Von Joseph Ochaba Bearbeitet von Dr Jeff Carroll Übersetzt von Michaela Winkelmann

Was passiert, wenn man ein defektes Teil in einer Maschine hat? Man repariert es! Eine neue Studie zeigt, dass die Erhöhung der Aktivität eines kritischen Stücks der Maschine namens „mTORC1“ in einem Mausmodell der Huntington-Krankheit zu einer Verbesserung der motorischen Probleme und der Anomalien im Gehirn führt, die mit der Krankheit assoziiert werden. Diese vor kurzem veröffentlichten Ergebnisse könnten Wissenschaftlern ein neues Ziel für die Therapie-Entwicklung bei der Huntington-Krankheit bieten.

Auf der Suche nach neuen Zielen

Jeder Mensch hat zwei Kopien eines Gens, das die Wissenschaftler „Huntingtin“ nennen, und Menschen mit der Huntington-Krankheit haben entweder von ihrer Mutter oder ihrem Vater (mindestens) eine mutierte Kopie des Gens geerbt. Vom Gen selbst wird angenommen, dass es nicht schädlich ist, sondern vielmehr, was die Zellen mit ihm machen. Im Allgemeinen verwenden die Zellen die Gene als Anweisungen für die Anleitung zur Herstellung von kleinen Maschinen namens Proteine.

mTORC1 wurde anfänglich als Ziel eines Antibiotikums namens „Rapamycin“ entdeckt. Rapamycin wurde ursprünglich aus einer Bodenprobe von der Osterinsel (oder „Rapa Nui“) isoliert!
mTORC1 wurde anfänglich als Ziel eines Antibiotikums namens „Rapamycin“ entdeckt. Rapamycin wurde ursprünglich aus einer Bodenprobe von der Osterinsel (oder „Rapa Nui“) isoliert!

So wie das Gen wird auch das Protein, das daraus hergestellt wird, „Huntingtin“ genannt, was etwas verwirrend sein kann. Das mutierte Huntingtin-Protein häuft sich im Laufe der Zeit an und schadet insbesondere einer Gehirnregion namens Striatum. In den Zellen dieser wichtigen Gehirnregion kann das mutierte Huntingtin-Protein viele andere wichtige Maschinerien stören, was darauf Einfluss hat, wie eine Zelle wächst und überlebt.

Es wird angenommen, dass die durch das mutierte Huntingtin verursachte Fehlfunktionen in der Arbeit dieser kleinen Maschinerien der Krankheit zu Grunde liegen. Aus diesem Grund konzentrieren viele Forscher ihre Untersuchungen auf die Suche nach den defekten Zahnrädern in den Zellen mit dem mutierten Huntingtin. Welche Veränderungen können beobachtet werden, wenn das mutierte Huntingtin vorhanden ist? Führt es zu Verbesserungen der Huntington-Symptome, wenn man diese Veränderungen behebt?

Eines dieser Ziele wurde vor kurzem von einem Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Beverley Davidson an der Universität von Iowa untersucht. Die Forschungsarbeit der Gruppe konzentrierte sich auf eine kleine Maschinerie namens “Mammalian Target of Rapamycin Complex 1” oder mTORC1.

mTORC-was?

Also was genau ist dieses mTORC1? Damit die Zellen wachsen, sich teilen und überleben, müssen sie sicherstellen, dass sie ihre Ressourcen in der richtigen Weise sorgfältig nutzen. Wenn es viel Nahrung gibt, können die Zellen fröhlich Energie verbrauchen. Auf der anderen Seite, in Zeiten wenn die Mittel knapp sind, müssen die Zellen viel konservativer sein und ihre Energie sparen.

Als die mTORC1-Aktivität bei den Huntington-Mäusen wiederhergestellt wurde, erholten sich die Gehirnbereiche, die begonnen hatten zu schrumpfen und zu degenerieren. Die Behandlung beeinflusste das Bewegungsverhalten positiv.

Dieses Gleichgewicht zwischen Nutzung und Schonung von Ressourcen ist es, wo mTORC1 ansetzt. Es sitzt in der Mitte jeder Zelle in einer komplizierten Menge von Arbeitsmaschinen, um immer wieder dafür zu sorgen, dass die Menge an Energie, die verbraucht wird, zu der Menge an Energie passt, die hereinkommt. In gewisser Weise ist die Maschinerie, die von mTORC1 gesteuert wird, wie eine Art Banker der Zelle, um sicherzustellen, dass die Konten ausgeglichen sind.

Eine defekte Maschinerie

Frühere Arbeiten von anderen Wissenschaftlern hatten Veränderungen in dieser Form der Energiebilanzherstellung bei der Huntington-Krankheit vermutet. Um mehr Informationen darüber zu bekommen, warum dies geschah, sah das Team von Davidson zunächst bei den Gehirnen von Huntington-Patienten und Mausmodellen der Krankheit nach. Dabei konnten sie nachweisen, dass die Aktivität des Netzwerks, die durch mTORC1 gesteuert wurde, in den Bereichen des Gehirns, die bei der Huntington-Krankheit gefährdet sind, stark verringert war.

Als nächstes verwendeten sie Viren, um eine leistungsfähiges „an“-Signal an das Ressourcensteuerungsnetzwerk im Gehirn von Huntington-Mäusen zu liefern, um die Aktivität des mTORC1 künstlich zu steigern. Als sie dies taten, konnten sie Veränderungen messen, die ihnen zeigten, dass ihr Anschub funktioniert hatte - das System arbeitete mehr, wie es dies in den Gehirnen von normalen, nicht Huntington-Mäusen macht.

Als die mTORC1-Aktivität bei den Huntington-Mäusen wiederhergestellt wurde, erholten sich die Gehirnbereiche, die begonnen hatten zu schrumpfen und zu degenerieren. Die Behandlung beeinflusste auch das Bewegungsverhalten positiv, wie beispielsweise die Fähigkeit, auf einem rotierenden Stab zu laufen (eine Aufgabe, die Huntington-Mäuse nicht gut können). Viele andere Probleme, die oft bei Huntington-Mäusen beobachtet werden, wurden verbessert, einschließlich der erhöhten zellulären Energieproduktion.

Das Protein mTORC1 hilft den Zellen ein sorgfältiges Gleichgewicht aus Energieerzeugung und Energieverbrauch aufrechtzuerhalten. In Huntington-Gehirnzellen scheint es, dass dieses sorgfältige Gleichgewicht gestört ist.
Das Protein mTORC1 hilft den Zellen ein sorgfältiges Gleichgewicht aus Energieerzeugung und Energieverbrauch aufrechtzuerhalten. In Huntington-Gehirnzellen scheint es, dass dieses sorgfältige Gleichgewicht gestört ist.

Davidson’s Team fand auch heraus, dass andere Wege in der Zelle, die zuvor bei der Huntington-Krankheit als defekt gezeigt wurden, durch diese Behandlung verbessert wurden. Einer dieser wichtigen Wege wird Autophagie bezeichnet und ist im Wesentlichen en biologischer „Müll“-Beseitigungsprozess des Organismus. Dies ist besonders wichtig, da diese Autophagie den Zellen helfen kann, das mutierte Huntingtin selbst aufzuräumen, dies könnte erklären, wo all diese Vorteile herkommen.

Interessanterweise hatten frühere Arbeiten genau das Gegenteil vorausgesagt - dass die Erhöhung der Aktivität von mTORC1 zur Reduzierung der Autophagie führen würde. Warum nun das gegenteilige Ergebnis in Huntington-Gehirnen beobachtet wurde, ist ein Rätsel, eines, das vielleicht neue Aspekte offenbaren wird, wie die Zellen funktionieren.

Aufregender Weise wurden einige der Vorteile durch die Erhöhung der mTORC1-Aktivität sogar dann gesehen, wenn die Mäuse behandelt wurden, nachdem sie bereits erkrankt waren. Diese Ergebnisse sind wichtig, da sie zeigen, dass die Gehirnzellen leistungsfähig sind, als Antwort auf die Behandlung selbst nach Ausbruch der Krankheit.

Balanceakt

Obwohl diese Arbeit sehr spannende Wissenschaft ist, ist es wichtig zu beachten, dass die Aktivitäten dieser Systeme in einem sehr empfindlichen Gleichgewicht liegen. Eine frühere Studie von mTORC1 in den Muskeln der Huntington-Mäuse zeigte erhöhte Aktivierung. Sie haben richtig gehört - das sind gegenteilige Erkenntnisse.

Was all diese Forschungsergebnisse nahelegen ist, dass die Interaktion zwischen mTORC1 und Huntingtin in einem empfindlichen Gleichgewicht liegt, und die Reparatur oder Wiederherstellung dieses Weges muss genau auf dem richtigen Niveau gemacht werden, um weiteren Schaden zu vermeiden

Wenn dies auch bei Menschen mit der Huntington-Krankheit der Fall ist, könnte es sehr schwierig sein, eine Möglichkeit zu finden, um die Aktivität von mTORC1 in verschiedenen Geweben auf unterschiedliche Weise zu verändern. Aber es ist klar, dass die Ergebnisse von Dr. Davidson darauf hindeuten, dass der mTORC1-Weg im Gehirn durch die Huntington-Krankheit beeinträchtigt wird, und dass die Verbesserung, wie der Weg funktioniert, schützende Wirkung hat.

Was all diese Forschungsergebnisse nahelegen ist, dass die Interaktion zwischen mTORC1 und Huntingtin in einem empfindlichen Gleichgewicht liegt, und die Reparatur oder Wiederherstellung dieses Weges muss genau auf dem richtigen Niveau gemacht werden, um weiteren Schaden zu vermeiden. Es ist ein „Goldlöckchen-Effekt“, bei dem das mTORC1-Niveau genau das Richtige sein muss – sowohl zu viel als auch zu wenig ist schädlich!

Zünglein an der Waage

Viel Arbeit bleibt noch, um diese spannenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in eine Therapie zu überführen. Eine wichtige Frage ist, wie kompliziert diese Systeme und Ziele für Wissenschaftler sind, um sie zu studieren. Beispielsweise haben andere neurologische Erkrankungen wie Fragiles X-Syndrom und Autismus eine überaktive mTORC1-Aktivität, während mTORC1 bei ALS und der Huntington-Krankheit reduziert ist.

Diese aufregende neue Wissenschaft erinnert uns auch daran, dass wenn wir unerwartete Ergebnisse erhalten, wir oft die interessantesten Dinge kennenlernen. Die Beantwortung der Fragen, die von der neuen Studie aufgebracht wurden, könnte neue Wege für die Entwicklung neuartiger Therapien für die Huntington-Krankheit öffnen.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...