
Den Verlauf der Huntington Krankheit erhellen
Forscher verwenden MĂ€use mit leuchtenden Gehirnzellen um die ersten Schritte der Neurodegeneration zu entschlĂŒsseln
Der Verlauf der Huntington Krankheit (HK) ist ein langwieriger Prozess, bei dem die ersten VerĂ€nderungen im Gehirn stattfinden, lange bevor wir erste Symptome bei Patienten sehen. Es ist sinnvoll den Fokus einer Behandlung auf diese ersten VerĂ€nderungen zu legen, um die Erkrankung im Keim zu ersticken. Aber wie sehen diese VerĂ€nderungen aus und wie können wir sie behandeln? Eine kĂŒrzlich veröffentlichte Studie hat buchstĂ€blich Licht auf diese Frage geworfen. Dies gelang Forschern der UniversitĂ€t der Nottingham Medical School und des Babraham Institutes in GB, indem sie HK MĂ€use mit leuchtenden Gehirnzellen erschufen. Sie fanden heraus, dass einige der frĂŒhesten VerĂ€nderungen auftraten, lange bevor Zellen abstarben, in einer Region des Gehirns, an die die HK Forscher bisher keinen Gedanken verschwendet hatten.
Nutze die Magie des farbigen Lichtes
Bei den in Frage kommenden MĂ€usen leuchtete ein kleiner prozentualer Anteil der Gehirnzellen, die sogenannten Neurone, und dies aus gutem Grund. Neurone können als winzige Informations-Prozessoren angesehen werden. Sie empfangen eingehende Signale durch Strukturen, die „Dendriten“ genannt werden und verarbeiten diese im Zellkörper, dem sogenannten „Soma“. Das ausgehende Signal wird entlang eines dĂŒnnen Kabels gesendet, das „Axon“.

Image credit: Quasar Jarosz
Die Information wird zu den Dendriten des nĂ€chsten Neurons in der Schaltung geleitet, um Nachrichten ĂŒber ein unvorstellbar komplexes Netzwerk hinweg zu verteilen – Nachrichten, die all unsere Gedanken, Aktionen und Körperfunktionen koordinieren. Diese KomplexitĂ€t bedingt, dass die Neurone dicht gepackt zwischen verschiedenen anderen Zellen und Geweben des Gehirns liegen. Indem nur ein kleiner Teil der Neurone erhellt wurde und der Rest dunkel blieb, konnte sich ein klares Bild abzeichnen.
Neurone direkt im Gehirn zu untersuchen erweist sich als schwierig, da ihre „Ausgangsleitung“, oder auch Axon, sehr lang sein kann. Die Neurone, die beispielsweise die Bewegungen deines Körpers steuern, haben ihren Zellkörper im Kortex, senden ihre Axone jedoch bis hinunter zum RĂŒckenmark. Das ist eine sehr weite Strecke fĂŒr eine winzige Zelle.
Eine komplette Zelle zu erleuchten ermöglicht es den Forschern, den Verlauf eines individuellen Neurons zu verfolgen; von seinen dendritischen EingĂ€ngen, ĂŒber den Zellkörper, bis hin zum Zielpunkt des Axons in einer gĂ€nzlich anderen Hirnregion. Auf diese Weise können sie untersuchen, ob VerĂ€nderungen des Axons mit weiteren VerĂ€nderungen in anderen Segmenten der selben Gehirnzelle im Zusammenhang stehen. Die ersten VerĂ€nderungen, welche die HK hervorruft, könnten besser verstanden werden, wenn bekannt wĂ€re welche Segmente des Neurons zuerst betroffen sind.
Die Neurone von zwei verschiedenen HK Mausmodellen wurden auf folgende Weise zum Leuchten gebracht: ein „transgenes“ Mausmodell und ein „knock-in“ Modell. Das transgene Mausmodell wurde derart verĂ€ndert, dass es einen kleinen Teil des mutierten HK Gens trĂ€gt. Das knock-in Modell hingegen trĂ€gt, durch ein sogenanntes „knock-in Verfahren“, die HK verursachende Expansion in seinem eigenen gesunden Huntingtin Gen.
Der Hauptunterschied zwischen beiden Modellen liegt darin, wie schnell und ernsthaft die MÀuse erkranken. Das transgene Modell schreitet sehr viel schneller voran, es zeigt bereits nach 12 Wochen Symptome (im Gegensatz zu 12 Monaten). Dies kann von Vorteil sein, zum Beispiel um schneller Antworten auf potentielle Wirkstoffe zu erhalten. Das knock-in Modell erkrankt sehr viel langsamer und zeigt weniger starke Symptome, welche dadurch schwieriger zu erfassen sein können. Es Àhnelt jedoch mehr dem Verlauf in HK Patienten, so dass es das genauere Modell ist. In der Wissenschaft gibt es oft einen Kompromiss zwischen Genauigkeit und Schnelligkeit, wie bei diesen beiden Mausmodellen.
Beulen in der Leitung
âWir mĂŒssen uns Gedanken darĂŒber machen, welcher Teil der Zelle erkrankt, bevor wir an eine Behandlung denken könnenâ
Die HK ist eine Erkrankung des Gehirns. Die Probleme, welche sie verursacht, verteilen sich jedoch nicht gleichmĂ€Ăig ĂŒber das Gehirn. Zellen in bestimmten Gehirnregionen erkranken und sterben frĂŒher als andere. Eine kleine Region, die tief im Gehirn liegt und „Striatum“ genannt wird, ist der verwundbarste Teil des Gehirns bei der HK. Dieser verschwindet fast vollstĂ€ndig wĂ€hrend des Krankheitsverlaufs.
Um diese Gehirnregion in HK MĂ€usen zu untersuchen, vergleichen die Wissenschaftler die leuchtenden Neurone beider Modelle zu ihrem jeweiligen frĂŒhen und spĂ€ten Stadium der Krankheit. In den transgenen MĂ€usen waren die Neurone des Striatums ĂŒberraschenderweise normal und gesund, obwohl die MĂ€use eine Reihe an Symptomen zeigten. Dies legt nahe, dass auch andere Faktoren, neben Fehlfunktionen und Absterben von Zellen des Striatums, die HK Ă€hnlichen Symptome in diesen MĂ€usen hervorrufen.
Im knock-in Modell zeigten die MĂ€use in der frĂŒhen Phase der Erkrankung normal und gesund aussehende Gehirnzellen im Striatum. Die MĂ€use in der spĂ€ten Phase zeigten Regionen mit beulenartigen Anschwellungen an ihren Axonen. Zur Erinnerung: Axone sind die Ausgangsleitung der Neurone, sie tragen ihre Nachrichten weiter zu anderen Zellen im Gehirn.
Ein Anschwellen der Axone geschieht wĂ€hrend des natĂŒrlichen Alterungsprozesses und in manchen Erkrankungen des Gehirns. Bei den knock-in HK MĂ€usen trat es jedoch frĂŒher und hĂ€ufiger auf. Das zugehörige Soma (Zellkörper) und die zugehörigen Dendriten des jeweiligen Axons, sahen jedoch normal aus. Das ist sehr interessant, da es nahelegt, dass in diesem Mausmodell die ersten VerĂ€nderungen an den Axonen auftreten.
Wenn wir davon ausgehen, dass der milde Krankheitsverlauf in diesem Mausmodell einen frĂŒhen Zustand dessen darstellt, was in einem HK Gehirn geschieht, könnten uns diese Ergebnisse dabei helfen, unseren Fokus auf die richtige Region des Neurons zu lenken, insbesondere das Axon. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass es bei der HK zu Problemen im Axon kommt. Diese Probleme zu untersuchen und zu verstehen, scheint somit ein lohnenswertes Ziel zu sein.
Die Wissenschaftler gaben sich jedoch nicht damit zufrieden, ausschlieĂlich VerĂ€nderungen im Striatum zu untersuchen. Sie schauten sich viele Regionen des Gehirns an, in der Hoffnung noch weitere frĂŒhzeitige VerĂ€nderungen durch die HK aufzudecken. Ăberraschenderweise lag die Region mit den meisten Anschwellungen an Axonen nicht in sondern nahe dem Striatum, sie trĂ€gt den Namen Stria terminalis. Diese Region spielt bei Angst bezogenem Verhalten eine groĂe Rolle.

Die Axone der Stria terminalis zeigten schon im frĂŒhen Stadium der Erkrankung ein Anschwellen, im spĂ€ten Stadium verstĂ€rkte sich der Effekt noch. Auch hier konnte jedes Axon zu seinem Soma zurĂŒck verfolgt werden. Die Zellkörper lagen wiederum in einer anderen Gehirnregion, der Amygdala, waren jedoch gesund. Diese Region scheint somit ebenfalls weitere Studien zur HK wert zu sein.
Vorbeugung ist besser als Heilung
Wir werden niemals mĂŒde darauf hin zu weisen, dass selbst genetisch verĂ€nderte MĂ€use keine HK Patienten sind. Kein Mausmodell wird uns jemals alles zeigen, was in einem HK Gehirn geschieht. Die Ergebnisse dieser Studie machen jedoch deutlich, dass in einem HK nahen Mausmodell die Axone Anzeichen von Degeneration zeigen, bevor andere Regionen der Nervenzellen betroffen sind. Wir mĂŒssen uns Gedanken darĂŒber machen, welcher Teil der Zelle erkrankt, bevor wir an eine Behandlung denken können. Die knock-in MĂ€use haben ihre Grenzen, sie eignen sich jedoch hervorragend, um die Degeneration von Axonen im Verlauf der Huntington Krankheit zu untersuchen.
Diese Arbeit zeigt uns weiterhin, dass das Striatum vielleicht nicht die erste Gehirnregion ist, die von der HK beeintrĂ€chtigt wird. Wir können uns jedoch nicht sicher sein, da nicht alle Neurone des Striatums markiert und zum Leuchten gebracht wurden. Wir kennen nun aber eine neue Gehirnregion, die es zu erforschen gilt. Sollte sich heraus stellen, dass hier die zellulĂ€re Degeneration beginnt, wĂ€re ein lohnenswertes Ziel fĂŒr neue TherapieansĂ€tze gefunden, um SchĂ€den am Gehirn zu verhindern, bevor sie auftreten.
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