Ed WildVon Professor Ed Wild Übersetzt von Nathalia Weber Bearbeitet von Dr Jeff Carroll

Gewichtsverlust, Veränderungen des Appetits und andere Stoffwechselstörungen sind gravierende Folgen der Huntington Krankheit. Nun hat ein Team schwedischer Wissenschaftler anhand von genetisch veränderten Viren und ein paar fetten Mäusen gezeigt, dass eine winzige Gehirnregion namens Hypothalamus hierbei eine wichtige Rolle spielt.

Gewichtsverlust bei Huntington Patienten

Viele Patienten mit der Huntington Krankheit verlieren an Gewicht, und das Halten des Gewichts kann mit dem Fortschreiten der Erkrankung zu einem aussichtslosen Kampf werden. Wissenschaftler hatten bisher Schwierigkeiten eine Erklärung dafür zu finden, dass HK Patienten abnehmen, obwohl ihr Appetit sogar häufig zunimmt.

Der Hypothalamus ist ein winziger Teil des Gehirns, reguliert jedoch mithilfe von Hormonen den Stoffwechsel des gesamten Körpers
Der Hypothalamus ist ein winziger Teil des Gehirns, reguliert jedoch mithilfe von Hormonen den Stoffwechsel des gesamten Körpers

Die Genmutation, die die Huntington Krankheit verursacht, ist in jeder Körperzelle eines Erkrankten zu finden. Es ist daher möglich, dass der direkte Einfluss der Mutation auf die einzelnen Zellen für den Gewichtsverlust verantwortlich ist. Wir wissen zum Beispiel, dass bei der HK die Energieproduktion in den Zellen verändert ist; dies könnte durch die direkten Effekte des abnormen Huntingtin Proteins innerhalb der Zellen verursacht werden.

Der Hypothalamus: klein aber oho

Zellen arbeiten jedoch nicht unabhängig voneinander - sie erhalten Signale von anderen Zellen, die so ihr Verhalten kontrollieren. Ein kleiner Teil des Gehirns, der Hypothalamus, ist wichtig bei der Regulation zahlreicher Körperfunktionen, unter anderem der Kontrolle des Appetits. Der Hypothalamus tut dies mithilfe von Hormonen - kleine Botenstoffe, die in das Blut ausgeschüttet werden und die das Verhalten der Zellen beeinflussen.

Es ist bekannt, dass die Produktion des Hormons Insulin sowie die dadurch ausgelösten Reaktionen im Körper von Huntington Patienten verändert sind. Da Insulin an der Regulierung des Körpergewichts beteiligt ist, könnten diese Veränderungen ein wichtiger Hinweis auf die Ursachen des Gewichtsverlusts bei der HK sein. Darüber hinaus verwendet der Hypothalamus Insulin als ein Mittel, um den Energieverbrauch des Körpers - auch Stoffwechsel, oder Metabolismus, genannt - zu messen und zu kontrollieren. Dieser Zusammenhang führte zu der Frage, inwiefern Veränderungen der Hypothalamus-Funktionen für typische Stoffwechselstörungen bei der HK verantwortlich sind.

Eine von Åsa Petersén geleitete Forschungsgruppe an der Universität Lund in Schweden machte es sich zur Aufgabe, die Rolle des Hypothalamus bei diesen metabolischen Veränderungen zu untersuchen. Bevor wir ihre Arbeit genauer schildern, müssen wir zunächst eine fette Maus mit dem Namen BAC kennenlernen.

BAC-Mäuse: schwere Knochen oder einfach nur gefräßig?

BAC-Mäuse sind ein Maus-Modell für Huntington. Sie wurden gentisch so manipuliert, dass sie einen zusätzlichen DNA-Abschnitt haben, durch den sie sowohl das mutierte Huntingtin Protein, als auch ihr eigenes normales Huntingtin Protein bilden. BAC-Mäuse werden sehr fett - sie sind fast doppelt so schwer wie andere Mäuse, die das mutierte Protein nicht produzieren.

Es mag seltsam klingen, fette Mäuse zu erforschen, wo doch Huntington Patienten eher an Gewicht verlieren; aber obwohl die Mäuse anders aussehen, haben sie offensichtlich einen durch das mutierte Protein veränderten Stoffwechsel. Daher könnte es wichtige Hinweise auf die Vorgänge im Menschen liefern, wenn man die Zusammenhänge zwischen dem Gen und den metabolischen Veränderungen in der Maus findet.

Diese Studie hat unser Verständnis des Hypothalamus und dessen Bedeutung bei der HK wesentlich erweitert

Zunächst beobachteten die Wissenschaftler die Mäuse, um herauszufinden, warum sie so fett wurden. Es lag offenbar nicht an Bewegungsmangel - die BAC-Mäuse waren genauso aktiv wie normale Mäuse. Es lag ebenfalls nicht an einem verlangsamten Stoffwechsel - sie verwerteten auch die gleiche Menge an Sauerstoff, wie normale Mäuse. Die BAC-Mäuse waren übergewichtig, weil sie mehr aßen - wie viele HK Patienten hatten auch sie einen größeren Appetit als normal. Die BAC-Mäuse reagierten darüber hinaus weniger stark auf Insulin - ebenfalls ein Phänomen, das sich bei einigen menschlichen Patienten beobachten lässt. Außerdem fand das Team heraus, dass der Hypothalamus der BAC-Mäuse weniger sensibel auf ein anderes Hormon reagierte: das Leptin zur Regulation des Appetits.

HK nur im Hypothalamus?

Als nächstes führten die Wissenschaftler ein sehr cleveres Experiment durch. Sie nahmen normale Mäuse, ohne das mutierte Gen, um ihnen ein genetisch verändertes Virus in den Hypothalamus zu injizieren. Viren können dazu genutzt werden, Gene in bestimmte Gehirnregionen zu transportieren, und in diesem Fall wurde das mutierte Huntingtin Gen transportiert.

Das Ergebnis waren Mäuse, die einen normalen Körper und ein normales Gehirn hatten - mit Ausnahme des Hypothalamus, der die HK-typische Genmutation in sich trug. Nachdem sichergestellt wurde, dass der Hypothalamus nun das mutierte Protein produzierte, beobachtete man diese Mäuse und stellte fest, dass sie den BAC-Mäusen stark ähnelten - auch, wenn nur ein kleiner Teil ihres Gehirns die Mutation in sich trug. Genau wie die BAC-Mäuse wurden sie fett, aßen mehr und zeigten verminderte körperliche Reaktionen auf Insulin und Leptin.

HK überall, außer im Hypothalamus?

Nachdem die Forscher zeigen konnten, dass der Hypothalamus in der Lage ist, diese großen Veränderungen des Metabolismus hervorzurufen, führten die Forscher ein hochinteressantes, genau entgegengesetztes Experiment durch; hierbei machten sie sich eine besondere Eigenschaft der BAC-Mäuse zunutze. Und zwar hatten die Forscher, die die BAC-Mäuse ursprünglich entworfen hatten, einen genetischen “Schalter” mit eingebaut, über den menschliche Patienten nicht verfügen.

Unter Nutzung eines weiteren genetisch veränderten Virus konnten die Wissenschaftler dadurch das mutierte Gen im Hypothalamus der BAC-Mäuse ausschalten und hatten im Ergebnis Mäuse, die das mutierte Huntingtin überall, außer im Hypothalamus hatten.

Diese Mäuse hatten einen normalen Stoffwechsel und wurden nicht fett - jedoch nur dann, wenn die Mäuse zum Zeitpunkt der Virus-Injektion noch jung waren. Bei älteren Mäusen, die bereits fett waren, bewirkte die Injektion keine Verbesserung. Dieses Experiment zeigt folgendes: der Hypothalamus kann die metabolischen Veränderungen in BAC-Mäusen zwar hervorrufen, ist jedoch offenbar nicht für deren Aufrechterhaltung verantwortlich. Einmal entstanden, scheinen die Probleme sich selbst aufrecht zu erhalten.

Im Gegensatz zu den meisten menschlichen HK Patienten werden BAC-Mäuse mit der HK übergewichtig - das zugrundeliegende Problem könnte dennoch ähnlich sein
Im Gegensatz zu den meisten menschlichen HK Patienten werden BAC-Mäuse mit der HK übergewichtig - das zugrundeliegende Problem könnte dennoch ähnlich sein

Was bedeutet dies für Patienten?

Diese Experimente haben unser Verständnis der Rolle des Hypothalamus bei der HK stark verbessert. Wir wissen jetzt dass sich metabolische Veränderungen im gesamten Körper einstellen, sobald Zellen im Hypothalamus die Huntington Mutation in sich tragen. Umgekehrt scheint das Ausschalten der Mutation in diesem winzigen Teil des Gehirns dazu zu führen, dass sich diese metabolischen Veränderungen gar nicht erst entwickeln.

Anlass zur Vorsicht

Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass diese Arbeit ausschließlich an Mäusen durchgeführt wurde und dass dabei Techniken verwendet wurden, die beim Menschen so nicht direkt funktionieren würden. HK Patienten haben leider keinen praktischen “Schalter”, so wie die BAC-Mäuse, sondern das Ausschalten des HK Gens ist beim Menschen eine große Herausforderung.

Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass zur Zeit noch unklar ist, wie bedeutsam die bei den Mäusen beobachteten Veränderungen tatsächlich sind. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob BAC-Mäuse mit einem “normalen” Hypothalamus länger leben oder über eine bessere Denkfähigkeit verfügen würden - sie könnten genauso gut zwar dünner, sonst aber nach wie vor in anderen wichtigen Bereichen beeinträchtigt sein. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass ein Wiederherstellen der normalen Hypothalamus-Funktion bei Patienten alle Aspekte der HK verbessern würde.

Das Fazit

Alles in allem ist dies eine vielversprechende und wichtige Arbeit, die zeigt, dass die Behandlung von Abnormalitäten des Hypothalamus viel größere Wirkung zeigen könnte, als man bei dessen geringer Größe annehmen mag. Wissenschaftler arbeiten jetzt an Methoden, die die Funktion des Hypothalamus bei menschlichen Patienten verbessern können.

Diese Forschungsarbeit erinnert uns auch daran, dass die Huntington Krankheit das ganze Gehirn und den ganzen Körper beeinflusst - weshalb wir Therapien brauchen, die die weitreichenden Effekte der HK Mutation umfassend behandeln.

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt offenzulegen. Weitere Informationen zu unserer Offenlegungsrichtlinie finden Sie in unseren FAQ ...