Jeff CarrollVon Dr Jeff Carroll Übersetzt von Laura Emily Clemens Bearbeitet von Professor Ed Wild

Patienten mit Chorea Huntington scheinen eine Menge Veränderungen außerhalb des Gehirns zu zeigen, aber diese Problematik wurde bislang noch nicht im Detail untersucht. Neue Hinweise offenbaren, dass HD-Mutationsträger Unterschiede in der Leberfunktion haben, noch bevor sie Krankheitssymptome der HD zeigen. Dieses neue Ergebnis hilft uns die Stoffwechselveränderungen zu verstehen, die HD-Patienten erfahren und die zurzeit noch wenig verstanden und zu wenig untersucht sind.

Chorea Huntington ist eine Erkrankung des Gehirns, oder?!

HD wird oft als “neurodegenerative” Erkrankung beschrieben. Das heißt ganz einfach, dass man annimmt, dass die Hauptsymptome der Krankheit durch das frühzeitige Absterben von speziellen Gehirnzellen, den “Neuronen” verursacht werden.

Ein cleverer Atemtest wurde eingesetzt, um "schweren Kohlenstoff", der von der Leber verstoffwechselt wurde, als Marker dafür zu verwenden, ob der Leberstoffwechsel normal funktioniert oder nicht.
Ein cleverer Atemtest wurde eingesetzt, um “schweren Kohlenstoff”, der von der Leber verstoffwechselt wurde, als Marker dafür zu verwenden, ob der Leberstoffwechsel normal funktioniert oder nicht.

Viele prominente Symptome von HD werden höchstwahrscheinlich durch den frühen Zelltod von Neuronen ausgelöst, wie etwa die besonders auffälligen Bewegungsstörungen, unter denen die Patienten leiden. Es ist außerdem sehr wahrscheinlich, dass Probleme mit dem Gedächtnis und der Regulation von Emotionen, die HD so schwierig machen, auch vom Absterben oder der Fehlfunktion der Gehirnzellen herrühren.

Erstaunlicherweise ist das mutierte Gen, das die HD auslöst nahezu im ganzen Körper vorhanden. Als Wissenschaftler das Gen entdeckten, dachten sie zunächst, dass das mutierte Protein nur in empfindlichen Teilen des Gehirns produziert wird. Tatsächlich hat sich aber herausgestellt, dass obwohl nur ganz bestimmte Gehirnzellen im Verlauf der Erkrankung absterben, so gut wie jede Zelle das Protein aktiv herstellt.

Angesichts dieser weit verbreiteten Aktivität des HD-Gens wundert es, dass Forscher gerade erst anfangen, der Tatsache Wert beizumessen, dass bei HD-Patienten Dinge auch außerhalb des Gehirns schief laufen.

Einige der Veränderungen außerhalb des Gehirns sind wichtig für das Verständnis der Krankheit. Hier in HDBuzz haben wir an früherer Stelle über die Beteiligung des Immunsystems berichtet und dass das “Ruhigstellen” des Immunsystems den Zustand von HD-Mäusen verbessert, auch wenn die Substanzen, die dazu einesetzt werden gar nicht bis ins Gehirn gelangen!

Andere Aspekte der Huntington-Erkrankung sind weniger gut erforscht, könnten aber wirklich wichtig sein. Viele HD-Patienten verlieren zum Beispiel Gewicht, obwohl sie eine ausreichende Menge an Kalorien zu sich nehmen. Eine frühe Studie zu Faktoren, die den Lebensstil von HD-Patienten betreffen, deutete darauf hin, dass HD-Patienten, die bei der Diagnose der Erkrankung mehr wogen, einen langsameren Krankheitsverlauf zeigten.

“Stoffwechsel” ist ein Begriff, den Wissenschaftler verwenden, um alle chemischen Prozesse zu beschreiben, die es unserem Körper möglich machen, Nahrung in Energie umzuwandeln. Veränderungen im Stoffwechsel, die zu Gewichtsverlust führen, haben ihren Ursprung in vielen verschiedenen Teilen des Körpers - zum Beispiel der Muskulatur, dem Fettgewebe oder der Leber. Wir haben gerade erst begonnen, bei HD-Patienten nach Veränderungen in diesen Organen zu suchen.

Arbeitet die Leber weniger gut bei HD?

Vor vielen Jahren, als Mediziner erstmals die Organe von verstorbenen HD-Patienten untersuchten, bemerkten sie, dass die Leber geschrumpft zu sein schien. Ungleich den Gehirnzellen sind Leberzellen in der Lage sich zu regenerieren, wenn sie beschädigt werden. Leberzellen von HD-Patienten scheinen häufiger entfernt und ersetzt zu werden als solche von Menschen ohne HD, was bedeuten könnte, dass sie mehr Schädigungen erfahren als es normale Zellen tun.

Das ist bislang der beste Beweis dafür, dass die Leberfunktion in HD-Patienten und Mutationsträgern verändert ist.

Unter anderem aufgrund dieser Beobachtungen, haben Forscher Leberveränderungen in Mausmodellen der HD untersucht. Professor Jenny Morton von der Cambridge-Universität interessiert sich besonders für Veränderungen des Schlafs bei HD. Als Teil ihrer Schlafstudien untersuchte sie, welche Gene im Laufe eines Tages in der Leber von HD-Mäusen ein- und ausgeschaltet werden. Mäuse, wie auch Menschen, schalten zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedliche Gene ein.

Diese komplexe Regulation des Ein- und Ausschaltens spezifischer Gene in der Leber im Tagesverlauf funktioniert nicht richtig in HD-Mäusen. Das könnte schwerwiegende Folgen für den Stoffwechsel des gesamten Körpers haben, weil die Leber eine Schlüsselrolle im Stoffwechsel spielt.

Schwere Sache

Aber gibt es auch Veränderungen in der Leber von HD-Patienten? Neuste Befunde von einem Team von Forschern unter der Leitung der Ärzte Dr. Carsten Saft und Dr. Sven Stüwe aus Bochum deuten darauf hin, dass es sie gibt.

Das Team verwendete einen simplen Test zur Untersuchung der Leberfunktion in drei Gruppen von Personen: Kontrollpersonen, Personen, die die HD-Mutation tragen, aber noch keine Symptome zeigen und HD-Patienten mit Symptomen. Jeder Teilnehmer trank eine kleine Menge Wasser, das die chemische Substanz “Methionin” beinhaltete.

Methionin ist eine der 21 Aminosäurenbausteine, die unsere Zellen dazu verwenden, all die Proteine herzustellen, die sie brauchen. Methionin kommt also natürlicherweise in großen Mengen in unserem Körper vor.

Das Methionin, welches die Forscher einsetzten war ein bißchen anders - sie verwendeten Methionin, das ein außergewöhnlich schweres Kohlenstoffatom besitzt. Dadurch erhält jedes Methion-Molekül ein höheres Gewicht als normalerweise und die Forscher konnten das von den Teilnehmern zu sich genommene Methionin mithilfe von spezieller Messtechnik nachverfolgen.

Warum sollten sie das tun wollen? Wie sich herausstellt, wird Methionin, das wir über die Nahrung zu uns nehmen, ausschließlich in der Leber verstoffwechselt, und dieser Prozess kann nachverfolgt werden, wenn man nach schwerem Kohlenstoff im Kohlendioxid sucht, das die Teilnehmer ausatmen.

Das mutierte Huntingtin-Protein wird im ganzen Körper hergestellt, nicht nur im Gehirn. Zunehmend schauen sich Wissenschaftler zur Erforschung und Behandlung der HD auch außerhalb des Gehirns um.
Das mutierte Huntingtin-Protein wird im ganzen Körper hergestellt, nicht nur im Gehirn. Zunehmend schauen sich Wissenschaftler zur Erforschung und Behandlung der HD auch außerhalb des Gehirns um.

Der Test ist sehr einfach und ziemlich cool. Die Teilnehmer schluckten ihren Aminosäurentrunk und atmeten in eine Maschine, die messen kann wieviel schweren Kohlenstoff sie ausatmeten. Aber die Schlussfolgerungen, die aus dem Experiment gezogen werden können sind außerordentlich wichtig - jahrelange Erfahrung zeigt, dass der Test sicher dazu verwendet werden kann, die Leberfunktion zu messen.

HD-Patienten atmeten weniger markierten Kohlenstoff aus als Kontrollpersonen - ein Befund, der auf eine veränderte Leberfunktion hindeutet. Personen, die die HD-Mutation trugen, aber keine Krankheitssymptome aufwiesen, hatten auch weniger schweren Kohlenstoff in ihrem Atem.

Was bedeutet das?

Dies ist der beste Beweis, den wir bislang für eine veränderte Leberfunktion bei HD-Patienten und Mutationsträgern haben. Wir wissen außerdem, dass eine normale Leberfunktion sehr wichtig für die Regulierung des Stoffwechsels im ganzen Körper ist.

Es ist wichtig anzumerken, dass diese Veränderungen sehr subtil sind, und dass dies nicht bedeutet, dass Menschen mit HD einen “Leberschaden” haben oder an “Leberversagen” leiden - und es deutet auch nichts darauf hin, dass sie ein höheres Risiko besitzen, Leberprobleme als eigenständige Krankheit zu entwickeln.

Wir sind immernoch weit davon entfernt zu verstehen, wie Veränderungen der Leber zu den Veränderungen, die wir im Stoffwechsel von HD-Patienten beobachten führen, aber nun haben wir zumindest ein Ziel, dass wir untersuchen können. Dieses Ergebnis wird sicher die Zuversicht derjenigen Wissenschaftler schüren, die daran interessiert sind diese Art von Veränderungen zu untersuchen, also halten wir in Zukunft Ausschau nach mehr von diesen spannenden “Ganzkörper”-Studien.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...