe die hinter dem Kongressorganisator, der CHDI Stiftung Inc., stehen.
Was ist die CHDI?
Es ist immer noch überraschend für uns, dass viele Menschen aus HK-Familien noch nie von der CHDI gehört haben, wenn man bedenkt, dass sie mit Abstand der weltweit größte Förderer der Huntington Forschung ist.
Die Struktur der CHDI und ihr Auftrag sind sehr ungewöhnlich - nicht nur auf die Huntington Erkrankung bezogen, sondern auf jeden Bereich der Forschung. In vielen Punkten gleicht die CHDI einem kommerziellen Pharmaunternehmen - mit einer Management-Struktur, einer Pipeline an Zielen und sie beschäftigt Wirkstoffjagende Wissenschaftler, viele mit jahrelanger Erfahrung in der Pharmandustrie. Doch ist die CHDI eine Non-Profit-Organisation die vollständig aus Spenden finanziert wird, ohne die Notwendigkeit den Aktionären eine finanzielle Rendite zu liefern. Die Hauptmotivation der CHDI ist die Zeit, nicht das Geld. Einzigartig ist, dass sich die CHDI ganz für die Entwicklung von Therapien gegen eine einzige Erkrankung einsetzt - der Huntington Krankheit - Ebenso ungewöhnlich ist, dass sie keine eigenen Laboratorien hat, sondern die HK Forschung durch Zusammenarbeit mit universitären und kommerziellen Wissenschaftlern vorantreibt.
Unser Interview von der Konferenz 2011 behandelt den ungewöhnlichen Aufbau der CHDI im Detail. Dieses Jahr wollen wir uns auf die Neuerungen konzentrieren und auf die greifbare Aufregung auf der Konferenz 2012 über kommende Studien mit neuen Medikamenten für die HK.
Eine aufregende Zeit für Medikamente
Wie unsere Tweets und Reportagen von der Konferenz zeigten, liegt für das Jahr 2012 der Beginn einer neuen Ära in der Entwicklung von Medikamenten gegen die Huntington Erkrankung in der Luft. Mehrere, lang erwartete Gen-Silencing Studien am Menschen sind in Planung und die parallelen Anstrengungen der CHDI, neue Medikamente, die spezifisch auf unterschiedlichste Probleme der HK zielen zu entwickeln sind drastisch fortgeschritten.
Wir begannen mit einer Frage an Robert Pacifici, dem Forschungsvorstand der CHDI, in wieweit sich die bevorstehenden Studien von bereits dagewesenen unterscheiden. Drei Sachen stimmen ihn optimistisch: “Das Erste ist die Anzahl von Möglichkeiten das Ziel zu erreichen. Wir haben viele Dinge in der Planung, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium befinden. Die Zweite Sache ist die Vielfalt. Wenn wir uns nur auf einen Ansatzpunkt fokusieren würden, wäre ich wirklich nervös, aber das tun wir nicht - Es gibt hier eine große Vielzahl”.
Pacifici uns seine Leiter der Chemie und Biologie, Celia Dominguez und Ignacio Muñoz-Sanjuan, sind zurecht stolz auf die Medikamente die sie sorgfältig entwickelt und getestet haben. Ein Punkt, in dem sich die nächste Generation von experimentellen Medikamenten hervorhebt ist, dass sie speziell für die Huntington Erkrankung entwickelt und nicht aus anderen Erkrankungen kommend umgerüstet wurden - oder wie Dominguez sagt, “Diese Moleküle wurden von Grund auf für die Huntington Krankheit handgefertigt”.
„Es gibt jede Aussicht auf Erfolg - Wenn die Versuche scheitern, sind sie dennoch informativ. Alles gibt ein endgültiges Ergebnis “
Die Dritte Änderung, die CHDI anstrebt, treffen den Kern, welcher Wissenschaftler motiviert klinische Studien durchzuführen. “Wir haben Dinge entwickelt, die auf Erfolg ausgelegt sind - aber wenn sie scheitern,” sagt Pacifici, “sind sie dennoch informativ. Alles wird uns ein endgültiges Ergebnis liefern”.
Das erfordert zwei grundlegende Umstellungen in der Art und Weise, wie Studien durchgeführt werden. Zuerst muss das Medikament eingehend getestet werden, um zu gewährleisten, dass es das macht was es machen soll, bevor es in Humanstudien eingesetzt wird. Zweitens muss die Studie so geplant werden, dass die Ergebnisse Sinn ergeben, egal ob positiv oder negativ.
Angesichts des finanziellen und zeitlichen Aufwandes von Studien, reicht es nicht ein negatives Ergebnis zu bekommen, ohne zu wissen warum, sagt Pacifici. Die Studienplanung der CHDI verwendet drei Stufen von ‘Biomarkern’ um die Effekte eines Wirkstoffes, vom Treffen seines Zieles bis zum “bedeutungsvollen biologischen Effekt” auf die Erkrankung aufzuspüren. “Es ist immer noch möglich, selbst mit diesen drei Stufen, dass das Medikament die Huntington Krankheit nicht heilt, aber wenn ich weiß, dass ich das Ziel getroffen hab und es heilt die HK nicht, weiß ich, dass ich das nicht weiter verfolgen werde”.
Als ein Beispiel für das Vorgehen der CHDI zitiert Pacifici Caspase-6, ein Enzym von dem man denkt, dass es das mutierte Huntingtin in giftige Stücke schneidet. Die CHDI arbeitete intensiv an der Erforschung des Enzyms und daran, Medikamente zu entwickeln, die seine Aktivität mindern. Aber je mehr sie entdeckten, desto weniger versprechend sah dieser Therapieansatz aus und es wurde entschieden, das Programm zu beenden. Pacifici betont, dass die CHDI von der Caspase-6 nicht nur einfach Abstand nahmen. “Wir stellten sicher, dass wir das Projekt richtig beendet hatten und wir veröffentlichen unsere Beobachtungen, so dass jeder der interessiert war, es aufnehmen konnte. Wir freuen uns wenn unsere Beobachtungen wiederlegt werden”.
Ein neuer Ansatz
Mit Gen-Silencing und bemerkenswerten Medikamenten wie Phosphodiesterase (PDE) Hemmern oder KMO Hemmern, die sich schnell in Richtung klinische Studien bewegen, könnte die CHDI, wenn sie ein gewöhnliches Pharmaunternehmen wäre, nun bei den Anstrengungen neue Wirkungsziele zu entdecken und neue Moleküle zu entwickeln eine Pause einlegen. Stattdessen hat die Stiftung eine neue Herangehensweise an das Problem des Erforschen und der Entwicklung von Huntigton Therapien vorgestellt - mit Hilfe der Systembiologie.
Keith Elliston ist der neue Vizepräsident für Systembiologie bei der CHDI. “Biologische Systeme,” erklärt Elliston, “Haben in sich eine besondere Art, Du kannst sie nicht verstehen, indem Du zu einem bestimmten Zeitpunkt nur auf einzelne Teile schaust. Wir müssen uns die Teile als ein Ganzes anschauen und nicht als einzelne Bestandteile”.
Es kling plausibel, dass wir uns fragen warum es irgendjemand anders machen könnte. Elliston wechselt in den Geschichtsmodus. “Die molekularbiologische Revolution hat die Art, wie wir über Biologie reden grundlegend verändert. Es brachte uns von einem Zustand, wo wir auf ganze Systeme schauten wie sie funktionieren zu dem, wie wir diese in ihre atomaren Bestandteile abbauen können. Aber es ist einleuchtend, dass biologische Systeme sehr viel komplexer sind als das”.
Schön und gut, aber ist die Huntington Krankheit im Grunde kein einfaches Problem - ein genetisches Stottern, das den Tod von Gehirnzellen verursacht? Nicht ganz, sagt Elliston. “Eine Zelle mit der Huntington Mutation hat ihre Natur verändert - Sie ist nicht tot, sie lebt immer noch, aber sie hat sich grundlegend verändert. Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden wie sie sich verändert hat und dann das System wieder in einen günstigeren Zustand zu schubsen”.
Elliston glaubt, dass die Systembiologie einen neuen Weg darstellt, um an die Medikamentenentwicklung heranzugehen. “Herkömmliche Weisheit besagt, dass wenn wir ein Medikament machen, das einen einzelnen Punkt im System verändert, können wir dadurch die Weise wie das System arbeitet verändern. Aber Medikamente haben viele verschiedene Wirkungsmechanismen und es könnte die Ansammlung von Wirkungsweisen sein, die das System in die eine oder andere Richtung schubst”.
Folglich scheint es, es ginge bei Systembiologie darum zu erkennen, dass wir es immer mit Systemen zu tun gehabt haben, ohne es vielleicht erkannt zu haben. Elliston führt aus: “Wenn ich eine Nadel nehme und sie gegen einen Ballon drücke, bringe ich ihn zum Zerplatzen. Wenn ich eine Hand nehme und ich ihn an vielen Punkten gleichzeitig drücke, verändert er seine Form. So ist das auch mit Biologie. Je vorsichtiger ich drücke, desto wahrscheinlicher kann ich sie von einem in einen anderen Zustand schieben”.
Für die CHDI sind Offenheit und Austausch wichtige Aspekte für den Schritt in Richtung Systembiologie. Die Stiftung hat viele akademische und industrielle Partner und zielt darauf ab Lücken zu überbrücken, wo traditionelle Arbeitsweisen nicht immer gut funktionieren. “Das Wichtigste, was die CHDI tun kann ist eine Datenbank aufzubauen - Welche Modelle brauchen wir, was sind die Krankheitsmechanismen - Wenn wir diese Dinge zusammen bringen und sie bündeln, können wir im Prinzip HK Programme quer durch die Pharmazeutische Industrie anstoßen, weil wir die Biologie getan haben”.
„Unsere Strategie war es sicherzustellen, das nichts, was sich auf einem entscheidenden Weg befindet außerhalb unsere Kontrolle liegt “
“Big Pharma”
Es war ein durchmischtes Jahr für die pharmazeutische Industrie und die Huntington Erkrankung. HK Familien waren verständlicherweise enttäuscht, als Novartis ankündigte, das Programm für neurodegenerative Erkrankungen, einschließlich ihrer Huntington Arbeit zu beenden.
Währenddessen verkündete Pfizer, eine andere Arzneimittelriese, großartige vorläufige Ergebnisse in der Entwicklung von PDE Medikamenten, welche die synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen verbessern sollen, die durch Zusammenarbeit mit der CHDI entstanden sind. Pfizer plant nun Medikamentenstudien welche bereits 2013 beginnen könnten.
Trotz der manchmal unvorhersehbaren Beteiligung von Pharmakonzernen in der Huntington Forschung, bleibt Pacifici positiv. “Weil die CHDI den Luxus hat, dass ihr Zeit und finanzielle Mittel zur Verfügung stehen”, sagt er, “können wir darüber erhaben sein. Es ist enttäuschend wenn eine Firma Schwerpunkte anders legt, aber unsere Strategie ist es sicher zu gehen, dass nichts, was als kritisch anzusehen wäre außerhalb unserer Kontrolle liegt”.
Die CHDI wächst heran
Dieses Jahr hat sich die CHDI mit einem neuen Logo neu definiert - Ein Baum, gemacht aus miteinander verbundenen Strukturen - welcher die Chemie von Wirkstoffmolekülen, oder auch möglicherweise Elliston´s biologische Systeme repräsentiert. Es ist ein treffendes Bild, da sich die Setzlinge, die die letzten sieben Jahre von der CHDI gepflanzt und versorgt wurden, oft als zerbrechlich und schwer zu kultivieren heraus stellten. Aber es gibt ein Gefühl, welches alle, sowohl bei der Stiftung als auch bei der weltweiten Gemeinde von Huntington Forschern gemein haben. Sie alle sind sich sicher, dass ihre Anstrengungen belohnt werden und dass die bevorstehenden “speziell für Huntington” entwickelten Arzneimittelstudien Wirkung erzielen oder zumindest Schutz bieten werden.