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Von Dr Leora Fox und Dr Rachel Harding Bearbeitet von Dr Rachel Harding Übersetzt von Rebecca

Am 20. Januar teilte Roche die lang erwarteten Detailergebnisse der GENERATION-HD1-Studie der Öffentlichkeit mit. Untersucht wurde Tominersen, ein Huntingtin-verminderndes Medikament. Die Studie hatte ihr Ziel nicht erreicht und wurde abgebrochen, da Sorge bestand, dass die häufige Gabe von Tominersen sogar zu Verschlechterungen bei den Patienten führen könnte. Die ausführliche Analyse der Daten scheint nun aber zu dem Schluss zu führen, dass Tominersen für jüngere Patienten durchaus seinen Nutzen haben könnte. Daher plant Roche nun sogar eine neue Phase-II-Studie mit dem gleichen Medikament.

Was wir schon wussten

Roche ist eine von vielen Firmen, die in Huntingtin-Verminderungs-Therapien investieren. Das Medikament Tominersen wurde von Roche bereits in einer internationalen Phase-III-Studie namens GENERATION-HD1 an fast 800 Teilnehmern getestet.

Roche unterteilte die Daten in verschiedene Untergruppen: zum Einen wurde nach Alter (jünger oder älter als 48 Jahre) und zum anderen nach CAP-Wert (hoch oder niedrig) aufgeteilt.
Roche unterteilte die Daten in verschiedene Untergruppen: zum Einen wurde nach Alter (jünger oder älter als 48 Jahre) und zum anderen nach CAP-Wert (hoch oder niedrig) aufgeteilt.

Doch im März 2021 erreichte die Öffentlichkeit die traurige Nachricht, dass die Studie abgebrochen wurde. Die Entscheidung wurde durch ein unabhängiges Komittee gefällt, die regelmäßig Daten aus der Studie analysierten und feststellten, dass auch nach einem Jahr der Therapie, keine positive Wirkung gemessen werden konnte, sondern dass es den Patienten, die alle 8 Wochen das Medikament erhielten, sogar schlechter ging.

Seit dem hat Roche alle Daten aus Proben, MRT-Aufnahmen, usw. von den fast 100 teilnehmenden Kliniken gesammelt und analysiert. Die Huntington-Gemeinschaft ist genauso gespannt wie Roche, ob nicht dieses schon so weit entwickelte Medikament Tominersen für eine bestimmte Patientengruppe doch noch zu einer Besserung der Symptome führen konnte.

Was wir jetzt wissen

Roche teilte die gesammelten Daten in unterschiedliche Gruppen auf, gemäß Alter der Patienten und CAP-Wert. Der CAP-Wert ist ein definierter Wert, der sich aus der Anzahl an CAG-Wiederholungen auf dem mutierten Huntington-Gen der Patienten ergibt. Die Aufteilung erfolgte in eine Gruppe älter und eine jünger als 48 Jahre und in eine Gruppe unterhalb und eine oberhalb des mittleren CAP-Wertes. Dadurch ergaben sich 4 Datengruppen: niedriges Alter/niedriger CAP-Wert, niedriges Alter/hoher CAP-Wert, hohes Alter/niedriger CAP-Wert und hohes Alter/hoher CAP-Wert. In jeder Gruppe gab es wiederum Individuen, die alle 8 bzw. alle 16 Wochen eine Dosis Tominersen erhielten, sowie solche, die einen Placebo erhielten.

Zwei Schlüsselwerte wurden aus den Daten ermittelt: der cUHRS- (composite unified Huntington’s disease rating scale) und der TFC-Wert (total functional capacity). Sie bilden sich aus einer Kombination von Untersuchungen zu Bewegungsstörungen und Denkfähigkeit. In jeder der vier Datengruppen zeigten diese Werte schwächere Ergebnisse bei den Personen, die alle 8 Wochen Tominersen erhielten, verglichen mit der Placebo-Gruppe. Es wurden zwar keine schweren Nebenwirkungen festgestellt, aber es wurde deutlich, dass eine langfristige Gabe von Tominersen schädlich sein kann.

Im Falle einer Dosis alle 16 Wochen zeigt sich ein gemischteres Bild. Unter den vier Gruppen könnte es ausschließlich für die Gruppe mit niedrigem Alter/niedrigem CAP-Wert einen Vorteil durch Tominersen geben: ihre cUHDRS- und TFC-Werte haben sich nach einem Jahr der Gabe des Medikaments gegenüber der Placebo-Gruppe leicht verbessert. Allerdings ist die Verbesserung statistisch nicht signifikant, daher soll hier weiter geforscht werden, um mehr Daten zu erheben.

Roche zeigte auch Ergebnisse ihrer Biomarkeranalyse aus Nervenwasserproben, die während der Studie entnommen wurden. Die Menge an mutiertem Huntingtin nahm hier wie erwartet ab, wenn Tominersen verabreicht wurde. Die Abnahme war stärker, wenn die Dosierung häufiger erfolgte, d. h. sie war dosisabhängig. Wie auch in den vorangegangenen Studien zeigte sich also, dass das Medikament das tat, was es sollte. Weiterhin wurde die Konzentration an NfL gemessen. Dieser Biomarker soll den Grad der Schädigung des Hirns wiedergeben. Bei älteren Teilnehmern, die alle 8 Wochen Tominersen erhielten, nahm das Niveau von NfL zunächst zu, sank dann aber wieder auf Normalwerte ab. Nur sehr geringe Zunahmen an NfL wurden dagegen bei der jüngeren Gruppe aufgezeichnet und am Ende der Studie waren die Werte auch hier auf Normalniveau. Das Gehirn scheint also mit der anfänglichen Herausforderung, die das Medikament darstellt, auf längere Sicht gut zurecht zu kommen.

Was viele Wissenschaftler bei Roche und Menschen in der Huntington-Gemeinschaft wissen wollten, war, ob das Medikament vielleicht für eine Teilgruppe von Patienten hilfreich gewesen sein könnte.

Was wir immernoch nicht wissen

Viele Fragen sind weiterhin unbeantwortet. Von Roche sind weitere Updates geplant.

Eine wichtige offene Frage ist, warum Tominersen eigentlich zu einer Verschlechterung bei den Patienten führte, die es alle 8 Wochen bekamen. Es gibt dazu schon einige Ideen, aber noch kein abschließendes Ergebnis.

Was außerdem noch weiter ausgewertet werden muss, sind die MRT-Aufnahmen aus der Studie. In der Präsentation am 20. Januar konzentrierten sich die Wissenschaftler auf Volumenveränderungen des Hirnareals Nucleus Caudatus, der im Verlauf der Huntington-Krankheit kleiner wird. Weiterhin betrachteten sie die Größe von Ventrikeln, in denen sich Flüssigkeiten durch das Gehirn bewegen. In der Gruppe niedriges Alter/geringer CAP-Wert, die alle 16 Wochen das Medikament erhielt wurde das Nucleus-Caudatus-Volumen beibehalten. Allerdings nahm das Ventrikelvolumen zu, was ein Zeichen für Entzündungen oder Zellenverlust rund um die Ventrikel sein könnte. Es ist nötig, noch weitere Analysen durchzuführen.

Was wir definitiv noch nicht wissen, ist ob Tominersen die Symptome der Huntington-Krankheit verringert oder die Krankheit aufhalten kann.

Wir werden weiterhin über folgende Auswertung der Studiendaten von GENERATION-HD1 und auch über die geplante neue Phase-II-Studie in gewohnter weise informieren.

Rachel Harding hat keine Interessenskonflikte offenzulegen. Leora Fox arbeitet für die Huntington's Disease Society of America, die Geheimhaltungsvereinbarungen mit Pharmaunternehmen wie Roche inne hat. Ed Wild ist im leitenden Ausschuss der GENERATION-HD1-Studie von Roche; er antwortete auf wissenschaftliche Fragen zu CAP-Werten und Ventrikelvolumen, trug allerdings nicht zur Erstellung dieses Artikels bei. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...